"Ich verliere den Halt, wenn ich nicht schreibe"
Nichts ist so wie es scheint, und doch ist alles real: Geschickt mischt Angelica Ammar in ihrem Buch "Tolmedo" verschiedene Bewusstseinsebenen und zeichnet so das flüchtige Bild der Liebe. Für ihren Erstlingsroman wird die 34-jährige Wahl-Pariserin mit dem Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung ausgezeichnet.
"Das war überhaupt nicht geplant, das sollte immer Spanien sein. Und dann habe ich durch Zufall meinen jetzigen Mann kennen gelernt und wenige Monate später habe ich in Paris gewohnt."
Paris und die Liebe. Lachend erzählt Angelica Ammar, diese schöne Frau mit den langen blonden Haaren, den leuchtend blauen Augen und dem strahlenden Lachen von ihrer Begegnung mit Fethi. Ihrem heutigen Ehemann.
Eine Liebensgeschichte wie aus einem Roman. Ihrem Roman, denn auch Alice, die Hauptfigur in "Tolmedo" trifft ihren Geliebten Raul durch Zufall in Paris. Und genauso wie das Romanpaar lebt auch Angelica Ammar mit ihrem Mann in einer kleinen Wohnung im Szeneviertel Montepartnasse.
"Dort habe ich meine Zufluchtsstätte, den Ort, wo ich mich von der Welt abkapseln kann, wo ich arbeiten kann. Und das ist wirklich mein Zuhause!"
Diese Sehnsucht nach Fremdheit spürt die 1972 geborene Münchnerin schon früh. Gleich nach dem Abitur zieht es die Tochter eines Unternehmers weg aus der bürgerlichen Enge dieser deutschen Stadt.
"Das war für mich immer klar, dass ich weg wollte aus München, eigentlich auch aus Deutschland. Ich wollte immer woanders leben. Woran das genau liegt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich nur so ein ganz normaler Entdeckungsdrang. Während meiner Jugend fand ich das alles ganz furchtbar, zu spießig, gerade, vernünftig. Insofern war es schon so eine Art Flucht."
Flucht vielleicht auch vor dem gescheiterten Familienleben. Als Angelica acht Jahre alt ist, verlässt der Vater die Familie. Angelica und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder bleiben bei der Mutter. Sehen den Vater, der in einer neuen Ehe einen zweiten Sohn zeugt, fortan nur noch am Wochenende und in den Ferien.
"Die Sicht auf die Welt wird früher distanzierter, weil man die Dinge etwas genauer betrachtet. Einfach dann mit zwei Welten leben muss und nicht nur eine hat. Also, es trennt sich alles."
Trotzdem zieht es die damals 18-Jährige fort. Zunächst nach Afrika, wo sie in Ghana trommeln lernt. Später nach Spanien, Lissabon, Montevideo und Buenos Aires. Zwar kehrt sie immer wieder heim nach München, um ihr Studium der Romanistik und Ethnologie voranzutreiben. Doch die Sehnsucht nach der Fremde lässt sie nie ganz los.
"Ich fühle mich sehr wohl als Ausländer, also als Fremder in einem anderen Land, wo ich eine Beobachterrolle einnehmen kann."
Dabei wird schnell klar: Die spanische Sprache und Mentalität reizen sie am meisten.
"Das war so eine sehr impulsive Attraktion, ich habe die spanische und vor allem die südamerikanische Literatur sehr gern - übersetzte sie ja jetzt auch – und insofern ist es vor allem eigentlich auch wirklich durch die Sprache. Ich fühle mich sehr wohl in der spanischen Sprache, was nicht ganz erklärbar ist – inzwischen spreche ich viel mehr Französisch als Spanisch, aber da ist eine sehr enge innere Beziehung zum Spanischen."
Und wieder erinnert diese Liebe zur spanischen Sprache und Kultur an Ammars Romanfigur Alice: Auch sie lebt, bevor es sie nach Paris verschlägt, in Spanien. Und beide schreiben.
