"Ich sagte: nein - und machte mir Feinde"
Alexander Moritz Frey war im Ersten Weltkrieg Hitlers Kamerad. Entsprechend versuchten die Nazis, Frey für ihre Zwecke einzubinden. Doch der lehnte ab und floh im März 1933 zunächst nach Österreich, später in die Schweiz. Dort starb er, verarmt und vergessen 1957.
Sein Fall ist vielleicht der seltsamste, der kurioseste. Der Münchner Alexander Moritz Frey. Jahrgang 1881. Noch vor dem Ersten Weltkrieg war sein erster Roman erschienen: "Solneman, der Unsichtbare". Von Thomas Mann sehr gelobt, danach aber meist in die Schublade phantastische Literatur abgeschoben. An der Westfront leistete Frey seinen Dienst als Sanitätsunteroffizier. Sein Vorgesetzter, der Feldwebel Max Amann, war begierig, von ihm das Schreibhandwerk zu erlernen.
"Eines Abends im Herbst 1915, kam der Meldegänger, ein bleicher, langer Mensch nach der ersten Granate hinuntergestürzt. Angst und Wut in den flackernden Augen. Ein voller Schnurbart, der später der neuen Gasmaske wegen gekappt werden musste, verdeckte noch den hässlichen, meist verkrampften Schlitz des Mundes. Sein gelbes Gesicht rötete sich, er hatte etwas von einem kollernden Puter."
Der Gefreite Adolf Hitler. Bis zum Kriegsende dienten sie im selben Regiment. Der Feldwebel Max Amann wurde Hitlers Verleger von "Mein Kampf". Frey besaß ausreichend Gelegenheit, Hitler zu studieren. Auch später in München verloren sie sich nie aus den Augen. Er traf ihn oft in der Maximilianstraße am Kiosk. Amann hätte Frey gern das Feuilleton im "Völkischen Beobachter" anvertraut. Dass Frey augenscheinlich doch ganz anders dachte als sie, war ohne Belang. Frey war Regimentskamerad. Das zählte.
"Ich sagte: nein – und machte mir Feinde, denn sie sahen nicht ein, weshalb ein alter Kämpfer und einwandfreier Arier nicht mitmachen wollte. Max Amann bearbeitete mich mehrmals, lud mich ein zu den großen Versammlungen im Zirkus Krone auf einen Ehrenplatz. "Der Hitler macht es, glauben’s mir das Frey, – er macht es. Und Sie werden’s noch bereuen, indem dass Sie nicht auf mich hören wollen.""
Diese Treulosigkeit eines Regimentskameraden verziehen sie ihm nie. Außerdem wusste Frey zu viel über Hitler. Mit seinem Antikriegsroman "Die Pflasterkästen" von 1929 positionierte er sich deutlich auf Seiten der Kriegsgegner, weshalb sein Roman als Tendenzliteratur verunglimpft wurde.
""Nie wieder Krieg" souffliere ich? Ach, die Losung erschiene mir zu schwach. Nein, wenn Sie mir schon eine Devise anhängen wollen, dann müssen sie mich mit dem Schrei: "Krieg dem Kriege" abstempeln."
Er hatte in diesem Roman "Die Pflasterkästen" seine eigenen Kriegserfahrungen als Sanitäter verarbeitet. Alexander Moritz Frey wartete erst gar nicht die Bücherverbrennung ab, bereits im März ’33 schmuggelte ihn sein Freund Alfred Neumann im Kofferraum seines Autos über die Grenze nach Österreich. Frey kehrte nie wieder nach Deutschland zurück. In seiner zweiten Exilstation, der Schweiz, wird er von den Behörden schikaniert. Die Duldung erhält er jeweils nur für Wochen, und schreiben darf er auch nur eingeschränkt. Selbst die Reise von Basel nach Zürich, zum Geburtstag von Thomas Mann, mit dem er Briefkontakt hält, kann er sich nicht mehr leisten.
