"Ich muss praktisch das Krankenhaus wie ein gutes Hotel führen"
70.000 Ausländer pro Jahr lassen sich in hiesigen Kliniken behandeln. Der Geschäftsführer eines Zusammenschlusses von Berliner Krankenhäusern, Hans-Jochen Brauns, kennt die Ansprüche der teilweise reichen und sehr begehrten Gäste.
Susanne Führer: Um diese lukrativen Patienten wirbt auch das NBMC, das Network for Better Medical Care – ein Zusammenschluss von sieben Berliner Krankenhäusern. Deren Geschäftsführer Professor Hans-Jochen Brauns habe ich gefragt, warum eigentlich Patienten aus dem Ausland nach Deutschland kommen.
Hans-Jochen Brauns: Es gibt unterschiedliche Gründe. Also zunächst erst mal kommen viele primär aus den Nachbarländern, also Skandinavien, aus Großbritannien, Belgien, Frankreich, Österreich, Polen. Beispiel Großbritannien: Lange Wartezeiten für Regeleingriffe, keine Notfallversorgung, das versuchen Patienten zu vermeiden, ist ein Grund. Der andere Grund ist die Qualität der medizinischen Versorgung, was teilweise mit der Qualität der Ärzte, der Pflegekräfte zu tun hat, teilweise aber auch mit der medizintechnischen Ausstattung, dem Zustand der Gebäude – Letzteres ist der Fall sehr stark in Russland. Deshalb kommen viele Patienten. Im Übrigen, gerade im arabischen Bereich, es gehört in gewisser Weise zum guten Ton, im Sommer nicht in der Hitze in der Golfregion zu bleiben, sondern Urlaub in Europa zu machen und bei der Gelegenheit sich auch noch mal medizinisch durchchecken zu lassen oder irgendwelche notwendigen medizinischen Behandlungen durchführen zu lassen.
Führer: Die bezahlen dann ja alle ihre Behandlungen selbst, diese Patienten, oder?
Brauns: Jein – also ein erheblicher Teil zahlt selbst. Soweit es sich im europäischen Kontext bewegt, ist aufgrund von Abkommen zwischen den EU-Ländern geregelt, dass sich ein Niederländer in Deutschland behandeln lassen kann und sozusagen die Sozialversicherung, soweit es so ähnlich wie in Deutschland organisiert ist, oder der Staat, wenn es sich um ein staatliches Gesundheitssystem handelt, die Behandlungskosten übernimmt. Aber auch aus dem übrigen Ausland, also Russland, Arabien, übernimmt der Staat die Behandlungskosten in Ausnahmefällen.
Führer: Aber wir sprechen doch über diejenigen, die so begehrt sind bei den deutschen Krankenhäusern, nämlich diese wirklich reichen Patienten, wo man immer mal liest, so der Scheich, der da mal eben mit seinem ganzen Hausstaat da kommt von 40 Personen oder der russische Millionär, und da nehme ich doch mal nicht an, dass der Staat bezahlt, sondern die zahlen das dann aus eigener Tasche.
Brauns: Das ist aber eher die Ausnahme. Und die Krankenhäuser sind auch interessiert sozusagen an dem normalrussischen Bürger, für den teilweise das jeweilige Unternehmen, teilweise aber dann der russische Staat die Kosten übernimmt, beziehungsweise im arabischen Raum. Das Gros der arabischen Patienten sind Patienten, die auf Kosten des jeweiligen Landes nach Deutschland kommen.
Führer: Und nehmen diese Patienten nicht den deutschen gesetzlich Versicherten dann die kostbaren Krankenhausbetten weg?
Brauns: Nein. Also zunächst erst mal: Die durchschnittliche Belegung der deutschen Krankenhäuser liegt etwa bei 80 Prozent plus/minus. Das heißt, es sind Betten verfügbar. Ein Großteil dieser Patienten, also gerade der eben zitierte Scheich, legt sich nicht ins Kassenbett.
Führer: Nee, das kann ich mir vorstellen. Da habe ich ein ganz schönes Zitat gefunden von einer Kollegin von Ihnen, Leonore Boscher aus Hamburg vom UKE dort, die hat gesagt: Wenn ausländische Patienten 50.000 Euro für eine Behandlung hinblättern, wollen sie auch, dass wir hier Ballett machen. Wie sieht denn das Ballett so aus, was da gemacht werden muss?
