"Ich versuche eine Richtigstellung"
Der verstorbene Maler Jörg Immendorff wurde von der Kritik zum Chronisten der deutschen Historie und Visionär der Einheit stilisiert. Sein langjähriger Weggefährte Hans-Peter Riegel, der jetzt eine Immendorff-Biografie veröffentlicht, relativiert diese Vorstellung.
Susanne Führer: Jörg Immendorff war und ist einer der bekanntesten deutschen Künstler der Gegenwart. Im Mai 2007 ist er gestorben. Nun erscheint die erste Biografie von Hans-Peter Riegel, einem langjährigen Vertrauten Immendorffs.
Guten Tag, Herr Riegel!
Hans-Peter Riegel: Guten Morgen, Frau Führer!
Führer: Normalerweise ist es ja so, also die erste Biografie dieses wirklich bekannten deutschen Malers, dann schickt der Verlag ganz, ganz viele Rezensionsexemplare raus. Das ist diesmal nicht passiert, die wurden ziemlich ja wie Kostbarkeiten behandelt. Woran liegt das?
Riegel: Na ja also, wenn man während der Entstehung schon, also während des Schreibens dann schon anwaltliche Schreiben bekommt, wo einem dann …
Führer: … von wem?
Riegel: Aus der Vertretung von Oda Jaune, also von der Erbin, von seiner …
Führer: … der Witwe …
Riegel: … der Witwe, genau, dann macht das schon nachdenklich, also dann spürt man schon eine gewisse Nervosität auf der anderen Seite, im Hinblick auf die Aussagen, die dann möglicherweise dort in diesem Buch stehen werden.
Führer: Und deswegen wurde das Buch zurückgehalten?
Riegel: Ja, das ist die Entscheidung des Verlages, da habe ich ja weitgehend keinen Einfluss drauf. Aber Sie werden verstehen, wenn dann eine gewisse Drohkulisse dort aufgebaut wird, dass man da natürlich schon sehr genau hinschaut, mit wem man über was spricht und mit wem man kommuniziert über Inhalte, die dann später zu besprechen sind.
Führer: Hat denn Oda Jaune Gründe gehabt, Ihre Biografie zu fürchten? Haben Sie ihr was erzählt?
Riegel: Ach, wissen Sie, natürlich, also man, die Chronistenpflicht ist natürlich selbstredend, den Versuch zu unternehmen mit ihr zu sprechen, und das ist natürlich auch geschehen. Aber wie Sie ja gestern im "Spiegel" nachlesen konnten, verweigert ja Frau Jaune das Gespräch auch dem "Spiegel" gegenüber letztlich. Und damit gesehen ist eigentlich schon klar, also da ist eine Kommunikation nicht möglich gewesen, nicht nur mit Oda Jaune nicht, sondern es hat auch eine ganze Reihe anderer Personen gegeben, die sich schlechterdings dieser Kommunikation verweigert haben. Und man spürte da eine gewisse Atmosphäre der Angst, wenn man es sehr weit zugespitzt formulieren will.
Führer: Angst bei wem?
Riegel: Ja in seiner Umgebung, bei Menschen, die in den letzten Jahren mit ihm in Berührung waren, die, da spürte man schon eine gewisse Distanz, Dinge auszusprechen, die vielleicht hätten ausgesprochen werden können. Und das ist, man spürt dann schon ja so etwas wie Angst. Also ich formuliere bewusst zugespitzt selbstverständlich.
Führer: Gut also, man kann natürlich auch positiv sagen, Oda Jaune entzieht sich dem Medienrummel, das hat Jörg Immendorff nie getan. Lassen Sie uns mal über ihn sprechen, Herr Riegel: Wir haben gerade gehört, er galt als einer der politischsten deutschen Künstler überhaupt. War er so ein politischer Künstler Ihrer Ansicht nach?
