"Ich sehe solchen Klagen mit sehr viel Gelassenheit entgegen"
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, rechnet nicht mit einem Erfolg möglicher Klagen der Energiekonzerne im Zusammenhang mit dem Atomausstieg. Die Politik dürfe sich nicht einschüchtern lassen.
Marietta Schwarz: Der schrittweise Ausstieg aus der Atomenergie nimmt seinen Lauf. Am Freitag einigten sich Länder und Bund auf einen Stufenplan, bis 2022 sollen alle neun Atomkraftwerke, die jetzt noch in Betrieb sind, abgestellt werden, als Notreserve wird möglicherweise einer der acht Altmeiler in Bereitschaft gehalten. Schon diesen Donnerstag soll der Bundestag das Gesetzespaket in erster Lesung beraten und schon Anfang Juli die Änderungen von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Heute beschließt das Kabinett die notwendigen Änderungen. Die Kehrtwende der Kehrtwende, sie muss jetzt ganz schnell gehen. – Kann sie gut gehen? Fragen dazu an Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, guten Morgen, Herr Altmaier!
Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Eine historische Entscheidung in so kurzer Zeit. Wovor graut Ihnen, Herr Altmaier, denn am meisten im weiteren Ausstiegsprozess?
Altmaier: Ach, wenn mir grauen würde, dann würde ich an diesen Prozess gar nicht herangehen. Ich bin mir bewusst, dass wir es mit einer sehr anspruchsvollen Veranstaltung zu tun haben, zum einen, wenn es darum geht, ein ordnungsgemäßes parlamentarisches Verfahren sicherzustellen, und zum anderen, wenn wir dann, nachdem Bundestag und Bundesrat beschlossen haben, auch dafür sorgen müssen, dass dieser Ausstieg umgesetzt wird. Dass er stattfindet, steht völlig außer Frage. Der Zeitpunkt, zu dem er stattfindet, abgeschlossen ist, steht auch außer Frage. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg und da sind noch sehr viele Schwierigkeiten zu überwinden.
Schwarz: Zum Beispiel, was den Ausbau der Stromnetze betrifft. Die Bundesregierung versucht nun Planungsrecht der Länder an sich zu ziehen, damit es schneller geht, aber das werden die Länder nicht so ohne Weiteres mit sich machen lassen. Was hat der Bund denn im Gegenzug anzubieten?
Altmaier: Nun, es geht nicht um Teppichhandel, sondern darum, dass wir eine vernünftige Lösung finden. Und das Problem ist, dass wir in Zukunft verstärkt auf Windkraft setzen, die wird vor allen Dingen im Norden produziert, in Nord- und Ostsee. Gebraucht wird der Strom vor allen Dingen in Süd- und Südwestdeutschland, und da muss er transportiert werden. Dazu brauchen wir Stromnetze, die gehen durch das Gebiet mehrerer Bundesländer in der Regel, und wir haben festgestellt in den letzten Jahren, dass der Ausbau viel zu langsam geht. Wir brauchen mehrere Tausend Kilometer von diesen Netzen, wir haben aber gerade mal 80 Kilometer pro Jahr in der Vergangenheit gebaut. Das ist zu langsam, und deshalb brauchen wir eine deutliche Planungsbeschleunigung. Da diskutieren wir im Augenblick darüber, ob der Bund sozusagen nur das Raumordnungsverfahren macht, oder auch die Planfeststellung durchführen darf. Die Länder sind verständlicherweise an ihren Zuständigkeiten weiterhin interessiert, ich sage aber, wir müssen alles infrage stellen, was bisher Gewohnheit war. Das Ziel muss sein, dass wir Netzkapazitäten und Speicherkapazitäten so schnell wie möglich ausbauen.
Schwarz: Windkraft in Norden, vor allen Dingen Offshoreanlagen scheinen das Lösungsmittel für alles zu sein, da will die Bundesregierung kräftig subventionieren, während Subventionen sonst zurückgefahren werden. Aber ist es wirklich sinnvoll, Ökostrom quer durch die Republik zu leiten, oder müsste man nicht viel mehr regional und dezentralisiert denken, den Strom da gewinnen, wo er gebraucht wird, und das dann auch mit Subventionen unterstützen?