Brauns: Frau Boscher hat wahrscheinlich zunächst erst mal dran gedacht, dass sozusagen Ärzte, Pflegekräfte auf Abruf jederzeit verfügbar sind. Eventuell wird dann auch erwartet vom russischen Millionär oder sogar Milliardär oder reicher arabischer Scheich, dass ein persönlicher Assistent zur Verfügung steht, und wenn ihm die Nase nicht passt, dass auf ein Schnipsen sozusagen der Assistent auch ausgetauscht wird. Das stellt an deutsche Krankenhäuser, die primär Kassenpatienten versorgen, natürlich hohe Anforderungen, was Servicequalität angeht, was Qualität von Personal angeht, und die Vorstellung, wir machen da mal ein Bett frei für einen ausländischen Patienten, funktioniert nicht.
Führer: Sie vertreten ja nun sieben Berliner Kliniken. Wie ist das, haben Sie da jetzt besonders schicke Zimmer, die besonders schön eingerichtet sind und groß sind, haben Sie Dolmetscher, eigene Köche – ich nehme mal an, dass die dann auch ihre heimischen Speisen essen wollen –, wie ist das, haben Sie so was vorrätig?
Brauns: Zunächst erst mal, das Gros der Patienten sind Patienten, die zwar mehr zahlen als deutsche Kassenpatienten, die aber, in Anführungszeichen, "normale, einfache Patienten" sind, die nicht diese Ansprüche haben. Sie müssen aber natürlich, wenn Sie diese Patienten gewinnen und halten wollen, bestimmte Bedingungen beachten. Zum Beispiel ein arabischer Patient ist im Zweifel Muslim, das heißt also, bei dem Essen müssen bestimmte Dinge berücksichtigt werden, es muss ihm ermöglicht werden festzustellen, wo Mekka ist, wenn er betet, dass er sozusagen die entsprechende Himmelsrichtung hat. Es reicht nicht, einfach nur zu sagen, ich reserviere jetzt zwei, drei Zimmer für Patienten aus dem Ausland, und damit ist es getan, sondern ich muss dann auch das Personal schulen. Damit meine ich jetzt gar nicht mal primär Sprache, sondern einfach eine höhere Servicequalität anbieten. Also ich muss praktisch das Krankenhaus wie ein gutes Hotel führen.
Führer: Professor Hans-Jochen Brauns im Deutschlandradio Kultur über Medizintourismus. Wenn ich Sie recht verstehe, Herr Brauns, dann muss so eine Klinik also eine Menge investieren, bevor sie kassieren kann.
Brauns: Ja.
Führer: Und rechnet sich das?
Brauns: Grundsätzlich ja. Also zunächst erst mal: Krankenhausfinanzierung ist relativ kompliziert. Das Brot-und-Butter-Geschäft der Krankenhäuser ist natürlich die Behandlung von Patienten aus Deutschland, Kassenpatienten beziehungsweise auch ein Teil von Privatpatienten. Patienten aus dem Ausland werden im Gegensatz zu deutschen Privatpatienten nicht sozusagen im Budget mit berücksichtigt. Das heißt, es läuft außen vor, und insofern ist es attraktiv, weil die Grundlast des Krankenhauses wird im Zweifel durch das Budget abgedeckt. Das heißt, mit Ausnahme von ganz spezifischen Sachkosten, die das Krankenhaus für diesen Patienten hat, also beispielsweise eine Endoprothese oder künstliches Hüftgelenk oder Ähnliches, sind die anderen Kosten im Zweifel abgedeckt, so dass es durchaus attraktiv ist.
Führer: Also Moment! Nehmen wir mal an, ein deutscher Blinddarm kostet 1000 Euro, ja, Fallpauschale, was kostet denn ein arabischer Blinddarm?
Brauns: Also im Zweifel schlagen die Krankenhäuser im Hinblick auf zusätzliche Servicequalität um 50 Prozent bei dem, in Anführungszeichen, "Normalpatienten" aus dem Ausland drauf.
Führer: Also der Blinddarm würde dasselbe kosten, nur die Serviceleistungen wären dann teurer, oder wie ist das?
Brauns: Ja, das wird nicht gesondert ausgewiesen, sondern es wird sozusagen ein Aufschlag gemacht. Also ich kenne Krankenhäuser, die sagen wir mal 50 Prozent auf die deutschen DRG's draufschlagen, wenn der Patient die Behandlung durch den Chefarzt wünscht, also sozusagen Privatpatientenbehandlungen werden teilweise wesentlich mehr draufgeschlagen. Und es werden teilweise dann zusätzlich noch mal zusätzliche Serviceleistungen wie beispielsweise, jemand will kontinuierlich einen Dolmetscher haben, dann wird das extra in Rechnung gestellt.
