"Ich lebe in einem guten Gefängnis"
Der italienische Bestseller-Autor Roberto Saviano bereut nach eigener Aussage, seinen Bestseller "Gomorrha" über die napolitanische Mafia geschrieben zu haben. Zugleich sei er aber stolz darauf.
Klaus Pokatzky: Sein neues Buch, den Essayband "Die Schönheit und die Hölle", hat Roberto Saviano in einem Dutzend verschiedener Wohnungen geschrieben, ständig bewacht und beschützt von Leibwächtern der italienischen Polizei. Auch heute Morgen, als ich ihn in einem Berliner Hotel interviewt habe, hielt sich die Leibgarde diskret im Hintergrund. Hunderte Male ist Roberto Saviano in Interviews schon gefragt worden: Wie fühlen Sie sich? Das wollte ich vermeiden, also habe ich ihn, den Journalistenkollegen, um Rat gebeten, wie man diese Frage vermeiden kann, und daher gefragt: Wenn Sie, Roberto Saviano, als Journalist jemanden interviewen sollten, der in Ihrer Situation lebt – Salman Rushdie zum Beispiel –, was würden Sie den fragen, wenn Sie diese abgedroschene Frage vermeiden wollen, wie fühlen Sie sich?
Robert Saviano: Tja, darauf ist der Ratschlag nicht so leicht zu geben. Es gibt zwei Lösungen: Entweder, die romantische Lösung, dass man fragt, wie geht es deiner Seele, oder mehr down to earth, dass man sagt, warum zum Teufel hast du das gemacht?
Pokatzky: Warum zum Teufel haben Sie das gemacht?
Saviano: Tja, genau weiß ich es nicht. Meine Antwort ist jetzt vielleicht recht unbeholfen: Auf keinen Fall wollte ich irgendeinen Supermann abgeben. Als ich "Gomorra" geschrieben habe, war es einfach meine Absicht, einen non-fiction novel über das italienische organisierte Verbrechen zu schreiben, eine Geschichte. Der enorme Erfolg dieses Buches hat dann dazu geführt, dass die Verbrecherorganisationen es mit der Angst zu tun bekamen, und von diesem Punkt an ist mein Leben im Grunde in sich zusammengestürzt. Ich habe dann beschlossen, nicht das Land zu verlassen, sondern Widerstand zu leisten. Warum ich das geschrieben habe, wer mich das geheißen hat, das kann ich nicht beantworten.
Pokatzky: Sie arbeiten für das Magazin "L'Espresso" und die Tageszeitung "Repubblica". Was haben die Kollegen denn am Anfang zu diesen brisanten Themen gesagt und was sagen sie heute?
Saviano: Nun, in Süditalien hat immer ein beträchtlicher Teil der Journalisten sich auch dieses Themas der Mafia angenommen, das heißt, es war also kein vollständig neues Thema. Das Besondere an meinem Buch war, dass ich eine Art hybride Form gewählt habe, nämlich einen mit Fakten gesättigten Roman, mit echten Namen. Und dadurch gelang es mir, dieses Thema wirklich einem Massenpublikum international begreiflich zu machen. Das war vorher nie geschehen, dass ein Roman über die Mafia 700.000 Exemplare in Deutschland, 500.000 Exemplare in Frankreich verkauft hat. Da haben sich also die Kollegen dann gefragt: Wie hat er das geschafft, dieses Thema so an den Mann zu bringen und wirklich weithin hinauszutragen? Andere hingegen haben also dann gesagt, ja, ist das auch wirklich notwendig? Das ist doch alles aufgebauscht, die Mafia bedroht doch nicht die Journalisten, wie das hier behauptet wird. Hier muss ich nun ergänzen: Das war immer schon so in Italien, um ein Beispiel zu bringen: Der Richter Giovanni Falcone, der ermordet worden ist, der entging einem Attentat. Da war eine mit Sprengstoff gefüllte Tasche platziert worden, und die explodierte dann nicht. Da war dann auf allen Zeitungen zu lesen, er hat diese Tasche selbst dorthin gelegt, und dadurch wurde ihm sozusagen der Wind aus den Segeln genommen. Das passiert seit jeher, also man versucht, diese Mafiaautoren zu delegitimieren, indem man sagt, das werde alles aufgebauscht. Also kann ich sagen, ein Teil der Kollegen hat mich verteidigt, hat zu mir gehalten, ein anderer Teil hat versucht, mir den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Pokatzky: Fühlen Sie sich auch von manchen Menschen, vielleicht ehemaligen Freunden, verraten, im Stich gelassen?
