Idealist, Erwecker und Reformer
Johann Hinrich Wichern, der Gründer des Rauhen Hauses in Hamburg und des Johannesstifts in Berlin, wurde am 21. April 1808 geboren. Anlässlich des Geburtstags hat Uwe Birnstein eine Wichern-Biografie vorgelegt und zeichnet den Werdegang des frommen Kirchenmannes nach.
"Nur der kann sich der Not in ihrer ganzen Breite entgegenstellen, der den Mut hat zur ersten kleinen Tat."
Mit diesem Wichern-Zitat beginnt der Theologe und Schriftsteller Uwe Birnstein seine Festschrift, die zu seinem 200. Geburtstag den "Kirchenvater der Diakonie" ehren will. Das Zitat ist das Motto für zwei aufeinander bezogene Publikationen, nämlich die 120-Seiten-Monographie "Der Erzieher" und ein Hörbuch gleichen Titels von 75 Minuten.
"Da rüttelt ein frommer Mann aus einfachem Hause die evangelische Kirche dermaßen durch, dass die Auswirkungen noch heute zu spüren sind. Johann Hinrich Wichern las der behäbigen und selbstgerechten Kirche seiner Zeit die Leviten, bis sie endlich einsah: Liebe ist nicht nur ein Wort, sondern auch Tat. Selbstverständlich ist das bis heute nicht. – Wer war dieser Mann, der den Mut zur ersten kleinen Tat aufbrachte und so Großes auslöste?"
Dieser Mann war ein reformerisch gesonnener Kirchenmann. Dazu Erzieher und Ehemann, Theologe und "erweckter" Christenmensch, tatkräftiger "christlicher Sozialist" und staatlich-preußischer Funktionär. Vor allem aber war er ein Helfer aus Liebe, der sich der Opfer des rasanten gesellschaftlichen Umbruchs annahm, der die industrielle und weltanschauliche Revolution begleitete. Das waren vor allem Arbeiter und Arbeitslose, Arme und Gefangene – und immer wieder und vor allem verwaiste, verkommene, verlogene und vergewaltigte Kinder. Sie alle sollten "gerettet" werden. Schon der frisch examinierte junge Theologe weiß, dass er mit seinem Feldzug gegen die Armut in die gottfernen proletarischen Stadtviertel Hamburgs mit ihren Elendswohnungen vordringen muss. Er berichtet:
"Ich bitte, mir im Geiste in diese Wohnungen zu folgen In der Tür gerade an wohnt eine Frau, die als Kind mit Mutter und Geschwistern bei Nacht von dem trunkfälligen Vater auf die Straße getrieben zu werden pflegte. Als die Eltern gestorben waren, verehelichte sie sich und wurde Mutter von einem Sohn, der jetzt, etwa 17 Jahre alt, tagaus tagein Lumpen und Knochen sammelt. Nach dem Tode des ersten Mannes trat die Frau in eine wilde Ehe mit einem anderen Mann."
Hier wie an manchen anderen Stellen des Birnstein-Buches gelingt es dem Autor, durch geschickte Zusammenfassungen und Kürzungen der diversen Aufzeichnungen und Notizen des jungen Theologen eine Art dramatischer Sozialreportage entstehen zu lassen, die in ihrer Fassungslosigkeit durchaus "modern" anmutet und die 200 Jahre leicht überspielt.
"Entsetzlich arme Mütter trifft er, die neben ihren eigenen Kindern noch für ein wenig Geld andere Kinder an die Brust nehmen. Familien, die hungrig und frierend zu Bett gehen müssen. Trunksüchtige Väter, die ihren Kindern fürchterliche Prügel verabreichen und sie missbrauchen. Kinder, die von ihren Eltern zum Betteln oder zum Klauen geschickt werden. Familienmütter, die sich prostituieren. Auf engstem Raum lebende Fischfrauen und Lumpensammler, Zimmer, in denen alles voll Schmutz und Kot ist. Dazu furchtbare Ehebrecherei, lügende Kinder und Erwachsene, kranke und geistig verwirrte Menschen. Der frisch examinierte Theologe ist bestürzt. Mag es alles richtig und gut sein, was da Sonntag für Sonntag in den Kirchen Hamburgs gepredigt wird – an diesen Orten der Armut sind Kirche und Glaube jedoch nicht anzutreffen."