Führer: Was passiert nun mit diesem Geld, was kann die Klinik mit diesem Geld anfangen, was hat sie davon?
Brauns: Es ist zusätzlich zu dem Gesamtjahresbudget, was sie behandelt haben, ein zusätzliches Entgelt, von dem vergleichsweise wenig Kosten, Aufwendungen gegenüberstehen, sodass also sagen wir der Überschuss, der Gewinn bei den Patienten aus dem Ausland vergleichsweise hoch ist. Was sie dann mit dem Geld machen?
Führer: Das ist meine Frage, ja.
Brauns: Also teilweise investieren sie es in irgendwelche Bereiche, also was weiß ich, moderne Medizintechnik, in Personal, häufig profitieren davon auch die deutschen Patienten. Teilweise investieren sie es sozusagen in die Ausstattung von Räumen für internationale Patienten und Ähnliches. Aber es ist nicht so, dass das sozusagen in private Taschen fließt oder einzelnen ausgewählten Personen wie beispielsweise Chefärzten zugute kommt, sondern es steht dem Krankenhaus für sinnvolle, notwendige Investitionen zur Verfügung.
Führer: Nun ist es ja so, dass trotz aller Bemühungen, die so seit Jahren, einigen Jahren so laufen, doch immer noch ziemlich wenige von diesen begehrten, wohlhabenden Patienten, also den berühmten Scheichs und den reichen Russen, nach Deutschland kommen, dann wiederum sehr wenige nach Berlin, aber bleiben wir erst mal bei Deutschland: Warum ist das so, warum gehen die alle immer noch lieber in die USA oder in die Schweiz?
Brauns: Also zunächst erst mal hat Deutschland insgesamt, mit internen Unterschieden, spät begonnen, für sich selbst als Gesundheitsdestination zu werben. München ist seit sehr Langem im Geschäft, ungefähr 20 Jahre, wenn nicht noch länger, und ist auch sozusagen Zentrum für arabischen Medizintourismus. Berlin hat erst nach der Wende angefangen, überhaupt darüber nachzudenken, und hat bis Anfang 2000 im Gesundheitsbereich ganz andere Probleme gehabt, als sich um Patienten aus dem Ausland zu kümmern. Da ging es um Bettenabbau und jedes Krankenhaus sozusagen hat um jedes Bett, was abgebaut werden sollte, gekämpft und hat nicht den Kopf frei gehabt, sich Gedanken zu machen über internationale Patienten. Ausnahme war das Herzzentrum, das schon lange Tradition hat, war auch die Charité, einfach aufgrund des Renommees, des internationalen Renommees, und als Universitätsklinikum, aber die anderen Krankenhäuser nicht.
Führer: Jetzt hören wir ja seit Jahren, Herr Brauns, von der Unterfinanzierung der Krankenhäuser, jedes Jahr gibt es Demonstrationen von Ärzten, Pflegepersonal und so weiter. Wäre der – wie sollen wir mal sagen – Ausbau, man kann das ja nur hoffen, das verstärkte Werben um wohlhabende ausländische Patienten ein Ausweg aus dieser Misere oder ist das nur so ein kleiner Randaspekt eigentlich bei der Finanzierung der Kliniken?
Brauns: Es wäre illusorisch zu glauben, dass mit Patienten aus dem Ausland Finanzierungsdefizite gerade angesichts der sogenannten dualen Finanzierung, wo der Staat für Investitionen zuständig ist, zu glauben, dass das ausgeglichen werden kann, aber es ist eine durchaus attraktive Nebeneinnahme. Die Krankenhäuser machen aus den Zahlen große Geheimnisse, auch die Mitglieder von NBMC. Ich schätze, dass inzwischen in Berlin etwa 5000 Patienten aus dem Ausland kommen. Wenn Sie zugrunde legen, durchschnittlicher Betrag, den Sie hier in Berlin schwerpunktmäßig im Krankenhausbereich lassen, von etwa 10.000 Euro, wenn ich da richtig rechne, sind das 50 Millionen Euro im Jahr, das ist schon ein nicht unbeträchtlicher Betrag, der den Krankenhäusern zusätzlich zur Verfügung steht und mit dem sie einiges anfangen können.