Saviano: Nein. Das empfinde ich nicht so. Das einzige, was mich wirklich stört, ist Missgunst, also wenn jetzt zum Beispiel angesichts dieser großen Sichtbarkeit, die ich jetzt zum Beispiel wieder spüre, da irgendwelche Neidgefühle aufkommen. Das erfüllt mich dann schon mit Wut.
Pokatzky: In Ihrem neuen Buch, in dem Essayband "Die Schönheit und die Hölle" beschreiben Sie, wie das ist, ein Leben auf der Flucht vor der Camorra zu führen, immer bewacht von Leibwächtern, wie schwierig es ist, eine Straße überhaupt nur zu überqueren, in ein Flugzeug einzuchecken, eine Wohnung zu finden, was Sie alle paar Monate spätestens machen müssen. Sie waren früher ein ganz großer journalistischer Rechercheur ja vor Ort. Wie können Sie bei diesen Bedingungen heute überhaupt noch recherchieren?
Saviano: Diese Aktivitäten gibt es für mich nicht mehr. Ich kann nicht mehr eigenständig solche Erkundigungen einziehen. Ich arbeite jetzt mit anderen Mitteln, ich stütze mich ganz häufig auf Abhörprotokolle oder auf Gerichtsakten. Ich habe gute Kontakte zu der Polizei, ich habe ja in den ersten Jahren viel in Kasernen gelebt, ich konnte viel mit den Carabinieri sprechen. Sie sind sozusagen meine Augen geworden. Ab und zu wohne ich auch Mafiaprozessen bei, da kann ich sozusagen dann dem Mafiosi direkt ins Angesicht schauen. Aber insgesamt hat sich die Lage vollständig verändert. Ich lebe sozusagen in einem guten Gefängnis, ein Gefängnis, das mich beschützen soll und mich davor bewahren soll, dass mir etwas Böses zustößt im Gegensatz zu den anderen Häftlingen, die im Gefängnis sitzen, damit sie nicht weiterhin Böses tun.
Pokatzky: Führt das vielleicht auch zu völlig neuen Themen? Haben Sie mal überlegt, das Psychogramm eines Leibwächters zu schreiben als Journalist?
Saviano: Ja, warum eigentlich nicht? Das ist eigentlich keine schlechte Idee. Es ist sozusagen für mich ein Traum, kein Mafiologe zu bleiben, und warum sollte ich dann nicht einmal eine Art Psychogramm eines der vielen Leibwächter schreiben, die mich begleiten?
Pokatzky: Kommt mal ein Roman zu diesem, in Anführungsstrichen, Leben, das Sie jetzt führen?
Saviano: Dieser Roman wird ganz sicher kommen. Ich habe ihn bisher nicht geschrieben, weil ich eben gerne einen Roman mit glücklichem Ausgang schreiben würde. Es täte mir sehr leid, wenn ich einen Roman schreiben müsste, der eben dann in dieser Situation endet, in der ich jetzt lebe.
Pokatzky: Werden Sie jemals normal leben können?
Saviano: Es ist mein eigentliches Ziel. Ich habe auch nicht die Angst, die andere Kollegen nach einem Bestseller haben, noch einmal ein Buch zu veröffentlichen. Meine eigentliche Angst ist, dass ich mein Hauptwerk nicht vollenden kann, eben wieder zu einem normalen Leben zurückzufinden, wo es der Psyche besser geht, die jetzt seit Jahren eben in dieser Ausnahmesituation unter Druck steht.
Pokatzky: Es sind in den letzten Monaten mehrere große Bosse der organisierten Kriminalität verhaftet worden. Macht das Ihre Lage sicherer oder noch explosiver?
Saviano: Die bisherigen Verhaftungen haben jene Teile der Mafia betroffen, die auf dem absteigenden Ast sind, die Bosse ganz oben sind noch in Freiheit, aber die Aktivitäten, diese große Aufmerksamkeit, die das Thema auf sich zieht, hat die Situation in der Strafverfolgung verbessert. Was meine eigene Situation angeht, so ist die praktisch unverändert geblieben.