"Nach dem Studium wusste ich nicht so recht, was machen. Ich wollte nicht an die Uni, das wäre In Paris auch völlig aussichtslos gewesen, als deutsche Hispanistin in die Uni zu gehen, aber das war auch nie so meins. Ich bin nicht sehr analytisch und vergesse auch Theorein ganz schnell. Wollte auch nicht auf der andern Seite sein und Literatur analysieren. Ich wollte sie machen. Und ich wusste, dass ich mit meinem eigenen Schreiben kein Geld verdienen kann und auch nicht wollte. Diesen Druck wollte ich nicht auf meinem eigenen Schreiben haben! Und da hat ein Freund mich drauf gebracht, warum ich nicht übergangsweise übersetze?"
13 Bücher und Erzählungen hat sie bis heute übersetzt, darunter Autoren wie Felisberto Hernández und Mario Vargas Llosa. Autoren, die sie beeinflusst haben. Denn parallel zum Übersetzen hat sie, die Bücher über alles liebt, immer weiter ihre eigenen Texte verfasst. 2001 erscheinen erste Kurzgeschichten. Danach schreibt sie nur noch an "Tolmedo", mit dem sie Stipendiatin am LCB, am Literarischen Colloquium Berlin war. Herausgekommen ist eine sprachlich hoch anspruchsvolle Liebesgeschichte, in der Alice beeinflusst von Träumen, Ahnungen, Sehnsüchten und Ängsten ihre Wahrheit über das Leben sucht. Einfach ist die Arbeit an diesem Buch nicht gewesen, erzählt Angelica Ammar.
Trotzdem: mit dem Schreiben aufhören kam für die Autorin nicht infrage.
"Ich verliere den Halt, habe ich das Gefühl, wenn ich nicht schreibe!"
Fügt Angelica Ammar leidenschaftlich hinzu. Ohne Bücher? Das geht nicht. Und noch während sie so spricht, taucht man wieder in ihr Buch ein: Sieht Alice an einem Schreibtisch sitzen, der in einem kleinen Zimmer steht, direkt unter dem Fenster, durch das sommerliche Lichtstrahlen fallen.
Wie eine Klarsichtfolie schiebt sich die Fiktion immer wieder über Angelica Ammars Schilderungen ihres eigenen Lebens. Auch ihr Schreibtisch steht in einem kleinen Raum, unter dem Fenster. Auch sie sieht ein Stück Himmel. Und wie Alice braucht auch Angelica Abgeschiedenheit:
"Ich kann lebhaft sein, wenn ich genug Einsamkeit hatte – Rückzug ist mir wichtig."
Ob die Übereinstimmung zwischen Alice und ihrer Autorin zufällig sind, will Angelica Ammar nicht verraten.
Paris und die Liebe. Lachend erzählt Angelica Ammar, diese schöne Frau mit den langen blonden Haaren, den leuchtend blauen Augen und dem strahlenden Lachen von ihrer Begegnung mit Fethi. Ihrem heutigen Ehemann.
Eine Liebensgeschichte wie aus einem Roman. Ihrem Roman, denn auch Alice, die Hauptfigur in "Tolmedo" trifft ihren Geliebten Raul durch Zufall in Paris. Und genauso wie das Romanpaar lebt auch Angelica Ammar mit ihrem Mann in einer kleinen Wohnung im Szeneviertel Montepartnasse.
"Dort habe ich meine Zufluchtsstätte, den Ort, wo ich mich von der Welt abkapseln kann, wo ich arbeiten kann. Und das ist wirklich mein Zuhause!"
Diese Sehnsucht nach Fremdheit spürt die 1972 geborene Münchnerin schon früh. Gleich nach dem Abitur zieht es die Tochter eines Unternehmers weg aus der bürgerlichen Enge dieser deutschen Stadt.
"Das war für mich immer klar, dass ich weg wollte aus München, eigentlich auch aus Deutschland. Ich wollte immer woanders leben. Woran das genau liegt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich nur so ein ganz normaler Entdeckungsdrang. Während meiner Jugend fand ich das alles ganz furchtbar, zu spießig, gerade, vernünftig. Insofern war es schon so eine Art Flucht."
Flucht vielleicht auch vor dem gescheiterten Familienleben. Als Angelica acht Jahre alt ist, verlässt der Vater die Familie. Angelica und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder bleiben bei der Mutter. Sehen den Vater, der in einer neuen Ehe einen zweiten Sohn zeugt, fortan nur noch am Wochenende und in den Ferien.
