Ich plädiere für Slowenisch!
Europas Bürger sollten sich auf das Slowenische als gemeinsame Zweitsprache verständigen, findet der Autor Stefan Monhardt. Dann müssten sich wirklich fast alle Menschen gleichermaßen um die Verständigung bemühen, indem sie eine Fremdsprache erlernen. Kaum jemand hätte einen Sprachvorteil – nur das kleine Volk der Slowenier.
"Ein praktikables Englisch für alle Lebenslagen und Lebensalter" für möglichst viele Europäer forderte neulich der Bundespräsident.
In den Reaktionen auf seine Rede ist meist unter den Tisch gefallen, dass er zugleich "die Beheimatung in der eigenen Muttersprache und ihrer Poesie" hervorhob: Beides könne seiner Überzeugung nach in Europa "nebeneinander leben".
Wo die Grenzen einer zweiten Sprache, einer jeden Nicht-Muttersprache liegen und wo die Poesie der eigenen Muttersprache benötigt wird, hat Joachim Gauck übrigens wenige Tage später bei seinem Antrittsbesuch im Landtag von Schleswig-Holstein selbst eindrucksvoll demonstriert: Für seine Verspätung erschien ihm einzig eine Entschuldigung im heimatlichen Plattdeutsch angemessen.
Doch Gauck hat Recht. In Europa sollen alle Bürger unmittelbar miteinander diskutieren können. Dafür sind verschiedene Varianten denkbar. Entweder lernen alle alle Sprachen. Das ist reizvoll, wird allerdings bei allein 23 offiziellen Amtssprachen der Union schwierig.
Oder viele beziehungsweise alle lernen mindestens eine weitere, eine gemeinsame Sprache. Das könnte eine der in Europa bereits gesprochenen Sprachen sein oder aber eine gewissermaßen neutrales Idiom, wofür bereits Latein und Esperanto in Stellung gebracht worden sind.
In den Reaktionen auf seine Rede ist meist unter den Tisch gefallen, dass er zugleich "die Beheimatung in der eigenen Muttersprache und ihrer Poesie" hervorhob: Beides könne seiner Überzeugung nach in Europa "nebeneinander leben".
Wo die Grenzen einer zweiten Sprache, einer jeden Nicht-Muttersprache liegen und wo die Poesie der eigenen Muttersprache benötigt wird, hat Joachim Gauck übrigens wenige Tage später bei seinem Antrittsbesuch im Landtag von Schleswig-Holstein selbst eindrucksvoll demonstriert: Für seine Verspätung erschien ihm einzig eine Entschuldigung im heimatlichen Plattdeutsch angemessen.
Doch Gauck hat Recht. In Europa sollen alle Bürger unmittelbar miteinander diskutieren können. Dafür sind verschiedene Varianten denkbar. Entweder lernen alle alle Sprachen. Das ist reizvoll, wird allerdings bei allein 23 offiziellen Amtssprachen der Union schwierig.
Oder viele beziehungsweise alle lernen mindestens eine weitere, eine gemeinsame Sprache. Das könnte eine der in Europa bereits gesprochenen Sprachen sein oder aber eine gewissermaßen neutrales Idiom, wofür bereits Latein und Esperanto in Stellung gebracht worden sind.
Alle Sprachen sind Weltsprachen
Unter Diplomaten, höre ich, gibt es den schönen Brauch, sich bei Begegnungen einer Sprache zu bedienen, die keiner der Beteiligten als Muttersprache spricht. Das vermeidet linguistische Heimvorteile und den Eindruck kultureller Hegemonie.
In der Angst vor einer wortwörtlichen Bevormundung durch die als dominant empfundene anglo-amerikanische Kultur liegt wohl letztlich auch das Hauptmotiv für die Kritik an Gaucks Vorschlag.
Ich möchte deswegen die Idee des Bundespräsidenten in einem entscheidenden Punkt modifizieren: Ich plädiere für ein praktikables Slowenisch für alle Lebenslagen und Lebensalter.
Ein provinzieller, unrealistischer, willkürlicher Vorschlag? Warum eigentlich?