Pokatzky: Werden Sie Italien vielleicht möglicherweise irgendwann doch noch einmal verlassen? Zu den vielen Solidaritätsbekundungen aus vielen Ländern und von vielen Menschen gehört ja zum Beispiel auch, dass Israel Ihnen Asyl angeboten hat.
Saviano: Ja, es stimmt, Israel war unter den ersten Ländern, die mich eingeladen haben. Es war sogar der Präsident Peres selbst, der mich dazu aufgefordert hat, vielleicht auch deswegen, weil meine Mutter jüdischer Herkunft ist. Das kann also geholfen haben. Diese anderen Länder eröffnen mir in der Tat eine Perspektive auf Freiheit, Israel, Schweden, Deutschland, Spanien haben mir Zuflucht angeboten, auch dank des Wirkens meiner Verleger. Ich meine, irgendwann wird es sicherlich zu meiner Perspektive gehören, eine Zeit im Ausland zu verbringen.
Pokatzky: Erstmals seit der Veröffentlichung von "Gomorra" treten Sie heute Abend öffentlich in Deutschland auf. Sie eröffnen den italienischen Theaterherbst in Berlin mit einem Monolog "La bellezza e l'inferno". Was ist das für ein Monolog?
Saviano: Es handelt sich um einen Monolog, den ich zusammen mit der Regisseurin Serena Sinigallia für das Piccolo Teatro in Mailand ausgearbeitet habe. Es sind Geschichten, aneinandergereiht, von Menschen, die Widerstand geleistet haben, beginnend von Lionel Messi, dem Fußballer, über Anna Politkowskaja, die Journalistin, hin zu den jungen Menschen, die im Iran Widerstand leisten. Alle diese Menschen haben eines gemeinsam: Sie glauben an ihre Gaben, sie verschicken sich nicht in ihr Unglück, ja, sie sagen, es gibt eigentlich kein Unglück. Ich freue mich, dass ich gerade hier in Berlin diese Theateraufführung erleben darf, vor allem auch deswegen, weil es mir die Möglichkeit verschafft, vielen Menschen zu begegnen, genau das, was für mich im Moment am schwierigsten ist.
Pokatzky: Wenn wir beide die Zeit zurückdrehen könnten um zehn Jahre, und Sie könnten sich jetzt entscheiden: Ich schreibe "Gomorra" oder ich schreibe "Gomorra" nicht, wofür würden Sie sich entscheiden?
Saviano: Das ist eine sehr, sehr schwierig zu beantwortende, zu schwierig zu beantwortende Frage. Ich reagiere darauf mit einem Kniff. Wenn man mich fragt, bereust du es, "Gomorra" geschrieben zu haben, dann würde ich sagen, ja, ich bereue es. Aber ich würde sofort hinzufügen: Aber ich bin stolz darauf, es gemacht zu haben.
Pokatzky: Danke!
Saviano: Gracie!
Robert Saviano: Tja, darauf ist der Ratschlag nicht so leicht zu geben. Es gibt zwei Lösungen: Entweder, die romantische Lösung, dass man fragt, wie geht es deiner Seele, oder mehr down to earth, dass man sagt, warum zum Teufel hast du das gemacht?
Pokatzky: Warum zum Teufel haben Sie das gemacht?
Saviano: Tja, genau weiß ich es nicht. Meine Antwort ist jetzt vielleicht recht unbeholfen: Auf keinen Fall wollte ich irgendeinen Supermann abgeben. Als ich "Gomorra" geschrieben habe, war es einfach meine Absicht, einen non-fiction novel über das italienische organisierte Verbrechen zu schreiben, eine Geschichte. Der enorme Erfolg dieses Buches hat dann dazu geführt, dass die Verbrecherorganisationen es mit der Angst zu tun bekamen, und von diesem Punkt an ist mein Leben im Grunde in sich zusammengestürzt. Ich habe dann beschlossen, nicht das Land zu verlassen, sondern Widerstand zu leisten. Warum ich das geschrieben habe, wer mich das geheißen hat, das kann ich nicht beantworten.
Pokatzky: Sie arbeiten für das Magazin "L'Espresso" und die Tageszeitung "Repubblica". Was haben die Kollegen denn am Anfang zu diesen brisanten Themen gesagt und was sagen sie heute?