Führer: Professor Hans-Jochen Brauns vom Berliner Netzwerk NBMC, das ist ein Zusammenschluss von sieben Berliner Krankenhäusern, über reiche Patienten und arme Kliniken. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch, Herr Brauns!
Brauns: Gut!
Informationen des Network for Better Mecical Care
Hans-Jochen Brauns: Es gibt unterschiedliche Gründe. Also zunächst erst mal kommen viele primär aus den Nachbarländern, also Skandinavien, aus Großbritannien, Belgien, Frankreich, Österreich, Polen. Beispiel Großbritannien: Lange Wartezeiten für Regeleingriffe, keine Notfallversorgung, das versuchen Patienten zu vermeiden, ist ein Grund. Der andere Grund ist die Qualität der medizinischen Versorgung, was teilweise mit der Qualität der Ärzte, der Pflegekräfte zu tun hat, teilweise aber auch mit der medizintechnischen Ausstattung, dem Zustand der Gebäude – Letzteres ist der Fall sehr stark in Russland. Deshalb kommen viele Patienten. Im Übrigen, gerade im arabischen Bereich, es gehört in gewisser Weise zum guten Ton, im Sommer nicht in der Hitze in der Golfregion zu bleiben, sondern Urlaub in Europa zu machen und bei der Gelegenheit sich auch noch mal medizinisch durchchecken zu lassen oder irgendwelche notwendigen medizinischen Behandlungen durchführen zu lassen.
Führer: Die bezahlen dann ja alle ihre Behandlungen selbst, diese Patienten, oder?
Brauns: Jein – also ein erheblicher Teil zahlt selbst. Soweit es sich im europäischen Kontext bewegt, ist aufgrund von Abkommen zwischen den EU-Ländern geregelt, dass sich ein Niederländer in Deutschland behandeln lassen kann und sozusagen die Sozialversicherung, soweit es so ähnlich wie in Deutschland organisiert ist, oder der Staat, wenn es sich um ein staatliches Gesundheitssystem handelt, die Behandlungskosten übernimmt. Aber auch aus dem übrigen Ausland, also Russland, Arabien, übernimmt der Staat die Behandlungskosten in Ausnahmefällen.
Führer: Aber wir sprechen doch über diejenigen, die so begehrt sind bei den deutschen Krankenhäusern, nämlich diese wirklich reichen Patienten, wo man immer mal liest, so der Scheich, der da mal eben mit seinem ganzen Hausstaat da kommt von 40 Personen oder der russische Millionär, und da nehme ich doch mal nicht an, dass der Staat bezahlt, sondern die zahlen das dann aus eigener Tasche.
Brauns: Das ist aber eher die Ausnahme. Und die Krankenhäuser sind auch interessiert sozusagen an dem normalrussischen Bürger, für den teilweise das jeweilige Unternehmen, teilweise aber dann der russische Staat die Kosten übernimmt, beziehungsweise im arabischen Raum. Das Gros der arabischen Patienten sind Patienten, die auf Kosten des jeweiligen Landes nach Deutschland kommen.
Führer: Und nehmen diese Patienten nicht den deutschen gesetzlich Versicherten dann die kostbaren Krankenhausbetten weg?
Brauns: Nein. Also zunächst erst mal: Die durchschnittliche Belegung der deutschen Krankenhäuser liegt etwa bei 80 Prozent plus/minus. Das heißt, es sind Betten verfügbar. Ein Großteil dieser Patienten, also gerade der eben zitierte Scheich, legt sich nicht ins Kassenbett.
Führer: Nee, das kann ich mir vorstellen. Da habe ich ein ganz schönes Zitat gefunden von einer Kollegin von Ihnen, Leonore Boscher aus Hamburg vom UKE dort, die hat gesagt: Wenn ausländische Patienten 50.000 Euro für eine Behandlung hinblättern, wollen sie auch, dass wir hier Ballett machen. Wie sieht denn das Ballett so aus, was da gemacht werden muss?
Brauns: Frau Boscher hat wahrscheinlich zunächst erst mal dran gedacht, dass sozusagen Ärzte, Pflegekräfte auf Abruf jederzeit verfügbar sind. Eventuell wird dann auch erwartet vom russischen Millionär oder sogar Milliardär oder reicher arabischer Scheich, dass ein persönlicher Assistent zur Verfügung steht, und wenn ihm die Nase nicht passt, dass auf ein Schnipsen sozusagen der Assistent auch ausgetauscht wird. Das stellt an deutsche Krankenhäuser, die primär Kassenpatienten versorgen, natürlich hohe Anforderungen, was Servicequalität angeht, was Qualität von Personal angeht, und die Vorstellung, wir machen da mal ein Bett frei für einen ausländischen Patienten, funktioniert nicht.
