Sängerin und Long-Covid-Patientin Mia Diekow

Leben mit kaputtem Akku

34:09 Minuten
Die Sängerin Mia Diekow hat die Augen geschlossen und singt in in Mikrofon - sie trägt einen schwarzen Cowboy-Hut.
Bessere Zeiten: Mia Diekow bei einem Konzert in der "Fabrik" in Hamburg. © imago/xim.gs
Moderation: Tim Wiese · 29.03.2022
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Gerade wollte sie ihr neues Album veröffentlichen, da bekam sie Corona. Zwei Jahre später ist die Sängerin und Synchronsprecherin Mia Diekow noch immer nicht gesund: Long Covid. Mit der verbliebenen Energie kämpft sie für die Anerkennung der Krankheit.
Anfangs wollte Mia Diekow mit ihrer Krankheit gar nicht an die Öffentlichkeit gehen: “Mit dieser Erkrankung geht ja auch ein Stigma einher. Man weiß nicht, wie lange es dauert, man weiß nicht, wie leistungsfähig man bleiben kann. Für Arbeitgeber ist das eine sehr unsichere Situation.”, Diekow fürchtete zudem, die Leute könnten glauben, dass sie die Krankheit als Publicity für ihre Karriere als Sängerin und Sprecherin nutzt: “Das ist das Letzte, was ich will. Ich möchte, dass diese Erkrankung erforscht wird.”
“Ich wache schon mit kaputtem Akku auf”
Long Covid ist ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheitssymptome, die nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten können. Bei Mia Diekow nahm die Krankheit zuerst einen moderaten Verlauf, doch seit zwei Jahren wird sie einfach nicht gesund.
Sie leidet vor allem unter dem Chronischen Fatigue Syndrom, einer schweren Erkrankung, die zu besonders schneller und lang anhaltender Erschöpfung führt. Hinzu kommt eine Post-Exertional-Malaise (Belastungsintoleranz) sowie eine Störung des autonomen Nervensystems. “Ich bin generell sehr kraftlos. Ich wache sozusagen schon mit einem kaputten Akku auf”, berichtet sie. Wenn sie sich zu sehr anstrenge, falle sie hinterher oft über Tage oder Wochen komplett aus, berichtet Diekow.
Fehldiagnose: psychisch krank
Ein großes Problem besteht darin, mit den Symptomen ernst genommen zu werden. Das hat auch Mia Diekow erfahren: “Ich hatte eine Hausärztin, die mit postviraler Fatigue nicht vertraut war. Das ist einfach nicht Teil der Lehre. Es ist bis heute ein Thema, das extrem unterforscht ist.”
Diekow kämpft monatelang um einen Termin bei einer Spezialistin. Außerdem schließt sie sich einer Selbsthilfegruppe an und wird Administratorin derselben. Dort sieht sie, dass sie nicht alleine ist mit ihren Problemen. “Das Schwierige daran ist, dass einem häufig unterstellt wird, man hätte eine psychische Erkrankung. Mir wurde gesagt, dass ich das Trauma der Akuterkrankung nicht verarbeitet hätte.” 

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Podcast: Länderreport
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Um gegen Fehldiagnosen und Unwissen etwas zu tun, hat Diekow mit der Initiative “Long Covid Deutschland” einen Aktionsplan entworfen: “Wir brauchen eine gezielte Förderung zur Entwicklung biomedizinischer Therapiemöglichkeiten, Grundlagenforschung, Therapieforschung, Diagnostik- und Versorgungsforschung.” Die mangelnde finanzielle Ausstattung beim Umgang mit den Langzeitfolgen von Covid empfindet sie als einen “Schlag ins Gesicht aller Betroffenen”. Und das sind jüngeren Statistiken zufolge mindestens zehn Prozent aller Covid-Erkrankten.
“Mir fehlt ein großer Teil meiner Persönlichkeit”
2020 hätte eigentlich ein neues Album erscheinen sollen, es war praktisch fertig, doch der Sängerin fehlte die Kraft für Konzerte und Promotion.

Ich liebe meinen Job. Ich bin so gerne als Sängerin und Sprecherin tätig. Es passt auch so gut zu mir. Ich bin ein unglaublich verspielter Mensch, eigentlich, der den ganzen Tag nur Quatsch macht und singt. Aber seit ich erkrankt bin, habe ich nicht einen einzigen Song geschrieben. Mir fehlt ein großer Teil meiner Persönlichkeit.

Diekows Glück im Unglück: als Synchronsprecherin hat sie tragende Rollen in verschiedenen Serien.  “Mich zu ersetzen ist ganz schön schwierig.” Vor allem die Jüngeren kennen sie als Stimme von Yakari, eine Figur aus einer beliebten Zeichentrickserie.
Dennoch sei sie momentan nur "auf 15 Prozent" ihres "früheren Niveaus”, sagt Diekow. Und viele andere Betroffene kämen aus Pflegeberufen und könnten mit Long Covid gar nicht mehr arbeiten.
Dass dies endlich als Behinderung und als Grund für Arbeitsunfähigkeit anerkannt wird, ist eines der Hauptziele ihres Einsatzes: “Es macht mich fertig zu sehen, wie viele Menschen damit allein gelassen werden.”
(mah)
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