"Ich war sechs Jahre alt, als meine Eltern hingerichtet wurden"
Sogar der Papst bat um Gnade - für Ethel und Julius Rosenberg nach dem Todesurteil, das ein amerikanisches Gericht 1953 verhängte. Der Vorwurf: Spionage für die Sowjetunion. Sohn Robert Meeropol äußerte sich über den Fall in unserem Sender - und über sein neues Buch.
Joachim Scholl: Im Studio begrüße ich nun Robert Meeropol. Er ist einer der Söhne von Ethel und Julius, mittlerweile 62 Jahre alt. Zum 50. Jahrestag der Hinrichtung seiner Eltern hat er ein Buch über den Fall Rosenberg in den USA veröffentlicht. Es ist zugleich seine Autobiografie. Jetzt ist die deutsche Ausgabe erschienen. Guten Tag, welcome Robert Meeropol!
Robert Meeropol: Thank you for having me!
Scholl: Sie waren sechs Jahre alt, Herr Meeropol, als am 19. Juni 1953 ihre Eltern hingerichtet wurden. Welche Erinnerung haben Sie an diesen Tag?
Meeropol: Nun, in der Tat, ich war sechs Jahre alt, als meine Eltern hingerichtet wurden, ich war erst drei Jahre alt, als sie verhaftet wurden. In diesen Jahren habe ich meine Eltern selten gesehen, vielleicht etwa zwölf Mal, als sie im Gefängnis saßen. Ich war also ein kleiner Junge. Als die Hinrichtung näher kam, war ich ja schon älter geworden, obwohl sechs Jahre immer noch nicht alt ist. Und ich kann mich schon deutlich erinnern an die Woche, die vor der Hinrichtung verlief.
Denn zunächst einmal war ja der Hinrichtungstag festgesetzt worden, dann wurde durch den Obersten Gerichtshof ein Aufschub der Hinrichtung verkündet. Dann wurde noch einmal eine Instanz angerufen, der Aufschub wurde widerrufen, und so wurden sie dann am Freitag tatsächlich auch hingerichtet. Woran ich mich erinnere, ist, dass der Rechtsanwalt meiner Eltern aufgefordert war, zehn Gründe zu benennen, weshalb die Hinrichtung aufgeschoben werden sollte. Und der Rechtsanwalt konnte auch diese zehn Gründe benennen. Dann wurde der Aufschub ja widerrufen, er sollte nämlich noch einen elften Grund nennen. Und den elften Grund, den konnte er nicht beibringen. Und so wurden meine Eltern dann auch getötet.
Scholl: Sie wurden von einem befreundeten Ehepaar, den Meeropols, adoptiert. Hat man Sie in Ihrer Jugend und Kindheit eigentlich in Ruhe gelassen als Sohn der Rosenbergs?
Meeropol: Ja, denn wir verschwanden aus dem Rampenlicht. Unsere Namen wurden geändert, die Presse hat keine Berichte über den Fall weiter veröffentlicht. Und das war ganz entscheidend für mein Überleben. Und ich muss noch hinzufügen, ich glaube, heute würde das nicht so ablaufen. Die Presse würde sich das nicht entgehen lassen. Also hatte ich in diesem Sinne Glück.
Scholl: "Als die Regierung entschied, meine Eltern umzubringen", das ist der deutsche Titel Ihres Buches über den Fall Rosenberg. Sie haben lange Zeit damit gezögert. Was hat Sie veranlasst, jetzt doch über Ihre Eltern und ihren Tod zu schreiben?
Meeropol: Nun, ich bin ja als Aktivist in der Öffentlichkeit zugange und erzähle über den Fall meiner Eltern etwa seit 1973 oder 1974. Irgendwann taucht dann in einem doch der Wunsch auf, man muss das niederlegen, man muss es als Dokument nach außen bringen, und man möchte irgendwann dann auch imstande sein, den Leuten, die Fragen stellen, zu sagen: Es steht in dem Buch. Man möchte es also veräußerlichen, um sagen zu können, lest es nach, das ist der erste Grund.
Und ich habe auch noch diesen starken Wunsch – ich weiß gar nicht, woher er kommt, aber ich spüre das –, dass etwas Gutes aus meiner Kindheit hervorgehen möge. Ich wusste nicht, wie ich das umsetzen sollte, bis ich 43 Jahre alt geworden war. Das Buch erläutert dies auch in aller Ausführlichkeit. Es ist keineswegs immer einfach gewesen. Und dann habe ich eben diesen "Rosenberg Fund für Kinder" ins Leben gerufen.