Der Schriftsteller Arnold Stadler insistiert immer wieder darauf, dass es keine Provinz gibt, sondern überall nur: Welt. Alle Sprachen sind Weltsprachen. Die Entscheidung für eine von ihnen ist stets Willkür.
Wenn wir überhaupt akzeptieren, dass es Sprachpolitik gibt und dass Politik nicht nur das Absegnen bestehender Entwicklungen bedeutet, sondern Setzung – dann können wir uns auch frei dafür entscheiden, die Sprache von 2,2 Millionen Sprechern zur gemeinsamen Sprache unseres Europas zu machen.
Über 99 Prozent aller Europäer werden diese Sprache neu lernen müssen, das gewährleistet weitgehende Chancengleichheit. Die Nachteile der scheinbaren Vertrautheit des Englischen, das viel beklagte Pseudoenglisch und Pidgin-Englisch werden vermieden.
Wir werden Ernst machen müssen mit dem Vorsatz, endlich eine Fremdsprache, eine wirklich fremde Sprache zu lernen. Die Sprecher vieler sogenannter "kleiner" Sprachen gehen uns mit gutem Beispiel voran. In slowenischen Schulen etwa werden schon früh Deutsch, Italienisch und Ungarisch unterrichtet. Und natürlich auch Englisch.
Lernen wir Slowenisch! Ich persönlich habe mit Hilfe von Wikipedia schon einmal angefangen: "Združeni v razliènosti"!
Ich hoffe, ich habe es einigermaßen richtig ausgesprochen. Das ist das Motto der Europäischen Union und lautet auf Deutsch: "In Vielfalt geeint".
Stefan Monhardt, geboren 1963, studierte Germanistik und Klassische Philologie in Tübingen und Pisa. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Berlin. Er schreibt Lyrik und Essays, zuletzt erschien sein Gedichtband "Augenblicksgötter" (2007).
In der Angst vor einer wortwörtlichen Bevormundung durch die als dominant empfundene anglo-amerikanische Kultur liegt wohl letztlich auch das Hauptmotiv für die Kritik an Gaucks Vorschlag.
Ich möchte deswegen die Idee des Bundespräsidenten in einem entscheidenden Punkt modifizieren: Ich plädiere für ein praktikables Slowenisch für alle Lebenslagen und Lebensalter.
Ein provinzieller, unrealistischer, willkürlicher Vorschlag? Warum eigentlich?
Der Schriftsteller Arnold Stadler insistiert immer wieder darauf, dass es keine Provinz gibt, sondern überall nur: Welt. Alle Sprachen sind Weltsprachen. Die Entscheidung für eine von ihnen ist stets Willkür.
Wenn wir überhaupt akzeptieren, dass es Sprachpolitik gibt und dass Politik nicht nur das Absegnen bestehender Entwicklungen bedeutet, sondern Setzung – dann können wir uns auch frei dafür entscheiden, die Sprache von 2,2 Millionen Sprechern zur gemeinsamen Sprache unseres Europas zu machen.
Über 99 Prozent aller Europäer werden diese Sprache neu lernen müssen, das gewährleistet weitgehende Chancengleichheit. Die Nachteile der scheinbaren Vertrautheit des Englischen, das viel beklagte Pseudoenglisch und Pidgin-Englisch werden vermieden.
Wir werden Ernst machen müssen mit dem Vorsatz, endlich eine Fremdsprache, eine wirklich fremde Sprache zu lernen. Die Sprecher vieler sogenannter "kleiner" Sprachen gehen uns mit gutem Beispiel voran. In slowenischen Schulen etwa werden schon früh Deutsch, Italienisch und Ungarisch unterrichtet. Und natürlich auch Englisch.
Lernen wir Slowenisch! Ich persönlich habe mit Hilfe von Wikipedia schon einmal angefangen: "Združeni v razliènosti"!
Ich hoffe, ich habe es einigermaßen richtig ausgesprochen. Das ist das Motto der Europäischen Union und lautet auf Deutsch: "In Vielfalt geeint".
Stefan Monhardt, geboren 1963, studierte Germanistik und Klassische Philologie in Tübingen und Pisa. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Berlin. Er schreibt Lyrik und Essays, zuletzt erschien sein Gedichtband "Augenblicksgötter" (2007).