Riegel: Na ja also, vielleicht sollten wir da mal ganz kurz so ein bisschen den Blick drauf richten, wie Immendorff zuletzt gesehen worden ist. Also wenn man sich vorstellt, auf welches Schild er gehoben worden ist in den letzten Lebensjahren. Man hat den ja zum Visionär der Deutschen Einheit hoch geschrieben, zum Chronisten deutscher Historie, Bundesverdienstkreuz, Nationalgalerie, Kanzlerporträt, dann ist damit ja ein gewisser Anspruch formuliert worden, also von Dritten, aber nicht zuletzt von ihm. Er hat dem ja auch Vorschub geleistet. Und daran muss man ihn natürlich messen. Also damit war ja auch eine Ausgangslage für die Biografie gegeben, zu überprüfen, inwieweit das wirklich das Wasser hält. Und da bin ich dann durchaus zu anderen Schlüssen gekommen.
Führer: Nämlich?
Riegel: Also er war absolut durchaus ein politischer Mensch, ganz ohne jeden Zweifel. Aber nicht mehr und nicht weniger als viele andere auch. Also es war jetzt nicht so, wenn man mal zurückschaut, um mal ein Beispiel zu nennen: Seine erste politische Aktion, die man wirklich registrieren konnte, war 1967 eine Petition gegen den Vietnamkrieg, da hat er 25 Unterschriften einer Akademie gesammelt. Das war aber nicht seine Idee, sondern er ist da auch einer Vorgabe von Günter Grass gefolgt, der damals diese Petition öffentlich gemacht hat. Und das ist sehr, sehr bezeichnend für das Verhalten von Immendorff, er hat Themen aufgenommen, er hat Begebenheiten aufgenommen und hat sich dann damit assoziiert. Also in dem Sinne war er Nachfolger, war er ein Protagonist, ein Epigone von Ereignissen, die andere ihm vorgedacht und vorgesagt haben, wenn man so will, nicht zuletzt Beuys.
Führer: Gut, aber man kann ja sicher nicht bestreiten, also wenn wir mal an die berühmte Serie denken, "Café Deutschland", die ja Ende 77 begonnen hat oder auch 78: Er gehört sicher zu den wenigen westdeutschen Künstlern, die die Teilung Deutschlands zum Thema gemacht haben. Er hat ja auch schon die Freundschaft und die Zusammenarbeit zu Penck gesucht, als der noch hinter der Mauer in der DDR saß.
Riegel: Na ja, das kann man so sehen, also das ist auch zweifelsfrei natürlich Inhalt vor allem Dingen der ersten "Café Deutschland"-Bilder, ist natürlich die deutsche Teilung Thema, das ist zweifelsfrei so.
Führer: Ja man sieht so schön, wie er sein, also Immendorff sel…
Riegel: … die Hand aus der Mauer …
Führer: … genau.
Riegel: Also das sind natürlich wunderbare Metaphern …
Führer: … Hand durch die Mauer steckt, genau …
Riegel: … genau, das sind natürlich alles wunderbare Metaphern …
Führer: … Helmut Schmidt und Erich Honecker malen zusammen an einer Deutschlandfahne …
Riegel: … genau. Das wird ja, das steht ja auch außer Zweifel, darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Nur wenn man sieht den Weg dorthin, der ist eben mitnichten über einen intellektuellen Vollzug geschehen. Also Immendorff, da gibt es also auch Zeugenaussagen, die Sie in meinem Buch finden auch von Weggefährten und zum Beispiel von seiner Lebensgefährtin, der hat sich dafür überhaupt nicht interessiert, sondern der ist erst durch eine künstlerische Krise und durch die Vermittlung von seinem Galeristen mit Penck zusammengekommen, und da erst ist so eine Art von Schub entstanden.
Und der letztendliche Impuls, der war nämlich ein ganz profaner, nämlich der hatte sich, der Immendorff hatte sich ausgemalt, so eine Art Künstlerkollektiv, ost-westliches Künstlerkollektiv mit Penck zu bilden. Erstens war Penck völlig desinteressiert an dem Ganzen, der fand den Immendorff einen Spinner, den hat Kommunismus und so aus wahrscheinlich nachvollziehbaren Gründen überhaupt nicht mehr interessiert, also der hat den Immendorff in der Richtung überhaupt nicht ernst genommen, und der Immendorff wiederum hat sich da vollkommen reingesteigert, hat sich schon in Zeichnungen ausgemalt, wie die sich umarmen und so.