Führer: Sie vertreten ja nun sieben Berliner Kliniken. Wie ist das, haben Sie da jetzt besonders schicke Zimmer, die besonders schön eingerichtet sind und groß sind, haben Sie Dolmetscher, eigene Köche – ich nehme mal an, dass die dann auch ihre heimischen Speisen essen wollen –, wie ist das, haben Sie so was vorrätig?
Brauns: Zunächst erst mal, das Gros der Patienten sind Patienten, die zwar mehr zahlen als deutsche Kassenpatienten, die aber, in Anführungszeichen, "normale, einfache Patienten" sind, die nicht diese Ansprüche haben. Sie müssen aber natürlich, wenn Sie diese Patienten gewinnen und halten wollen, bestimmte Bedingungen beachten. Zum Beispiel ein arabischer Patient ist im Zweifel Muslim, das heißt also, bei dem Essen müssen bestimmte Dinge berücksichtigt werden, es muss ihm ermöglicht werden festzustellen, wo Mekka ist, wenn er betet, dass er sozusagen die entsprechende Himmelsrichtung hat. Es reicht nicht, einfach nur zu sagen, ich reserviere jetzt zwei, drei Zimmer für Patienten aus dem Ausland, und damit ist es getan, sondern ich muss dann auch das Personal schulen. Damit meine ich jetzt gar nicht mal primär Sprache, sondern einfach eine höhere Servicequalität anbieten. Also ich muss praktisch das Krankenhaus wie ein gutes Hotel führen.
Führer: Professor Hans-Jochen Brauns im Deutschlandradio Kultur über Medizintourismus. Wenn ich Sie recht verstehe, Herr Brauns, dann muss so eine Klinik also eine Menge investieren, bevor sie kassieren kann.
Brauns: Ja.
Führer: Und rechnet sich das?
Brauns: Grundsätzlich ja. Also zunächst erst mal: Krankenhausfinanzierung ist relativ kompliziert. Das Brot-und-Butter-Geschäft der Krankenhäuser ist natürlich die Behandlung von Patienten aus Deutschland, Kassenpatienten beziehungsweise auch ein Teil von Privatpatienten. Patienten aus dem Ausland werden im Gegensatz zu deutschen Privatpatienten nicht sozusagen im Budget mit berücksichtigt. Das heißt, es läuft außen vor, und insofern ist es attraktiv, weil die Grundlast des Krankenhauses wird im Zweifel durch das Budget abgedeckt. Das heißt, mit Ausnahme von ganz spezifischen Sachkosten, die das Krankenhaus für diesen Patienten hat, also beispielsweise eine Endoprothese oder künstliches Hüftgelenk oder Ähnliches, sind die anderen Kosten im Zweifel abgedeckt, so dass es durchaus attraktiv ist.
Führer: Also Moment! Nehmen wir mal an, ein deutscher Blinddarm kostet 1000 Euro, ja, Fallpauschale, was kostet denn ein arabischer Blinddarm?
Brauns: Also im Zweifel schlagen die Krankenhäuser im Hinblick auf zusätzliche Servicequalität um 50 Prozent bei dem, in Anführungszeichen, "Normalpatienten" aus dem Ausland drauf.
Führer: Also der Blinddarm würde dasselbe kosten, nur die Serviceleistungen wären dann teurer, oder wie ist das?
Brauns: Ja, das wird nicht gesondert ausgewiesen, sondern es wird sozusagen ein Aufschlag gemacht. Also ich kenne Krankenhäuser, die sagen wir mal 50 Prozent auf die deutschen DRG's draufschlagen, wenn der Patient die Behandlung durch den Chefarzt wünscht, also sozusagen Privatpatientenbehandlungen werden teilweise wesentlich mehr draufgeschlagen. Und es werden teilweise dann zusätzlich noch mal zusätzliche Serviceleistungen wie beispielsweise, jemand will kontinuierlich einen Dolmetscher haben, dann wird das extra in Rechnung gestellt.
Führer: Was passiert nun mit diesem Geld, was kann die Klinik mit diesem Geld anfangen, was hat sie davon?