Saviano: Nun, in Süditalien hat immer ein beträchtlicher Teil der Journalisten sich auch dieses Themas der Mafia angenommen, das heißt, es war also kein vollständig neues Thema. Das Besondere an meinem Buch war, dass ich eine Art hybride Form gewählt habe, nämlich einen mit Fakten gesättigten Roman, mit echten Namen. Und dadurch gelang es mir, dieses Thema wirklich einem Massenpublikum international begreiflich zu machen. Das war vorher nie geschehen, dass ein Roman über die Mafia 700.000 Exemplare in Deutschland, 500.000 Exemplare in Frankreich verkauft hat. Da haben sich also die Kollegen dann gefragt: Wie hat er das geschafft, dieses Thema so an den Mann zu bringen und wirklich weithin hinauszutragen? Andere hingegen haben also dann gesagt, ja, ist das auch wirklich notwendig? Das ist doch alles aufgebauscht, die Mafia bedroht doch nicht die Journalisten, wie das hier behauptet wird. Hier muss ich nun ergänzen: Das war immer schon so in Italien, um ein Beispiel zu bringen: Der Richter Giovanni Falcone, der ermordet worden ist, der entging einem Attentat. Da war eine mit Sprengstoff gefüllte Tasche platziert worden, und die explodierte dann nicht. Da war dann auf allen Zeitungen zu lesen, er hat diese Tasche selbst dorthin gelegt, und dadurch wurde ihm sozusagen der Wind aus den Segeln genommen. Das passiert seit jeher, also man versucht, diese Mafiaautoren zu delegitimieren, indem man sagt, das werde alles aufgebauscht. Also kann ich sagen, ein Teil der Kollegen hat mich verteidigt, hat zu mir gehalten, ein anderer Teil hat versucht, mir den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Pokatzky: Fühlen Sie sich auch von manchen Menschen, vielleicht ehemaligen Freunden, verraten, im Stich gelassen?
Saviano: Nein. Das empfinde ich nicht so. Das einzige, was mich wirklich stört, ist Missgunst, also wenn jetzt zum Beispiel angesichts dieser großen Sichtbarkeit, die ich jetzt zum Beispiel wieder spüre, da irgendwelche Neidgefühle aufkommen. Das erfüllt mich dann schon mit Wut.
Pokatzky: In Ihrem neuen Buch, in dem Essayband "Die Schönheit und die Hölle" beschreiben Sie, wie das ist, ein Leben auf der Flucht vor der Camorra zu führen, immer bewacht von Leibwächtern, wie schwierig es ist, eine Straße überhaupt nur zu überqueren, in ein Flugzeug einzuchecken, eine Wohnung zu finden, was Sie alle paar Monate spätestens machen müssen. Sie waren früher ein ganz großer journalistischer Rechercheur ja vor Ort. Wie können Sie bei diesen Bedingungen heute überhaupt noch recherchieren?
Saviano: Diese Aktivitäten gibt es für mich nicht mehr. Ich kann nicht mehr eigenständig solche Erkundigungen einziehen. Ich arbeite jetzt mit anderen Mitteln, ich stütze mich ganz häufig auf Abhörprotokolle oder auf Gerichtsakten. Ich habe gute Kontakte zu der Polizei, ich habe ja in den ersten Jahren viel in Kasernen gelebt, ich konnte viel mit den Carabinieri sprechen. Sie sind sozusagen meine Augen geworden. Ab und zu wohne ich auch Mafiaprozessen bei, da kann ich sozusagen dann dem Mafiosi direkt ins Angesicht schauen. Aber insgesamt hat sich die Lage vollständig verändert. Ich lebe sozusagen in einem guten Gefängnis, ein Gefängnis, das mich beschützen soll und mich davor bewahren soll, dass mir etwas Böses zustößt im Gegensatz zu den anderen Häftlingen, die im Gefängnis sitzen, damit sie nicht weiterhin Böses tun.
Pokatzky: Führt das vielleicht auch zu völlig neuen Themen? Haben Sie mal überlegt, das Psychogramm eines Leibwächters zu schreiben als Journalist?
Saviano: Ja, warum eigentlich nicht? Das ist eigentlich keine schlechte Idee. Es ist sozusagen für mich ein Traum, kein Mafiologe zu bleiben, und warum sollte ich dann nicht einmal eine Art Psychogramm eines der vielen Leibwächter schreiben, die mich begleiten?
Pokatzky: Kommt mal ein Roman zu diesem, in Anführungsstrichen, Leben, das Sie jetzt führen?