"Die Sicht auf die Welt wird früher distanzierter, weil man die Dinge etwas genauer betrachtet. Einfach dann mit zwei Welten leben muss und nicht nur eine hat. Also, es trennt sich alles."
Trotzdem zieht es die damals 18-Jährige fort. Zunächst nach Afrika, wo sie in Ghana trommeln lernt. Später nach Spanien, Lissabon, Montevideo und Buenos Aires. Zwar kehrt sie immer wieder heim nach München, um ihr Studium der Romanistik und Ethnologie voranzutreiben. Doch die Sehnsucht nach der Fremde lässt sie nie ganz los.
"Ich fühle mich sehr wohl als Ausländer, also als Fremder in einem anderen Land, wo ich eine Beobachterrolle einnehmen kann."
Dabei wird schnell klar: Die spanische Sprache und Mentalität reizen sie am meisten.
"Das war so eine sehr impulsive Attraktion, ich habe die spanische und vor allem die südamerikanische Literatur sehr gern - übersetzte sie ja jetzt auch – und insofern ist es vor allem eigentlich auch wirklich durch die Sprache. Ich fühle mich sehr wohl in der spanischen Sprache, was nicht ganz erklärbar ist – inzwischen spreche ich viel mehr Französisch als Spanisch, aber da ist eine sehr enge innere Beziehung zum Spanischen."
Und wieder erinnert diese Liebe zur spanischen Sprache und Kultur an Ammars Romanfigur Alice: Auch sie lebt, bevor es sie nach Paris verschlägt, in Spanien. Und beide schreiben.
"Nach dem Studium wusste ich nicht so recht, was machen. Ich wollte nicht an die Uni, das wäre In Paris auch völlig aussichtslos gewesen, als deutsche Hispanistin in die Uni zu gehen, aber das war auch nie so meins. Ich bin nicht sehr analytisch und vergesse auch Theorein ganz schnell. Wollte auch nicht auf der andern Seite sein und Literatur analysieren. Ich wollte sie machen. Und ich wusste, dass ich mit meinem eigenen Schreiben kein Geld verdienen kann und auch nicht wollte. Diesen Druck wollte ich nicht auf meinem eigenen Schreiben haben! Und da hat ein Freund mich drauf gebracht, warum ich nicht übergangsweise übersetze?"
13 Bücher und Erzählungen hat sie bis heute übersetzt, darunter Autoren wie Felisberto Hernández und Mario Vargas Llosa. Autoren, die sie beeinflusst haben. Denn parallel zum Übersetzen hat sie, die Bücher über alles liebt, immer weiter ihre eigenen Texte verfasst. 2001 erscheinen erste Kurzgeschichten. Danach schreibt sie nur noch an "Tolmedo", mit dem sie Stipendiatin am LCB, am Literarischen Colloquium Berlin war. Herausgekommen ist eine sprachlich hoch anspruchsvolle Liebesgeschichte, in der Alice beeinflusst von Träumen, Ahnungen, Sehnsüchten und Ängsten ihre Wahrheit über das Leben sucht. Einfach ist die Arbeit an diesem Buch nicht gewesen, erzählt Angelica Ammar.
Trotzdem: mit dem Schreiben aufhören kam für die Autorin nicht infrage.
"Ich verliere den Halt, habe ich das Gefühl, wenn ich nicht schreibe!"
Fügt Angelica Ammar leidenschaftlich hinzu. Ohne Bücher? Das geht nicht. Und noch während sie so spricht, taucht man wieder in ihr Buch ein: Sieht Alice an einem Schreibtisch sitzen, der in einem kleinen Zimmer steht, direkt unter dem Fenster, durch das sommerliche Lichtstrahlen fallen.
Wie eine Klarsichtfolie schiebt sich die Fiktion immer wieder über Angelica Ammars Schilderungen ihres eigenen Lebens. Auch ihr Schreibtisch steht in einem kleinen Raum, unter dem Fenster. Auch sie sieht ein Stück Himmel. Und wie Alice braucht auch Angelica Abgeschiedenheit:
"Ich kann lebhaft sein, wenn ich genug Einsamkeit hatte – Rückzug ist mir wichtig."
Ob die Übereinstimmung zwischen Alice und ihrer Autorin zufällig sind, will Angelica Ammar nicht verraten.