Altmaier: Wir tun beides. Zum einen wissen wir ganz genau, dass wir mit erneuerbaren Energien alleine die Lücke nicht in kurzer Zeit schließen können, deshalb werden wir auch beispielsweise neue Gaskraftwerke brauchen. Die kann man dann regional dort bauen, wo der Strom gebraucht wird, etwa in Bayern oder in Baden-Württemberg. Der zweite Punkt ist, dass wir schon aus Klimaschutzgründen allerdings sagen, wir wollen langfristig die erneuerbaren Energien zu dem Kern, zu dem Rückgrat der deutschen Stromversorgung machen. Und auch da wird es so sein, dass man dezentral baut, aber der Wind weht nun mal über der Nordsee viel stärker und viel gleichmäßiger als im Bayerischen Wald, und deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Strom transportiert werden kann. Das war in der Vergangenheit übrigens auch so, nur es ändern sich nun die Trassen und auch die Anforderungen an diese Trassen, das ist übrigens unbestritten. Umstritten ist dann jeweils nur, ob eine Trasse in einer bestimmten Region auf diesem oder jenem Wege gebaut wird, und das dauert manchmal sehr, sehr viele Jahre, bis diese Fragen geklärt sind. Und so lange können wir in Zukunft nicht immer warten.
Schwarz: Neue Gas- und Kohlekraftwerke haben Sie gerade angesprochen, die Subventionen für die Erneuerbaren, die runtergefahren werden, habe ich angesprochen. – Also: Kann man so wirklich gewährleisten, dass der Ausstieg aus der Atomenergie den CO2-Ausstoß nicht in die Höhe treibt?
Altmaier: Sie haben ja gesehen, dass auch die Opposition, das heißt SPD und Grüne, im Grundsatz positiv auf unser Konzept reagieren. Das ist ja auch ein Indiz dafür, dass wir versucht haben, realistische Zahlen und Voraussetzungen zu benennen. Wir können CO2 zum Beispiel dadurch einsparen, dass wir Gebäudesanierung konsequent betreiben und dafür sorgen, dass weniger Wärme und weniger Energie zur Heizung von Gebäuden benötigt wird. Das ist ein großer Energiesparfaktor in Deutschland, dafür werden wir richtig viel Geld in die Hand nehmen und Anreize schaffen, Programme finanzieren, die dann dazu beitragen, dass in diesem Bereich gespart wird. Das heißt, unser Ziel ist: Wir wollen Klimaschutz – und das heißt Reduzierung von CO2-Ausstoß – und Umstieg auf erneuerbare Energien miteinander in Einklang bringen.
Schwarz: Dem Bund drohen ja auch Entschädigungszahlungen an die AKW-Betreiber und Klagen gegen die Brennelementesteuer. Wie wird er damit umgehen?
Altmaier: Sehr selbstbewusst. Wissen Sie, der Ausstieg ist eine Frage, die politisch entschieden werden muss. Hier gilt der Primat der Politik, hier darf sich die Politik auch nicht einschüchtern lassen. Wir sind ganz sicher überzeugt, dass wir mit unseren Vorschlägen und mit unseren Gesetzesentwürfen uns verfassungsrechtlich auf sicherem Boden bewegen, die Kernkraftwerke werden ja nicht von einem auf den anderen Tag abgeschaltet, das geschieht nur für die sieben ältesten Meiler in Deutschland. Die anderen haben klare Enddaten, bis wann sie laufen können, bis spätestens 2022, wenn die letzten drei vom Netz gehen, und dass auch Eigentumsschutz gewährleistet ist für die Energiekonzerne. Ich sehe solchen Klagen mit sehr viel Gelassenheit entgegen, ich glaube, das, was jetzt gesagt wird, ist auch ein Teil der Strategie, um im Vorfeld die eigene Position besser zur Geltung zu bringen. Davon darf sich die Politik aber nicht beeindrucken lassen.
Schwarz: Herr Altmaier, den Grünen kauft die Bundesregierung ihr Thema gerade ab. Das ist politisch klug, aber geht die Rechnung auf, wenn Sie in den eigenen Reihen die AKW-Befürworter verlieren als Wähler und Unterstützer?
Altmaier: Nein, die werden wir sicherlich nicht verlieren. Wir haben im Augenblick in der CDU/CSU eine sehr engagierte Debatte, wir haben uns in den letzten Wochen nicht leichtgetan mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien. Das geht dann auch nicht ab ohne abweichende Meinungen, ohne Kritik, das gehört zu einer Volkspartei dazu. Ich bin aber sicher, dass die Befürworter der Atomkraft die Mehrheitsmeinung der Partei, die sich geändert hat, nun genau so mittragen werden, wie wir vor einem Jahr etwa den Befürwortern erneuerbarer Energien zugemutet haben, die damalige Entscheidung mitzutragen. Das heißt am Ende, glaube ich, dass wir mit großer Geschlossenheit entscheiden werden, bis dahin wird es die ein oder andere Sachdebatte geben und das ist auch gut so.