Saviano: Dieser Roman wird ganz sicher kommen. Ich habe ihn bisher nicht geschrieben, weil ich eben gerne einen Roman mit glücklichem Ausgang schreiben würde. Es täte mir sehr leid, wenn ich einen Roman schreiben müsste, der eben dann in dieser Situation endet, in der ich jetzt lebe.
Pokatzky: Werden Sie jemals normal leben können?
Saviano: Es ist mein eigentliches Ziel. Ich habe auch nicht die Angst, die andere Kollegen nach einem Bestseller haben, noch einmal ein Buch zu veröffentlichen. Meine eigentliche Angst ist, dass ich mein Hauptwerk nicht vollenden kann, eben wieder zu einem normalen Leben zurückzufinden, wo es der Psyche besser geht, die jetzt seit Jahren eben in dieser Ausnahmesituation unter Druck steht.
Pokatzky: Es sind in den letzten Monaten mehrere große Bosse der organisierten Kriminalität verhaftet worden. Macht das Ihre Lage sicherer oder noch explosiver?
Saviano: Die bisherigen Verhaftungen haben jene Teile der Mafia betroffen, die auf dem absteigenden Ast sind, die Bosse ganz oben sind noch in Freiheit, aber die Aktivitäten, diese große Aufmerksamkeit, die das Thema auf sich zieht, hat die Situation in der Strafverfolgung verbessert. Was meine eigene Situation angeht, so ist die praktisch unverändert geblieben.
Pokatzky: Werden Sie Italien vielleicht möglicherweise irgendwann doch noch einmal verlassen? Zu den vielen Solidaritätsbekundungen aus vielen Ländern und von vielen Menschen gehört ja zum Beispiel auch, dass Israel Ihnen Asyl angeboten hat.
Saviano: Ja, es stimmt, Israel war unter den ersten Ländern, die mich eingeladen haben. Es war sogar der Präsident Peres selbst, der mich dazu aufgefordert hat, vielleicht auch deswegen, weil meine Mutter jüdischer Herkunft ist. Das kann also geholfen haben. Diese anderen Länder eröffnen mir in der Tat eine Perspektive auf Freiheit, Israel, Schweden, Deutschland, Spanien haben mir Zuflucht angeboten, auch dank des Wirkens meiner Verleger. Ich meine, irgendwann wird es sicherlich zu meiner Perspektive gehören, eine Zeit im Ausland zu verbringen.
Pokatzky: Erstmals seit der Veröffentlichung von "Gomorra" treten Sie heute Abend öffentlich in Deutschland auf. Sie eröffnen den italienischen Theaterherbst in Berlin mit einem Monolog "La bellezza e l'inferno". Was ist das für ein Monolog?
Saviano: Es handelt sich um einen Monolog, den ich zusammen mit der Regisseurin Serena Sinigallia für das Piccolo Teatro in Mailand ausgearbeitet habe. Es sind Geschichten, aneinandergereiht, von Menschen, die Widerstand geleistet haben, beginnend von Lionel Messi, dem Fußballer, über Anna Politkowskaja, die Journalistin, hin zu den jungen Menschen, die im Iran Widerstand leisten. Alle diese Menschen haben eines gemeinsam: Sie glauben an ihre Gaben, sie verschicken sich nicht in ihr Unglück, ja, sie sagen, es gibt eigentlich kein Unglück. Ich freue mich, dass ich gerade hier in Berlin diese Theateraufführung erleben darf, vor allem auch deswegen, weil es mir die Möglichkeit verschafft, vielen Menschen zu begegnen, genau das, was für mich im Moment am schwierigsten ist.
Pokatzky: Wenn wir beide die Zeit zurückdrehen könnten um zehn Jahre, und Sie könnten sich jetzt entscheiden: Ich schreibe "Gomorra" oder ich schreibe "Gomorra" nicht, wofür würden Sie sich entscheiden?
Saviano: Das ist eine sehr, sehr schwierig zu beantwortende, zu schwierig zu beantwortende Frage. Ich reagiere darauf mit einem Kniff. Wenn man mich fragt, bereust du es, "Gomorra" geschrieben zu haben, dann würde ich sagen, ja, ich bereue es. Aber ich würde sofort hinzufügen: Aber ich bin stolz darauf, es gemacht zu haben.
Pokatzky: Danke!
Saviano: Gracie!