"Ich male immer wieder das gleiche Bild"

Von Stefanie Müller-Frank |
Seit vergangenem Jahr ist der Maler Jonas Burgert nicht mehr nur als Organisator der "Fraktale", einer unabhängigen Künstlerausstellung in Berlin, bekannt. Einige seiner Werke waren in der Hamburger Kunsthalle zu sehen. Internationale Sammler kauften seine riesigen Bilder. Und im Oktober hat er seine erste Einzelausstellung in der Produzentengalerie.
"Ich glaube ja im Endeffekt auch, dass ich immer versuche, das gleiche Bild zu malen. Eigentlich male ich immer das gleiche Bild."

Und das hat Übergröße. Es ist das Format von Jonas Burgert. Mit einem Schwung schiebt der 37-Jährige die Rolltüren zur Seite und betritt sein Atelier. Was sich Atelier nennt, ist tatsächlich eine LKW-Halle: Sechs Meter bis zur Decke, grauer Betonboden, keine Fenster. Nur diese riesigen Bilder.

"Das sind jetzt hier viereinhalb auf fünfeinhalb Meter. Und da geht’s um den Gedanken, dass jeder Versuch, ein geistiges Prinzip zu entwickeln, eine Figur darstellt. Also es werden viele bunte, schamanenartige Figuren tot aus einem Loch gezogen und oben einsortiert. Das ist noch nicht gemalt da oben rechts, das kommt dann noch. Jedenfalls ist es wie eine Bergung aller unserer gescheiterten Versuche."

Menschenberge, übereinander gestapelt. Das Bild ist voll von diesen leuchtenden Leibern. Und die Leinwand so groß, dass sie die Stirnseite der Halle fast vollständig bedeckt.

Jonas Burgert geht auf die Leinwand zu. Konzentriert, wie um sich zu vergewissern. Er zündet sich eine Zigarette an, die dunkelblonden Haare fallen ihm ins Gesicht. Dann dreht er sich um und grinst. Man muss scheitern, sagt er, wenn man nach der einen, zeitlosen Geste sucht. Und doch.

"Ich war vor vielen Jahren im Alten Museum, und da war eine Skulptur aus Ägypten, so ein ganz kleiner Kopf, der war vielleicht so zehn Zentimeter hoch und dieses Ding hat den Raum gefüllt. Und das Faszinierende war, ich hatte von nichts ne Ahnung. Und trotzdem transportierte dieser Kopf eine Energie, eine Strenge, eine Haltung zur Welt, die immer noch da war."

Das war kurz nach seinem Abitur in West-Berlin, kurz nach der Wende, kurz nachdem er endlich die Stadt verlassen wollte und Philosophie studieren. Nicht Kunst, sein Vater war ja schon Künstler. Aber es war einfach nicht zu verhindern, sagt er – ohne jede Angst, pathetisch zu wirken.

"Das merkt man ja in der Zeit, wenn man so 19, 20 ist, wie man als Typ so ist, was einen wirklich interessiert. Und da muss man, glaube ich, ehrlich sein. Und ich merkte, dass mich die eine große, symbolische Geste, die Konzentration auf das eine, entscheidende Ding am meisten interessiert hat."

Acht Jahre ist es jetzt her, dass Jonas Burgert seinen Abschluss an der Akademie der Künste in Berlin gemacht hat. Acht Jahre, die er als Bote, Kellner oder Kulissenbauer gearbeitet hat. Je anspruchsloser der Job, umso besser. Hauptsache, er konnte danach noch ins Atelier gehen.

Jonas Burgert lässt sich in einen Sessel fallen und lacht. Er trägt Jeans, schwarzes Hemd und Drei-Tage-Bart. Das Sofa könnte auch in einer WG stehen – dann wäre Jonas Burgert der attraktive Mitbewohner, mit dem man nächtelang in der Küche sitzt und Bier trinkt. Aber die Musikanlage bleibt aus, Besuch kündigt sich vorher an.

"Also wenn jemand mit im Atelier ist, geht gar nichts. Eigentlich ist das eine Situation, die wahnsinnig intim ist. Was ja auch das Komplizierte daran ist, dass es eigentlich – klingt kitschig, aber – so ein aufs Tablett legen der Seele ist. Deswegen macht man das lieber alleine und es geht sogar soweit, dass man eigentlich ungerne auch ein unfertiges Bild zeigt. Also so ein Atelierbesuch ist eigentlich auch schon was Schwieriges."

Seit letztem Jahr sind die Auftragsbücher voll. Die nächste Messe steht vor der Tür, die Bilder müssen fertig werden, seine Freunde geduldig sein.

Jonas Burgert steht wieder auf und schiebt ein Baustellenrollgerüst vor die riesige Leinwand. Allein seine Ölfarben füllen einen ganzen Küchentisch, jede Farbe aufgetürmt wie ein Berg Eis in der Eisdiele – zitronengelb, kirschrot, waldmeistergrün.

"So eine riesige Aufgabe hält einen extrem wach. Also, das ist was Großartiges. Es ist nie seichtes Fahrwasser – und das hat mich eigentlich immer gereizt. Die Herausforderung, permanent. Jeden Tag, immer wieder. Und wenn man es nicht schafft, jeden Tag auch das Scheitern wieder zu akzeptieren – und das sogar zu provozieren. Es ist unglaublich wichtig, dass man sich jeden Tag auch die Möglichkeit gibt zu scheitern."

Ungeduldig wischt er sich die Hände an der Jeans ab. Der Atelierbesuch hat lange gedauert. Es ist Zeit fürs Malen – Zeit für die Einsamkeit.