Es ist eine Stiftung, eine öffentliche Stiftung, für alle jene Kinder von Aktivisten, deren Eltern etwas Ähnliches erleben müssen, wie ich das erlebt habe. Und ich wollte einfach die Geschichte, die ich erlebt habe, erzählen, sie zugänglich machen. Insbesondere nach dem 11. September 2001 spürte ich ganz stark in mir diesen Wunsch, ich wollte, dass etwas Gutes aus dem Schrecklichen, das ich erlebt hatte, hervorgehen würde. Ich wollte eine Lehre daraus ziehen und weitergeben.
Scholl: Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Robert Meeropol, der Sohn von Ethel und Julius Rosenberg, die in den 1950er-Jahren in den USA der Spionage bezichtigt, angeklagt und hingerichtet wurden. Ihr Buch, Mr. Meeropol, so schreiben Sie, verstehen Sie auch als Widerstand gegen die autoritären Tendenzen des Staates. Alles, was in der Ära der Bush-Regierung geschah, kann Ihnen nicht gefallen haben, hat vielen Menschen in der Welt nicht gefallen – mit dem Krieg, den Verschärfungen der Gesetze durch den Patriot Act. Jetzt haben die USA mit Barack Obama einen ganz anderen Präsidenten. Welche Hoffnungen setzen Sie denn in ihn?
Meeropol: Nun, für mich als Kind meiner Eltern war die Zeit der Bush-Regierung natürlich eine Art Erinnerungsspiegel an das, was in den 50er-Jahren geschehen war. Damals hieß es, die Kommunisten bedrohen unser Land, sie wollen unser Land zerstören, also müssen wir die Bürgerrechte und die Menschenrechte einschränken.
Jetzt wird dieses Schreckgespenst dann ersetzt durch die Terroristen. Es hieß unter der Bush-Regierung, die Terroristen wollen unser Land zerstören, also machen wir kurzen Prozess mit den Menschenrechten und wir schränken die Bürgerrechte ein. Für mich als Rechtsanwalt haben die Menschenrechte ein ganz hohes Gewicht, und ich hoffe natürlich, dass wir mit der Wahl von Barack Obama ein neues Kapitel aufschlagen können. Ich selbst habe ihn gewählt.
Allerdings halte ich ihn nicht für den Erlöser, der unser Land alleine retten kann. Ich sehe erste Ansätze zu Verbesserungen, das Lager in Guantanamo soll geschlossen werden, aber ich frage, warum dauert das ein Jahr. Unser Luftwaffenstützpunkt in Bagram, wo wir auch ein Gefängnis betreiben, in dem schreckliche Dinge geschehen, ist völlig von der Bildfläche verschwunden. Niemand spricht davon. Warum? Ich habe also konkrete Hoffnungen auf Verbesserungen der Lage. Ich frage aber, ob das alles auch ausreichen wird, um die Überreste unseres Verfassungsstaates zu finden.
Scholl: Sie waren Ihr ganzes Leben ein Linker, ein Liberaler, "left wing activist", wie man es auf Englisch nennt, immer angefeindet, verschrien als Kommunist – kommen jetzt bessere Zeiten für die Linke in den USA? Es war ja auch immer ein besonderer Fluch, ein Linker zu sein in den Vereinigten Staaten.
Meeropol: Nun, in einer so heftigen Wirtschaftskrise, wie wir sie jetzt gerade erleben, eröffnen sich natürlich für die Aktivisten auf der linken Seite des Spektrums neue Chancen. Ich war regelrecht erschüttert, als ich in den letzten Wochen im nationalen Fernsehen in den USA Menschen sah, die den Kapitalismus infrage stellten. Das hatte ich Zeit meines Lebens nicht erlebt.
Andererseits muss man sagen, solche Wirtschaftskrisen bergen natürlich auch die Gefahr, dass eine autoritäre Reaktion erfolgt. Ich meine also, der Augenblick birgt einerseits Chancen, andererseits auch Risiken. In einer Hinsicht bin ich da George Bush sogar dankbar: In seiner Regierung hat er dem Autoritarismus, also dem starken Staat, ein so schlechtes Ansehen verpasst, dass es jetzt für die Befürworter einer solchen Richtung schwer sein wird, kurzfristig Erfolge zu zeitigen.
Meine Botschaft ist also in dieser Lage: Es kümmert mich nicht, woher eure Werte kommen, ob nun aus dem roten, aus dem schwarzen oder aus dem grünen Lager – eines ist jetzt notwendig: Dass wir alle zusammenarbeiten!
