Die Drei Kantoren: "Believe It Or Not"

Jüdische Lieder über Glauben und Zweifel

08:11 Minuten
"Die Drei Kantoren": Assaf Levitin, Tal Koch und Hemi Levison.
Assaf Levitin, Tal Koch und Hemi Levison (von links nach rechts) sind die "Die Drei Kantoren". © Igal Avidan
Von Igal Avidan · 24.12.2021
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Auf ihrem dritten Album haben „Die Drei Kantoren“ Neues gewagt: personelle Veränderungen und den Weg in die populäre israelische Musik mit Orchesterbegleitung.
"Ich bin Jude, ich lebe in einem religiösen Kontext, ich diene vielen Gemeinden", erzählt Assaf Levitin, der bei "Die Drei Kantoren" den Bass singt. "Wir alle sind in nicht-orthodoxen Familien aufgewachsen und unsere Identität ist daher nicht nur jüdisch, sie ist jüdisch-israelisch. Für mich ist alles, was auf Hebräisch geschrieben worden ist, schon jüdisch, weil die Sprache so verwurzelt ist mit der Bibel, mit der Mischna, mit dem Talmud.“
Der Sänger Tal Koch wuchs in einer traditionellen Familie auf und begleitete seinen Großvater regelmäßig in die Synagoge: „Ich bin ganz gläubig. Ich bin ganz religiös. Aber was ist Religion für mich? Ich sehe Gott als Musik, als Liebe. Musik ist die tollste Gelegenheit, das wirklich zu fühlen.“

Die Offenbarung Gottes

Tal Koch komponierte auf der neuen CD ein Lied des renommierten Dichters Jehuda Amichai. Dieser wurde in Würzburg als Ludwig Pfeuffer geboren und flüchtete mit seiner orthodoxen jüdischen Familie vor den Nationalsozialisten nach Palästina.
Obwohl Amichai säkular lebte, setzte er sich intensiv mit jüdischen Symbolen und Begriffen auseinander, genauso wie Tal Koch. „Hitgalut, Offenbarung auf Deutsch, ist ein Gedicht von Jehuda Amichai. Das ist auch eine Antwort auf die Frage, was ich glaube: ‚Heute hat Gott mir offenbart: Jemand hinter mir schloss meine Augen mit seinen Handflächen. Rate, wer das ist.'“

"Ich glaube von ganzem Herzen“

Der israelische Dichter Avraham Halfi wuchs in Polen in einer orthodoxen jüdischen Familie auf. 1924 wanderte er nach Palästina aus. Er verließ bald die religiöse Welt, nicht jedoch seinen Glauben. In seinem Lied "Gedankenspiele: Was wäre wenn?" schreibt er: „Ich falle, und stehe auf und falle und stehe wieder auf und glaube von ganzem Herzen.“
Aber woran glaubte Avraham Halfi? An den Gott Israels, dessen Gebote er ignorierte? An einen universellen Gott? Wusste der Dichter, dass Gott nicht existiert und fand es dennoch wichtig, sich mit diesem Gedanken zu trösten?
"Er ist absolut religiös, dieser Text", sagt Assaf Levitin, "aber, wenn du mich fragst: Ist das jüdisch? Kommt das aus dem Siddur? Nein, aber das kommt aus Avraham Halfis sehr tiefer Kenntnis der Quellen.“
Komponiert hat dieses Lied der israelische Musiker Alon Olearchik, der von einem jüdischen Vater und einer nichtjüdischen Mutter stammt. Der Staat Israel erkannte daher den renommierten Popstar nicht als Juden an. Olearchik nahm an einer Sammelklage gegen den Staat teil. Er wollte als Angehöriger des israelischen Volkes gelten, verlor jedoch den Prozess. Er unterstützte dennoch die Neuaufnahme seiner Melodie.

Unterschiede im Gesang

Assaf Levitin amtierte mehrere Jahre als Kantor der liberalen Gemeinde in Hannover. Tal Koch amtiert als Kantor unter anderem in Paris und der dritte Sänger von "Die Drei Kantoren", Hemi Levison, in der Berliner Gemeinde Bet Haskala und der Braunschweiger Synagoge. Gibt es einen Unterschied zwischen weltlichem und religiösem Gesang?
„Ja, ich singe schon anders", sagt Assaf Levitin, und Hemi Levison sagt: „Ich singe auch die Johannes- oder Matthäus-Passion von Bach und das Weihnachtsoratorium. Für das Publikum dort ist es auch wie ein Gottesdienst. Sie klatschen manchmal am Ende nicht, manchmal gibt es nur das Klingeln der Glocken in der Kirche.“
Assaf Levitin entgegnet: „Hemi, als Jude kannst du in der Kirche die Matthäus-Passion singen, selbst in einem liturgischen Kontext, nicht als Konzert, sondern als Gottesdienst. Aber nie im Leben kannst du als Christ einen Gottesdienst in der Synagoge führen, weil der jüdische Kantor ein geistliches Amt ist, aber der Kirchenmusiker kein geistliches Amt ist. Das ist schon ein sehr großer Unterschied. Als Chasan bin ich nicht nur Sänger für die Gemeinde, sondern: Ich bin ein Jude in der Synagoge, der jetzt betet.“

Popsongs über Gott und die Helden der Bibel

Tal Koch amtiert in einer liberalen Pariser Synagoge, zu deren Gottesdienst ebenfalls israelische Gedichte gehören. Auch seine eigenen Kompositionen finden dort Gefallen, sagt Koch: „In jeder Gemeinde, in der ich singe, versuche ich, zu verstehen, welche Lieder die Gemeinde kennt. Ich komme als Gast. Mein Ziel ist es, die Leute zusammenzubringen.“
In den 1960er- und 70er-Jahren waren Popsongs über Gott und die Helden der Bibel Schlager in Israel. Der Nationaldichter Nathan Alterman schrieb das Lied über König Salomons Seemänner als Kinderlied. Naomi Shemer, die wohl bekannteste israelische Komponistin, schrieb die Melodie für ein satirisches Theaterstück. „Salomons Seemänner“ wurde 1971 durch die Sängerin Ilana Rovina ein Hit und ist auch auf der neuen CD ein Ohrwurm.
Das Album nahmen "Die Drei Kantoren" in der Pause zwischen der dritten und der vierten Corona-Welle auf. Sie wurden zum ersten Mal von einem Orchester und der Sängerin Romina Malinski begleitet.

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