Da war ein Treffen an der Biennale in Venedig '76 geplant und dann durfte der Penck nicht ausreisen. Und das war, ist auch wieder so ein ganz typisches Immendorff-Verhalten: Dass der Penck dann nicht kam, sein Plan nicht aufging, das hat den betroffen gemacht, das hat den persönlich betroffen, da war der sauer mal vereinfacht und populär gesagt. Und damit fing wirklich so eine Art von persönlicher Betroffenheit, auf dieser simplen Ebene fing der überhaupt erst an, diese ganze Geschichte aufzumachen. Bis dahin war noch kein einziger Strich an "Café Deutschland", an dieser Idee gezeichnet worden. Das kam erst später, als der Guttusos Caffè Greco begegnete. Also auch da wiederum eine fremde Idee, die er sich dann zugezogen hat.
Führer: Das Vorbild. Gut, dass Künstler Anregungen aufnehmen, ist ja auch nicht so neu. Ich verstehe den Punkt nicht so richtig, Herr Riegel, was wollen Sie damit zeigen? Ist das so ein, ist diese Biografie eine Demontage Immendorffs in persönlicher wie künstlerischer Hinsicht?
Riegel: Nein, das ist eine, ich versuche eine Richtigstellung. Also es geht eigentlich mehr darum, Dinge, die … Wissen Sie, ich hab den Mann seit 74 gekannt, ich hab den 30 Jahre begleitet, ich hab, ich war, ich hab neben dem gestanden, wie der "Café Deutschland"-Bilder gemalt hat, ich hab diesen ganzen Entstehungsprozess hautnah, ich war teilweise 24 Stunden mit dem in diesen Jahren zusammen, und dann wissen Sie, wie jemand denkt, was der liest, wie der sich mit einem Thema auseinandersetzt. Und man muss einfach feststellen – und das bin nicht nur ich, das haben auch andere festgestellt –, der hat keine wirkliche intellektuelle Durchdringung dieses ganzen Themas gehabt, sondern der hat seine Weisheiten aus der Tagespresse und aus anderem genommen und hat daraus eine, sagen wir mal eine durchaus attraktive Melange dann geschaffen.
Aber er als Person hat damit keinen intellektuellen Vollzug verbunden. Das war für ihn ein Thema, ein Malanlass, das hat er selber mehrfach auch gesagt, er hat auch, wie er übrigens auch in zahlreichen Äußerungen immer wieder gesagt hat, bitte Leute, seht nicht immer dieses Politische in den Bildern, bitte seht nicht immer dieses Historische, das ist persönliche Abarbeitung, diese Bilder. Das hat er, da gibt es mehrere Äußerungen von ihm zu, nur das wollte keiner hören, das wollte keiner wahrhaben.
Führer: Also ist es mehr eine Kritik an der Kunstkritik als an Immendorff selbst?
Riegel: Durchaus, das ist durchaus zutreffend. Also es geht jetzt keinesfalls darum, das sage ich jetzt mal zu decouvrieren oder so, sondern man muss ja, wenn man eine historische Betrachtung von Künstlern macht, solche Dinge natürlich benennen. Und dass er dem Vorschub geleistet hat durch seine Äußerungen, auch durch die Katalogschreibung – also die Auftragsschreiber, nenne ich sie –, und dann fleißig dort abgeschrieben wurde, ist selbstredend, das sind Mechanismen des Kunstmarktes. Da ist eine Position sehr erfolgreich gewesen und Etikett, politischer Künstler hat zum Erfolg verholfen, und warum soll man das dann wechseln? Er war damit identifizierbar.