Scholl: Herzlichen Dank, Robert Meeropol, für Ihren Besuch. Alles Gute für Sie! Ihr Buch "Als die Regierung entschied, meine Eltern umzubringen. Der Fall Rosenberg" ist im Frankfurter Zambon-Verlag erschienen. Der Band hat 232 Seiten und kostet 15 Euro. Schöne Zeit noch in Deutschland, Mr. Meeropol!
Meeropol: Thank you!
Robert Meeropol: Thank you for having me!
Scholl: Sie waren sechs Jahre alt, Herr Meeropol, als am 19. Juni 1953 ihre Eltern hingerichtet wurden. Welche Erinnerung haben Sie an diesen Tag?
Meeropol: Nun, in der Tat, ich war sechs Jahre alt, als meine Eltern hingerichtet wurden, ich war erst drei Jahre alt, als sie verhaftet wurden. In diesen Jahren habe ich meine Eltern selten gesehen, vielleicht etwa zwölf Mal, als sie im Gefängnis saßen. Ich war also ein kleiner Junge. Als die Hinrichtung näher kam, war ich ja schon älter geworden, obwohl sechs Jahre immer noch nicht alt ist. Und ich kann mich schon deutlich erinnern an die Woche, die vor der Hinrichtung verlief.
Denn zunächst einmal war ja der Hinrichtungstag festgesetzt worden, dann wurde durch den Obersten Gerichtshof ein Aufschub der Hinrichtung verkündet. Dann wurde noch einmal eine Instanz angerufen, der Aufschub wurde widerrufen, und so wurden sie dann am Freitag tatsächlich auch hingerichtet. Woran ich mich erinnere, ist, dass der Rechtsanwalt meiner Eltern aufgefordert war, zehn Gründe zu benennen, weshalb die Hinrichtung aufgeschoben werden sollte. Und der Rechtsanwalt konnte auch diese zehn Gründe benennen. Dann wurde der Aufschub ja widerrufen, er sollte nämlich noch einen elften Grund nennen. Und den elften Grund, den konnte er nicht beibringen. Und so wurden meine Eltern dann auch getötet.
Scholl: Sie wurden von einem befreundeten Ehepaar, den Meeropols, adoptiert. Hat man Sie in Ihrer Jugend und Kindheit eigentlich in Ruhe gelassen als Sohn der Rosenbergs?
Meeropol: Ja, denn wir verschwanden aus dem Rampenlicht. Unsere Namen wurden geändert, die Presse hat keine Berichte über den Fall weiter veröffentlicht. Und das war ganz entscheidend für mein Überleben. Und ich muss noch hinzufügen, ich glaube, heute würde das nicht so ablaufen. Die Presse würde sich das nicht entgehen lassen. Also hatte ich in diesem Sinne Glück.
Scholl: "Als die Regierung entschied, meine Eltern umzubringen", das ist der deutsche Titel Ihres Buches über den Fall Rosenberg. Sie haben lange Zeit damit gezögert. Was hat Sie veranlasst, jetzt doch über Ihre Eltern und ihren Tod zu schreiben?
Meeropol: Nun, ich bin ja als Aktivist in der Öffentlichkeit zugange und erzähle über den Fall meiner Eltern etwa seit 1973 oder 1974. Irgendwann taucht dann in einem doch der Wunsch auf, man muss das niederlegen, man muss es als Dokument nach außen bringen, und man möchte irgendwann dann auch imstande sein, den Leuten, die Fragen stellen, zu sagen: Es steht in dem Buch. Man möchte es also veräußerlichen, um sagen zu können, lest es nach, das ist der erste Grund.
Und ich habe auch noch diesen starken Wunsch – ich weiß gar nicht, woher er kommt, aber ich spüre das –, dass etwas Gutes aus meiner Kindheit hervorgehen möge. Ich wusste nicht, wie ich das umsetzen sollte, bis ich 43 Jahre alt geworden war. Das Buch erläutert dies auch in aller Ausführlichkeit. Es ist keineswegs immer einfach gewesen. Und dann habe ich eben diesen "Rosenberg Fund für Kinder" ins Leben gerufen.
Es ist eine Stiftung, eine öffentliche Stiftung, für alle jene Kinder von Aktivisten, deren Eltern etwas Ähnliches erleben müssen, wie ich das erlebt habe. Und ich wollte einfach die Geschichte, die ich erlebt habe, erzählen, sie zugänglich machen. Insbesondere nach dem 11. September 2001 spürte ich ganz stark in mir diesen Wunsch, ich wollte, dass etwas Gutes aus dem Schrecklichen, das ich erlebt hatte, hervorgehen würde. Ich wollte eine Lehre daraus ziehen und weitergeben.