Schwarz: Peter Altmaier war das, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vielen Dank, Herr Altmaier, für das Gespräch!
Altmaier: Ich danke Ihnen, Frau Schwarz!
Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Eine historische Entscheidung in so kurzer Zeit. Wovor graut Ihnen, Herr Altmaier, denn am meisten im weiteren Ausstiegsprozess?
Altmaier: Ach, wenn mir grauen würde, dann würde ich an diesen Prozess gar nicht herangehen. Ich bin mir bewusst, dass wir es mit einer sehr anspruchsvollen Veranstaltung zu tun haben, zum einen, wenn es darum geht, ein ordnungsgemäßes parlamentarisches Verfahren sicherzustellen, und zum anderen, wenn wir dann, nachdem Bundestag und Bundesrat beschlossen haben, auch dafür sorgen müssen, dass dieser Ausstieg umgesetzt wird. Dass er stattfindet, steht völlig außer Frage. Der Zeitpunkt, zu dem er stattfindet, abgeschlossen ist, steht auch außer Frage. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg und da sind noch sehr viele Schwierigkeiten zu überwinden.
Schwarz: Zum Beispiel, was den Ausbau der Stromnetze betrifft. Die Bundesregierung versucht nun Planungsrecht der Länder an sich zu ziehen, damit es schneller geht, aber das werden die Länder nicht so ohne Weiteres mit sich machen lassen. Was hat der Bund denn im Gegenzug anzubieten?
Altmaier: Nun, es geht nicht um Teppichhandel, sondern darum, dass wir eine vernünftige Lösung finden. Und das Problem ist, dass wir in Zukunft verstärkt auf Windkraft setzen, die wird vor allen Dingen im Norden produziert, in Nord- und Ostsee. Gebraucht wird der Strom vor allen Dingen in Süd- und Südwestdeutschland, und da muss er transportiert werden. Dazu brauchen wir Stromnetze, die gehen durch das Gebiet mehrerer Bundesländer in der Regel, und wir haben festgestellt in den letzten Jahren, dass der Ausbau viel zu langsam geht. Wir brauchen mehrere Tausend Kilometer von diesen Netzen, wir haben aber gerade mal 80 Kilometer pro Jahr in der Vergangenheit gebaut. Das ist zu langsam, und deshalb brauchen wir eine deutliche Planungsbeschleunigung. Da diskutieren wir im Augenblick darüber, ob der Bund sozusagen nur das Raumordnungsverfahren macht, oder auch die Planfeststellung durchführen darf. Die Länder sind verständlicherweise an ihren Zuständigkeiten weiterhin interessiert, ich sage aber, wir müssen alles infrage stellen, was bisher Gewohnheit war. Das Ziel muss sein, dass wir Netzkapazitäten und Speicherkapazitäten so schnell wie möglich ausbauen.
Schwarz: Windkraft in Norden, vor allen Dingen Offshoreanlagen scheinen das Lösungsmittel für alles zu sein, da will die Bundesregierung kräftig subventionieren, während Subventionen sonst zurückgefahren werden. Aber ist es wirklich sinnvoll, Ökostrom quer durch die Republik zu leiten, oder müsste man nicht viel mehr regional und dezentralisiert denken, den Strom da gewinnen, wo er gebraucht wird, und das dann auch mit Subventionen unterstützen?
Altmaier: Wir tun beides. Zum einen wissen wir ganz genau, dass wir mit erneuerbaren Energien alleine die Lücke nicht in kurzer Zeit schließen können, deshalb werden wir auch beispielsweise neue Gaskraftwerke brauchen. Die kann man dann regional dort bauen, wo der Strom gebraucht wird, etwa in Bayern oder in Baden-Württemberg. Der zweite Punkt ist, dass wir schon aus Klimaschutzgründen allerdings sagen, wir wollen langfristig die erneuerbaren Energien zu dem Kern, zu dem Rückgrat der deutschen Stromversorgung machen. Und auch da wird es so sein, dass man dezentral baut, aber der Wind weht nun mal über der Nordsee viel stärker und viel gleichmäßiger als im Bayerischen Wald, und deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Strom transportiert werden kann. Das war in der Vergangenheit übrigens auch so, nur es ändern sich nun die Trassen und auch die Anforderungen an diese Trassen, das ist übrigens unbestritten. Umstritten ist dann jeweils nur, ob eine Trasse in einer bestimmten Region auf diesem oder jenem Wege gebaut wird, und das dauert manchmal sehr, sehr viele Jahre, bis diese Fragen geklärt sind. Und so lange können wir in Zukunft nicht immer warten.