Führer: Hans-Peter Riegel, der Autor des Buches "Immendorff", eine Biografie, die heute bei Aufbau erscheint. Heute Abend stellt Hans-Peter Riegel sein Buch übrigens in der Düsseldorfer Kunsthalle vor und darüber berichten wir dann auch in unserem Kunstmagazin "Fazit". Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Riegel!
Riegel: Nichts zu danken, schönen Tag noch!
Guten Tag, Herr Riegel!
Hans-Peter Riegel: Guten Morgen, Frau Führer!
Führer: Normalerweise ist es ja so, also die erste Biografie dieses wirklich bekannten deutschen Malers, dann schickt der Verlag ganz, ganz viele Rezensionsexemplare raus. Das ist diesmal nicht passiert, die wurden ziemlich ja wie Kostbarkeiten behandelt. Woran liegt das?
Riegel: Na ja also, wenn man während der Entstehung schon, also während des Schreibens dann schon anwaltliche Schreiben bekommt, wo einem dann …
Führer: … von wem?
Riegel: Aus der Vertretung von Oda Jaune, also von der Erbin, von seiner …
Führer: … der Witwe …
Riegel: … der Witwe, genau, dann macht das schon nachdenklich, also dann spürt man schon eine gewisse Nervosität auf der anderen Seite, im Hinblick auf die Aussagen, die dann möglicherweise dort in diesem Buch stehen werden.
Führer: Und deswegen wurde das Buch zurückgehalten?
Riegel: Ja, das ist die Entscheidung des Verlages, da habe ich ja weitgehend keinen Einfluss drauf. Aber Sie werden verstehen, wenn dann eine gewisse Drohkulisse dort aufgebaut wird, dass man da natürlich schon sehr genau hinschaut, mit wem man über was spricht und mit wem man kommuniziert über Inhalte, die dann später zu besprechen sind.
Führer: Hat denn Oda Jaune Gründe gehabt, Ihre Biografie zu fürchten? Haben Sie ihr was erzählt?
Riegel: Ach, wissen Sie, natürlich, also man, die Chronistenpflicht ist natürlich selbstredend, den Versuch zu unternehmen mit ihr zu sprechen, und das ist natürlich auch geschehen. Aber wie Sie ja gestern im "Spiegel" nachlesen konnten, verweigert ja Frau Jaune das Gespräch auch dem "Spiegel" gegenüber letztlich. Und damit gesehen ist eigentlich schon klar, also da ist eine Kommunikation nicht möglich gewesen, nicht nur mit Oda Jaune nicht, sondern es hat auch eine ganze Reihe anderer Personen gegeben, die sich schlechterdings dieser Kommunikation verweigert haben. Und man spürte da eine gewisse Atmosphäre der Angst, wenn man es sehr weit zugespitzt formulieren will.
Führer: Angst bei wem?
Riegel: Ja in seiner Umgebung, bei Menschen, die in den letzten Jahren mit ihm in Berührung waren, die, da spürte man schon eine gewisse Distanz, Dinge auszusprechen, die vielleicht hätten ausgesprochen werden können. Und das ist, man spürt dann schon ja so etwas wie Angst. Also ich formuliere bewusst zugespitzt selbstverständlich.
Führer: Gut also, man kann natürlich auch positiv sagen, Oda Jaune entzieht sich dem Medienrummel, das hat Jörg Immendorff nie getan. Lassen Sie uns mal über ihn sprechen, Herr Riegel: Wir haben gerade gehört, er galt als einer der politischsten deutschen Künstler überhaupt. War er so ein politischer Künstler Ihrer Ansicht nach?
Riegel: Na ja also, vielleicht sollten wir da mal ganz kurz so ein bisschen den Blick drauf richten, wie Immendorff zuletzt gesehen worden ist. Also wenn man sich vorstellt, auf welches Schild er gehoben worden ist in den letzten Lebensjahren. Man hat den ja zum Visionär der Deutschen Einheit hoch geschrieben, zum Chronisten deutscher Historie, Bundesverdienstkreuz, Nationalgalerie, Kanzlerporträt, dann ist damit ja ein gewisser Anspruch formuliert worden, also von Dritten, aber nicht zuletzt von ihm. Er hat dem ja auch Vorschub geleistet. Und daran muss man ihn natürlich messen. Also damit war ja auch eine Ausgangslage für die Biografie gegeben, zu überprüfen, inwieweit das wirklich das Wasser hält. Und da bin ich dann durchaus zu anderen Schlüssen gekommen.