"Darf ich aufrichtig reden. Ich gehe seit sechs Jahren im gleichen Rock umher, meine Kleidung kann man allmählich als abgerissen bezeichnen. Meine Einkünfte haben mit diesem Jahr völlig aufgehört: ich habe keinerlei Arbeiten mehr untergebracht. Gehungert habe ich bisher nicht. Jedenfalls ergibt sich: zu besseren Geburtstagsfeiern nach Zürich kann ich nicht fahren."
Frey an Thomas Mann, 15.6.1933
Als der Krieg zu Ende ist, erlebt Frey, wie die Daheimgebliebenen, die Mitläufer, Opportunisten und Parteigänger Hitlers sich moralisch aufplustern und von innerer Emigration faseln. Dies erbittert ihn. Er führt einen einsamen Kampf gegen sie. Schreibt Brief um Brief. Während er und andere Emigranten vergessen waren, wurden die Bücher von Ina Seidel, die Hitler schwülstige Huldigungsgedichte geschickt hatte, nahtlos weitergedruckt.
"Ein Zufall gab mir Ihre Adresse in die Hand, sie zu bekommen, hätte ich mich weiter nicht bemüht, ich wollte, Sie mitsamt Ihrer Adresse wären dort, wo Ihr Bruder ist, beim Teufel. Unmenschlich? Unmenschlich waren Sie und Ihresgleichen, als Ihr den Geist an die Lumpen verraten habt."
Frey an Ina Seidel, 28.9.1947
Ina Seidel beschwerte sich über ihn bei ihrem Verlag.
"Der pathologische Schmähbrief eines Halbjuden!"
Ina Seidel, 1947
Wollte aber doch sicher gehen, dass keine weiteren Nazigedichte von ihr auftauchten.
"Nötig würde aber ein derartiges Vorgehen erst, wenn uns tatsächlich Beweise vorlägen, dass Herr Frey seine Drohung mit Erfolg wahrgemacht hätte, mit anderen Worten, wenn unangenehme Auswirkungen seiner Wühlerei sich bemerkbar machen würden."
Ina Seidel, 1947
Sie musste sich nicht sorgen. Den Querulanten Alexander Moritz Frey vergaß man schnell in seinem Schweizer Exil, wo er mehr und mehr verarmte. Anfang 1957, auf seinem Sterbebett erhielt er endlich die Schweizer Staatsangehörigkeit.
Bücher von Alexander Moritz Frey:
"Solneman der Unsichtbare", Elsinor Verlag.
"Die Pflasterkästen. Ein Feldsanitätsroman", Elsinor Verlag.
"Robinsonade zu Zwölft", Elsinor Verlag.
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Verbrannte Bücher, vergessene Autoren
Werke und ihre Autoren nach der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933
Wenn Gedanken und Geist unterdrückt werden
Der Historiker Wolfgang Benz zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung
"Eines Abends im Herbst 1915, kam der Meldegänger, ein bleicher, langer Mensch nach der ersten Granate hinuntergestürzt. Angst und Wut in den flackernden Augen. Ein voller Schnurbart, der später der neuen Gasmaske wegen gekappt werden musste, verdeckte noch den hässlichen, meist verkrampften Schlitz des Mundes. Sein gelbes Gesicht rötete sich, er hatte etwas von einem kollernden Puter."
Der Gefreite Adolf Hitler. Bis zum Kriegsende dienten sie im selben Regiment. Der Feldwebel Max Amann wurde Hitlers Verleger von "Mein Kampf". Frey besaß ausreichend Gelegenheit, Hitler zu studieren. Auch später in München verloren sie sich nie aus den Augen. Er traf ihn oft in der Maximilianstraße am Kiosk. Amann hätte Frey gern das Feuilleton im "Völkischen Beobachter" anvertraut. Dass Frey augenscheinlich doch ganz anders dachte als sie, war ohne Belang. Frey war Regimentskamerad. Das zählte.
"Ich sagte: nein – und machte mir Feinde, denn sie sahen nicht ein, weshalb ein alter Kämpfer und einwandfreier Arier nicht mitmachen wollte. Max Amann bearbeitete mich mehrmals, lud mich ein zu den großen Versammlungen im Zirkus Krone auf einen Ehrenplatz. "Der Hitler macht es, glauben’s mir das Frey, – er macht es. Und Sie werden’s noch bereuen, indem dass Sie nicht auf mich hören wollen.""