Schwarz: Neue Gas- und Kohlekraftwerke haben Sie gerade angesprochen, die Subventionen für die Erneuerbaren, die runtergefahren werden, habe ich angesprochen. – Also: Kann man so wirklich gewährleisten, dass der Ausstieg aus der Atomenergie den CO2-Ausstoß nicht in die Höhe treibt?
Altmaier: Sie haben ja gesehen, dass auch die Opposition, das heißt SPD und Grüne, im Grundsatz positiv auf unser Konzept reagieren. Das ist ja auch ein Indiz dafür, dass wir versucht haben, realistische Zahlen und Voraussetzungen zu benennen. Wir können CO2 zum Beispiel dadurch einsparen, dass wir Gebäudesanierung konsequent betreiben und dafür sorgen, dass weniger Wärme und weniger Energie zur Heizung von Gebäuden benötigt wird. Das ist ein großer Energiesparfaktor in Deutschland, dafür werden wir richtig viel Geld in die Hand nehmen und Anreize schaffen, Programme finanzieren, die dann dazu beitragen, dass in diesem Bereich gespart wird. Das heißt, unser Ziel ist: Wir wollen Klimaschutz – und das heißt Reduzierung von CO2-Ausstoß – und Umstieg auf erneuerbare Energien miteinander in Einklang bringen.
Schwarz: Dem Bund drohen ja auch Entschädigungszahlungen an die AKW-Betreiber und Klagen gegen die Brennelementesteuer. Wie wird er damit umgehen?
Altmaier: Sehr selbstbewusst. Wissen Sie, der Ausstieg ist eine Frage, die politisch entschieden werden muss. Hier gilt der Primat der Politik, hier darf sich die Politik auch nicht einschüchtern lassen. Wir sind ganz sicher überzeugt, dass wir mit unseren Vorschlägen und mit unseren Gesetzesentwürfen uns verfassungsrechtlich auf sicherem Boden bewegen, die Kernkraftwerke werden ja nicht von einem auf den anderen Tag abgeschaltet, das geschieht nur für die sieben ältesten Meiler in Deutschland. Die anderen haben klare Enddaten, bis wann sie laufen können, bis spätestens 2022, wenn die letzten drei vom Netz gehen, und dass auch Eigentumsschutz gewährleistet ist für die Energiekonzerne. Ich sehe solchen Klagen mit sehr viel Gelassenheit entgegen, ich glaube, das, was jetzt gesagt wird, ist auch ein Teil der Strategie, um im Vorfeld die eigene Position besser zur Geltung zu bringen. Davon darf sich die Politik aber nicht beeindrucken lassen.
Schwarz: Herr Altmaier, den Grünen kauft die Bundesregierung ihr Thema gerade ab. Das ist politisch klug, aber geht die Rechnung auf, wenn Sie in den eigenen Reihen die AKW-Befürworter verlieren als Wähler und Unterstützer?
Altmaier: Nein, die werden wir sicherlich nicht verlieren. Wir haben im Augenblick in der CDU/CSU eine sehr engagierte Debatte, wir haben uns in den letzten Wochen nicht leichtgetan mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien. Das geht dann auch nicht ab ohne abweichende Meinungen, ohne Kritik, das gehört zu einer Volkspartei dazu. Ich bin aber sicher, dass die Befürworter der Atomkraft die Mehrheitsmeinung der Partei, die sich geändert hat, nun genau so mittragen werden, wie wir vor einem Jahr etwa den Befürwortern erneuerbarer Energien zugemutet haben, die damalige Entscheidung mitzutragen. Das heißt am Ende, glaube ich, dass wir mit großer Geschlossenheit entscheiden werden, bis dahin wird es die ein oder andere Sachdebatte geben und das ist auch gut so.
Schwarz: Peter Altmaier war das, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vielen Dank, Herr Altmaier, für das Gespräch!
Altmaier: Ich danke Ihnen, Frau Schwarz!