Führer: Nämlich?
Riegel: Also er war absolut durchaus ein politischer Mensch, ganz ohne jeden Zweifel. Aber nicht mehr und nicht weniger als viele andere auch. Also es war jetzt nicht so, wenn man mal zurückschaut, um mal ein Beispiel zu nennen: Seine erste politische Aktion, die man wirklich registrieren konnte, war 1967 eine Petition gegen den Vietnamkrieg, da hat er 25 Unterschriften einer Akademie gesammelt. Das war aber nicht seine Idee, sondern er ist da auch einer Vorgabe von Günter Grass gefolgt, der damals diese Petition öffentlich gemacht hat. Und das ist sehr, sehr bezeichnend für das Verhalten von Immendorff, er hat Themen aufgenommen, er hat Begebenheiten aufgenommen und hat sich dann damit assoziiert. Also in dem Sinne war er Nachfolger, war er ein Protagonist, ein Epigone von Ereignissen, die andere ihm vorgedacht und vorgesagt haben, wenn man so will, nicht zuletzt Beuys.
Führer: Gut, aber man kann ja sicher nicht bestreiten, also wenn wir mal an die berühmte Serie denken, "Café Deutschland", die ja Ende 77 begonnen hat oder auch 78: Er gehört sicher zu den wenigen westdeutschen Künstlern, die die Teilung Deutschlands zum Thema gemacht haben. Er hat ja auch schon die Freundschaft und die Zusammenarbeit zu Penck gesucht, als der noch hinter der Mauer in der DDR saß.
Riegel: Na ja, das kann man so sehen, also das ist auch zweifelsfrei natürlich Inhalt vor allem Dingen der ersten "Café Deutschland"-Bilder, ist natürlich die deutsche Teilung Thema, das ist zweifelsfrei so.
Führer: Ja man sieht so schön, wie er sein, also Immendorff sel…
Riegel: … die Hand aus der Mauer …
Führer: … genau.
Riegel: Also das sind natürlich wunderbare Metaphern …
Führer: … Hand durch die Mauer steckt, genau …
Riegel: … genau, das sind natürlich alles wunderbare Metaphern …
Führer: … Helmut Schmidt und Erich Honecker malen zusammen an einer Deutschlandfahne …
Riegel: … genau. Das wird ja, das steht ja auch außer Zweifel, darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Nur wenn man sieht den Weg dorthin, der ist eben mitnichten über einen intellektuellen Vollzug geschehen. Also Immendorff, da gibt es also auch Zeugenaussagen, die Sie in meinem Buch finden auch von Weggefährten und zum Beispiel von seiner Lebensgefährtin, der hat sich dafür überhaupt nicht interessiert, sondern der ist erst durch eine künstlerische Krise und durch die Vermittlung von seinem Galeristen mit Penck zusammengekommen, und da erst ist so eine Art von Schub entstanden.
Und der letztendliche Impuls, der war nämlich ein ganz profaner, nämlich der hatte sich, der Immendorff hatte sich ausgemalt, so eine Art Künstlerkollektiv, ost-westliches Künstlerkollektiv mit Penck zu bilden. Erstens war Penck völlig desinteressiert an dem Ganzen, der fand den Immendorff einen Spinner, den hat Kommunismus und so aus wahrscheinlich nachvollziehbaren Gründen überhaupt nicht mehr interessiert, also der hat den Immendorff in der Richtung überhaupt nicht ernst genommen, und der Immendorff wiederum hat sich da vollkommen reingesteigert, hat sich schon in Zeichnungen ausgemalt, wie die sich umarmen und so.