Diese Treulosigkeit eines Regimentskameraden verziehen sie ihm nie. Außerdem wusste Frey zu viel über Hitler. Mit seinem Antikriegsroman "Die Pflasterkästen" von 1929 positionierte er sich deutlich auf Seiten der Kriegsgegner, weshalb sein Roman als Tendenzliteratur verunglimpft wurde.
""Nie wieder Krieg" souffliere ich? Ach, die Losung erschiene mir zu schwach. Nein, wenn Sie mir schon eine Devise anhängen wollen, dann müssen sie mich mit dem Schrei: "Krieg dem Kriege" abstempeln."
Er hatte in diesem Roman "Die Pflasterkästen" seine eigenen Kriegserfahrungen als Sanitäter verarbeitet. Alexander Moritz Frey wartete erst gar nicht die Bücherverbrennung ab, bereits im März ’33 schmuggelte ihn sein Freund Alfred Neumann im Kofferraum seines Autos über die Grenze nach Österreich. Frey kehrte nie wieder nach Deutschland zurück. In seiner zweiten Exilstation, der Schweiz, wird er von den Behörden schikaniert. Die Duldung erhält er jeweils nur für Wochen, und schreiben darf er auch nur eingeschränkt. Selbst die Reise von Basel nach Zürich, zum Geburtstag von Thomas Mann, mit dem er Briefkontakt hält, kann er sich nicht mehr leisten.
"Darf ich aufrichtig reden. Ich gehe seit sechs Jahren im gleichen Rock umher, meine Kleidung kann man allmählich als abgerissen bezeichnen. Meine Einkünfte haben mit diesem Jahr völlig aufgehört: ich habe keinerlei Arbeiten mehr untergebracht. Gehungert habe ich bisher nicht. Jedenfalls ergibt sich: zu besseren Geburtstagsfeiern nach Zürich kann ich nicht fahren."
Frey an Thomas Mann, 15.6.1933
Als der Krieg zu Ende ist, erlebt Frey, wie die Daheimgebliebenen, die Mitläufer, Opportunisten und Parteigänger Hitlers sich moralisch aufplustern und von innerer Emigration faseln. Dies erbittert ihn. Er führt einen einsamen Kampf gegen sie. Schreibt Brief um Brief. Während er und andere Emigranten vergessen waren, wurden die Bücher von Ina Seidel, die Hitler schwülstige Huldigungsgedichte geschickt hatte, nahtlos weitergedruckt.
"Ein Zufall gab mir Ihre Adresse in die Hand, sie zu bekommen, hätte ich mich weiter nicht bemüht, ich wollte, Sie mitsamt Ihrer Adresse wären dort, wo Ihr Bruder ist, beim Teufel. Unmenschlich? Unmenschlich waren Sie und Ihresgleichen, als Ihr den Geist an die Lumpen verraten habt."
Frey an Ina Seidel, 28.9.1947
Ina Seidel beschwerte sich über ihn bei ihrem Verlag.
"Der pathologische Schmähbrief eines Halbjuden!"
Ina Seidel, 1947
Wollte aber doch sicher gehen, dass keine weiteren Nazigedichte von ihr auftauchten.
"Nötig würde aber ein derartiges Vorgehen erst, wenn uns tatsächlich Beweise vorlägen, dass Herr Frey seine Drohung mit Erfolg wahrgemacht hätte, mit anderen Worten, wenn unangenehme Auswirkungen seiner Wühlerei sich bemerkbar machen würden."
Ina Seidel, 1947
Sie musste sich nicht sorgen. Den Querulanten Alexander Moritz Frey vergaß man schnell in seinem Schweizer Exil, wo er mehr und mehr verarmte. Anfang 1957, auf seinem Sterbebett erhielt er endlich die Schweizer Staatsangehörigkeit.
Bücher von Alexander Moritz Frey:
"Solneman der Unsichtbare", Elsinor Verlag.
"Die Pflasterkästen. Ein Feldsanitätsroman", Elsinor Verlag.
"Robinsonade zu Zwölft", Elsinor Verlag.
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