"Ich wollte Bilder malen"

Von Rainer Zerbst · 20.11.2009
Georg Baselitz erregte Aufsehen - mit allem, was er tat: Anfangs waren es masturbierende Männer, später war es die Tatsache, dass er seine Bilder auf dem Kopf malte. Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden ermöglicht jetzt einen Überblick über die wechselhafte Entwicklung des Malers.
Es gibt einen Raum in dieser Ausstellung, in dem hängen lauter großformatige Bilder, bei denen man nicht weiß, sind sie einem bekannt oder sind sie etwas völlig Neues. Bekannt sind die Motive. Mit meist braun-olivfarbenen Flächen und Strichen sind da Männer in Heldenposen gezeichnet. Baselitz wuchs unter den Nazis und in der DDR auf. Er kannte die von der Propaganda geliebten Heldenbilder und bezog sich mit diesen Bildern darauf. Das ist das Bekannte, nur, heldisch sehen seine Figuren nicht aus.

"Ich wollte jemanden darstellen, der meine Idee tragen sollte, wie es aussieht mit dem Heldentum in Deutschland oder in der Welt. Da habe ich einfach Leute gemalt, die sich in einem desolaten Zustand befinden. Entweder haben sie kein Bein oder nur eines, und so wie man das bei Berufsbildern macht, habe ich denen die Symbole des Heldentums beigegeben."

Es sind eindeutig Figuren, die Baselitz da gemalt hatte, Mitte der 60er-Jahre, und auch davor schon: immer Figuren, oft masturbierende, was für Entrüstung in der Öffentlichkeit sorgte. Aber der Malstil war völlig anders, als man es von Figurenbildern her kennt. Wenn er Gesichter malte, dann waren das Schlachtfelder für den Pinsel und die Farbe. Einzelheiten wie Augen fehlen meist. Der Malstil solcher Figurenbilder ist genau genommen abstrakt - und Baselitz hatte ja auch längst die DDR verlassen und bei Hann Trier studiert, einem Meister der informellen Malerei. Sieht man sich Baselitz' Bilder an, dann hätte aus ihm auch ein Meister des abstrakten Expressionismus werden können.

"Wäre ich in Amerika geboren, wäre ich das sicherlich geworden, aber die Situation war nicht so. Ich bin einfach aufgewachsen unter Bedingungen, die eine existenzielle Weltanschauung, die für abstrakte Bilder notwendig ist, nicht zuließen."

Und also blieb er bei der Figur als Motiv, aber Baselitz porträtiert nicht, malt nicht ab, er malt einfach Bilder.

"Ich habe das, was ich gemacht habe, nicht von einem Modell genommen, sondern ich habe das erfunden. Ich habe Gegenstände erfunden. Ich habe das ganze Bildmodell neu erfunden. Das gab es in dieser Weise vorher nicht. Ich wollte nicht reden, ich wollte nicht philosophieren, ich wollte nicht deklarieren, sondern ich wollte Bilder malen."

Und so kann man nun in dieser Ausstellung im Rückblick konstatieren, dass er zwar immer bei der Figur blieb, aber es kam ihm immer auf das Wie an, nicht auf das Was. So fing er 1966 an, Striche durch seine Figuren zu ziehen und die Bildhälften versetzt zu malen - seine Frakturbilder. So zerstörte er die Figur - und lenkte den Blick auf die Art des Malens. Dann stellte er seine Figuren auf den Kopf - das wurde sein Markenzeichen, aber im Grunde waren das für ihn Möglichkeiten, sich von der Figur zu distanzieren, ohne sie ganz zu verlassen.

Ähnlich ging er bei seinen Skulpturen vor, durchweg aus Holz. Grob schlägt er mit der Kettensäge ins Material, zeigt Wunden, Narben, zeigt das Material Holz - und ganz nebenher - so scheint es - schält sie so etwas wie ein Kopf oder eine Figur heraus. Über seine frühen Bilder sagte er einmal, das, was wie ein Kopf aussehe, sei eigentlich ein Brei von Farben. Die Farbe, der Pinselstrich, oder in der Skulptur der Schlag ins Holz - und die Art, wie all das realisiert wird, das macht die Kunst von Georg Baselitz aus, und das kann man jetzt, in dieser Retrospektive, Schritt für Schritt nachvollziehen. Daher ist sein Umgang mit dem Material, dem Holz, der Farbe, auch so vehement, geradezu gewalttätig, dass man sein Malen gern als expressionistisch bezeichnet, doch als Baselitz zu malen anfing, kannte er deren Bilder nicht. Es ist für ihn eine typisch deutsche Malweise.

"Ich male in einer bestimmten, nicht dem Italienischen oder Französischen entsprechenden groben Weise. Alle deutschen Maler malen so. Cranach malt keine Botticellis, sondern Cranach malt, wenn man so will, schöne Frauen als Elfen, aber wie Nudeln, letztlich hässlich. Im Kontext der damals üblichen Malerei würden Cranach Bilder keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, aber es sind wunderbare Bilder."

So hat Baselitz gezeigt, dass der Gegensatz abstrakt-figürlich eine oberflächliche Betrachtungsweise ist. Entscheidend ist die Malweise, der Akt des Malens, das ist das Wesen der Malerei, und jeder Schritt in seiner Entwicklung macht das deutlich.

"Wenn mir plötzlich einfällt: Ich hab da etwas gesehen, das pointilliert, oder ich habe da etwas gesehen, das asiatisch aussah, oder ich habe etwas gesehen, das bestand nur aus Moos und Erde - das ist das, was mich umreißt und mitnimmt."