Brauns: Es ist zusätzlich zu dem Gesamtjahresbudget, was sie behandelt haben, ein zusätzliches Entgelt, von dem vergleichsweise wenig Kosten, Aufwendungen gegenüberstehen, sodass also sagen wir der Überschuss, der Gewinn bei den Patienten aus dem Ausland vergleichsweise hoch ist. Was sie dann mit dem Geld machen?
Führer: Das ist meine Frage, ja.
Brauns: Also teilweise investieren sie es in irgendwelche Bereiche, also was weiß ich, moderne Medizintechnik, in Personal, häufig profitieren davon auch die deutschen Patienten. Teilweise investieren sie es sozusagen in die Ausstattung von Räumen für internationale Patienten und Ähnliches. Aber es ist nicht so, dass das sozusagen in private Taschen fließt oder einzelnen ausgewählten Personen wie beispielsweise Chefärzten zugute kommt, sondern es steht dem Krankenhaus für sinnvolle, notwendige Investitionen zur Verfügung.
Führer: Nun ist es ja so, dass trotz aller Bemühungen, die so seit Jahren, einigen Jahren so laufen, doch immer noch ziemlich wenige von diesen begehrten, wohlhabenden Patienten, also den berühmten Scheichs und den reichen Russen, nach Deutschland kommen, dann wiederum sehr wenige nach Berlin, aber bleiben wir erst mal bei Deutschland: Warum ist das so, warum gehen die alle immer noch lieber in die USA oder in die Schweiz?
Brauns: Also zunächst erst mal hat Deutschland insgesamt, mit internen Unterschieden, spät begonnen, für sich selbst als Gesundheitsdestination zu werben. München ist seit sehr Langem im Geschäft, ungefähr 20 Jahre, wenn nicht noch länger, und ist auch sozusagen Zentrum für arabischen Medizintourismus. Berlin hat erst nach der Wende angefangen, überhaupt darüber nachzudenken, und hat bis Anfang 2000 im Gesundheitsbereich ganz andere Probleme gehabt, als sich um Patienten aus dem Ausland zu kümmern. Da ging es um Bettenabbau und jedes Krankenhaus sozusagen hat um jedes Bett, was abgebaut werden sollte, gekämpft und hat nicht den Kopf frei gehabt, sich Gedanken zu machen über internationale Patienten. Ausnahme war das Herzzentrum, das schon lange Tradition hat, war auch die Charité, einfach aufgrund des Renommees, des internationalen Renommees, und als Universitätsklinikum, aber die anderen Krankenhäuser nicht.
Führer: Jetzt hören wir ja seit Jahren, Herr Brauns, von der Unterfinanzierung der Krankenhäuser, jedes Jahr gibt es Demonstrationen von Ärzten, Pflegepersonal und so weiter. Wäre der – wie sollen wir mal sagen – Ausbau, man kann das ja nur hoffen, das verstärkte Werben um wohlhabende ausländische Patienten ein Ausweg aus dieser Misere oder ist das nur so ein kleiner Randaspekt eigentlich bei der Finanzierung der Kliniken?
Brauns: Es wäre illusorisch zu glauben, dass mit Patienten aus dem Ausland Finanzierungsdefizite gerade angesichts der sogenannten dualen Finanzierung, wo der Staat für Investitionen zuständig ist, zu glauben, dass das ausgeglichen werden kann, aber es ist eine durchaus attraktive Nebeneinnahme. Die Krankenhäuser machen aus den Zahlen große Geheimnisse, auch die Mitglieder von NBMC. Ich schätze, dass inzwischen in Berlin etwa 5000 Patienten aus dem Ausland kommen. Wenn Sie zugrunde legen, durchschnittlicher Betrag, den Sie hier in Berlin schwerpunktmäßig im Krankenhausbereich lassen, von etwa 10.000 Euro, wenn ich da richtig rechne, sind das 50 Millionen Euro im Jahr, das ist schon ein nicht unbeträchtlicher Betrag, der den Krankenhäusern zusätzlich zur Verfügung steht und mit dem sie einiges anfangen können.
Führer: Professor Hans-Jochen Brauns vom Berliner Netzwerk NBMC, das ist ein Zusammenschluss von sieben Berliner Krankenhäusern, über reiche Patienten und arme Kliniken. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch, Herr Brauns!
Brauns: Gut!
Informationen des Network for Better Mecical Care