Da war ein Treffen an der Biennale in Venedig '76 geplant und dann durfte der Penck nicht ausreisen. Und das war, ist auch wieder so ein ganz typisches Immendorff-Verhalten: Dass der Penck dann nicht kam, sein Plan nicht aufging, das hat den betroffen gemacht, das hat den persönlich betroffen, da war der sauer mal vereinfacht und populär gesagt. Und damit fing wirklich so eine Art von persönlicher Betroffenheit, auf dieser simplen Ebene fing der überhaupt erst an, diese ganze Geschichte aufzumachen. Bis dahin war noch kein einziger Strich an "Café Deutschland", an dieser Idee gezeichnet worden. Das kam erst später, als der Guttusos Caffè Greco begegnete. Also auch da wiederum eine fremde Idee, die er sich dann zugezogen hat.
Führer: Das Vorbild. Gut, dass Künstler Anregungen aufnehmen, ist ja auch nicht so neu. Ich verstehe den Punkt nicht so richtig, Herr Riegel, was wollen Sie damit zeigen? Ist das so ein, ist diese Biografie eine Demontage Immendorffs in persönlicher wie künstlerischer Hinsicht?
Riegel: Nein, das ist eine, ich versuche eine Richtigstellung. Also es geht eigentlich mehr darum, Dinge, die … Wissen Sie, ich hab den Mann seit 74 gekannt, ich hab den 30 Jahre begleitet, ich hab, ich war, ich hab neben dem gestanden, wie der "Café Deutschland"-Bilder gemalt hat, ich hab diesen ganzen Entstehungsprozess hautnah, ich war teilweise 24 Stunden mit dem in diesen Jahren zusammen, und dann wissen Sie, wie jemand denkt, was der liest, wie der sich mit einem Thema auseinandersetzt. Und man muss einfach feststellen – und das bin nicht nur ich, das haben auch andere festgestellt –, der hat keine wirkliche intellektuelle Durchdringung dieses ganzen Themas gehabt, sondern der hat seine Weisheiten aus der Tagespresse und aus anderem genommen und hat daraus eine, sagen wir mal eine durchaus attraktive Melange dann geschaffen.
Aber er als Person hat damit keinen intellektuellen Vollzug verbunden. Das war für ihn ein Thema, ein Malanlass, das hat er selber mehrfach auch gesagt, er hat auch, wie er übrigens auch in zahlreichen Äußerungen immer wieder gesagt hat, bitte Leute, seht nicht immer dieses Politische in den Bildern, bitte seht nicht immer dieses Historische, das ist persönliche Abarbeitung, diese Bilder. Das hat er, da gibt es mehrere Äußerungen von ihm zu, nur das wollte keiner hören, das wollte keiner wahrhaben.
Führer: Also ist es mehr eine Kritik an der Kunstkritik als an Immendorff selbst?
Riegel: Durchaus, das ist durchaus zutreffend. Also es geht jetzt keinesfalls darum, das sage ich jetzt mal zu decouvrieren oder so, sondern man muss ja, wenn man eine historische Betrachtung von Künstlern macht, solche Dinge natürlich benennen. Und dass er dem Vorschub geleistet hat durch seine Äußerungen, auch durch die Katalogschreibung – also die Auftragsschreiber, nenne ich sie –, und dann fleißig dort abgeschrieben wurde, ist selbstredend, das sind Mechanismen des Kunstmarktes. Da ist eine Position sehr erfolgreich gewesen und Etikett, politischer Künstler hat zum Erfolg verholfen, und warum soll man das dann wechseln? Er war damit identifizierbar.
Führer: Hans-Peter Riegel, der Autor des Buches "Immendorff", eine Biografie, die heute bei Aufbau erscheint. Heute Abend stellt Hans-Peter Riegel sein Buch übrigens in der Düsseldorfer Kunsthalle vor und darüber berichten wir dann auch in unserem Kunstmagazin "Fazit". Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Riegel!
Riegel: Nichts zu danken, schönen Tag noch!