Scholl: Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Robert Meeropol, der Sohn von Ethel und Julius Rosenberg, die in den 1950er-Jahren in den USA der Spionage bezichtigt, angeklagt und hingerichtet wurden. Ihr Buch, Mr. Meeropol, so schreiben Sie, verstehen Sie auch als Widerstand gegen die autoritären Tendenzen des Staates. Alles, was in der Ära der Bush-Regierung geschah, kann Ihnen nicht gefallen haben, hat vielen Menschen in der Welt nicht gefallen – mit dem Krieg, den Verschärfungen der Gesetze durch den Patriot Act. Jetzt haben die USA mit Barack Obama einen ganz anderen Präsidenten. Welche Hoffnungen setzen Sie denn in ihn?
Meeropol: Nun, für mich als Kind meiner Eltern war die Zeit der Bush-Regierung natürlich eine Art Erinnerungsspiegel an das, was in den 50er-Jahren geschehen war. Damals hieß es, die Kommunisten bedrohen unser Land, sie wollen unser Land zerstören, also müssen wir die Bürgerrechte und die Menschenrechte einschränken.
Jetzt wird dieses Schreckgespenst dann ersetzt durch die Terroristen. Es hieß unter der Bush-Regierung, die Terroristen wollen unser Land zerstören, also machen wir kurzen Prozess mit den Menschenrechten und wir schränken die Bürgerrechte ein. Für mich als Rechtsanwalt haben die Menschenrechte ein ganz hohes Gewicht, und ich hoffe natürlich, dass wir mit der Wahl von Barack Obama ein neues Kapitel aufschlagen können. Ich selbst habe ihn gewählt.
Allerdings halte ich ihn nicht für den Erlöser, der unser Land alleine retten kann. Ich sehe erste Ansätze zu Verbesserungen, das Lager in Guantanamo soll geschlossen werden, aber ich frage, warum dauert das ein Jahr. Unser Luftwaffenstützpunkt in Bagram, wo wir auch ein Gefängnis betreiben, in dem schreckliche Dinge geschehen, ist völlig von der Bildfläche verschwunden. Niemand spricht davon. Warum? Ich habe also konkrete Hoffnungen auf Verbesserungen der Lage. Ich frage aber, ob das alles auch ausreichen wird, um die Überreste unseres Verfassungsstaates zu finden.
Scholl: Sie waren Ihr ganzes Leben ein Linker, ein Liberaler, "left wing activist", wie man es auf Englisch nennt, immer angefeindet, verschrien als Kommunist – kommen jetzt bessere Zeiten für die Linke in den USA? Es war ja auch immer ein besonderer Fluch, ein Linker zu sein in den Vereinigten Staaten.
Meeropol: Nun, in einer so heftigen Wirtschaftskrise, wie wir sie jetzt gerade erleben, eröffnen sich natürlich für die Aktivisten auf der linken Seite des Spektrums neue Chancen. Ich war regelrecht erschüttert, als ich in den letzten Wochen im nationalen Fernsehen in den USA Menschen sah, die den Kapitalismus infrage stellten. Das hatte ich Zeit meines Lebens nicht erlebt.
Andererseits muss man sagen, solche Wirtschaftskrisen bergen natürlich auch die Gefahr, dass eine autoritäre Reaktion erfolgt. Ich meine also, der Augenblick birgt einerseits Chancen, andererseits auch Risiken. In einer Hinsicht bin ich da George Bush sogar dankbar: In seiner Regierung hat er dem Autoritarismus, also dem starken Staat, ein so schlechtes Ansehen verpasst, dass es jetzt für die Befürworter einer solchen Richtung schwer sein wird, kurzfristig Erfolge zu zeitigen.
Meine Botschaft ist also in dieser Lage: Es kümmert mich nicht, woher eure Werte kommen, ob nun aus dem roten, aus dem schwarzen oder aus dem grünen Lager – eines ist jetzt notwendig: Dass wir alle zusammenarbeiten!
Scholl: Herzlichen Dank, Robert Meeropol, für Ihren Besuch. Alles Gute für Sie! Ihr Buch "Als die Regierung entschied, meine Eltern umzubringen. Der Fall Rosenberg" ist im Frankfurter Zambon-Verlag erschienen. Der Band hat 232 Seiten und kostet 15 Euro. Schöne Zeit noch in Deutschland, Mr. Meeropol!
Meeropol: Thank you!