Damals, noch vor der Mitte des 19. Jahrhunderts, meint der erweckte Christ zu wissen, wie den Nöten der Elenden und Verelendeten beizukommen sei: "Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen" heißt die vorgesehene erste größere Rettungsaktion. Aber es klingt dabei durchaus zynisch, wenn Wichern behauptet, "die ärmere Menschenmenge bedürfe vor allem der kräftigen Stütze der Religion, um ihr Schicksal mit Ergebung zu tragen." Und der eigentliche Gegner ist schnell ausgemacht: "das immer zunehmende Sittenverderbnis des Volks". Oder im Klartext: Wenn der Glaube sich in den sittlichen Geboten vermittelt, könne er den Armen dazu bringen, sich seinen Unterhalt wieder selbst zu verdienen. Denn Arbeit wehre ja dem Müßiggang; und – wie sprichwörtlich bekannt – Müßiggang sei eben aller Laster Anfang.
Wichern hat – früh Halbwaise geworden -in seiner Jugend selbst Armut kennengelernt. Er hat an seiner frommen Mutter aber auch gesehen, wie die Not in lebendigem Glauben ertragen werden kann. Beide Erfahrungen haben sein durchaus einfaches Leben bestimmt. Zum einen war er ganz persönlich hoch motiviert, den Armen und Elenden zu helfen; zum zweiten jedoch wusste er – auch selbst von der persönlichen Erweckung bestimmt -, dass alle materielle Hilfe, so nötig sie auch sei, doch unzulänglich bleibt, wenn dem Armen und Notleidenden nicht auch innerlich geholfen wird. Theologisch bedeutete ihm diese "Doppelstrategie" seine ganz persönliche Mitarbeit bei der Verwirklichung des Reiches Gottes. Wobei dies bei ihm stets auch aus nationalpolitischen Interessen an einem christlichen Staat und an der wehrhaften Einigung des deutschen Volkes geschah. Eine Einschätzung, die sein Biograph Uwe Birnstein heute mit der wissenschaftlichen Kirchengeschichte weitgehend teilt.
"Dennoch: Die Menschenfischerei, die Wichern sich als Lebensziel gesetzt hatte, war erfolgreich gewesen. Unzählige Kinder waren aus der Verwahrlosung errettet und auf den rechten Weg gebracht worden; die Dienste der 'diakonischen' Brüder im In- und Ausland förderten soziale Projekte, die ohne sie nie zustande gekommen wären. Überall im Lande haben sich Vereine zur Inneren Mission gegründet und mit ihrer Arbeit begonnen."
Sonst jedoch gibt es manches, wofür Wichern durchaus nicht "mit guten Gründen zu ehren" ist, wie Birnstein schreibt. So ist zum Beispiel sein böswilliger kirchlicher Antijudaismus und politischer Antisemitismus in einem einzigen Satz erwähnt; da wird sein törichter Antikommunismus quasi interpretiert als früher Vorbote für das notwendige Scheitern der sozialistischen Idee; da wird kaum Kritisches gesagt zu Wicherns kleinlauten Untertanengeist, der ihn das Scheitern seiner Gefängnisreform hinnehmen lässt. Und selbst bei Wicherns letztem Projekt der sogenannten Felddiakonie geht man mit ihm als Vertreter einer völkisch begründeten Kriegstheologie recht schonungsvoll um, obwohl es bei ihm heißt:
"Gott will auch durch den kriegerischen Weg der Volksgeschichte die Fußstapfen des Lebensfürsten offenbaren, der die Macht und die Herrlichkeit hat, am letzten Ende alles Recht und alle Gerechtigkeit ans Licht zu bringen. 'Hier eine kleine Kürzung!' Der Krieg ist keine Mordanstalt, wofür ihn manche in falscher Sentimentalität oder in mangelhafter Erkenntnis über Recht und Bedeutung der Obrigkeit im Leben des Volkes halten. Der Krieg verwandelt sich dann vielmehr in eine große, öffentliche Gerichtsstätte, wo in der Schlacht oder in einer Kette von Schlachten das Leben zweier oder mehrerer Völker miteinander ringt, und zwar zur Verteidigung, Gewinnung oder Bewahrung jener idealsten Lebensgüter."
So geschrieben nach den Kriegen Dänemarks und Frankreichs gegen das Preußen Bismarcks – ebenfalls eines "persönlich Erweckten". Herausgekommen bei "Der Erzieher" von Uwe Birnstein ist insgesamt eine detailreiche Sozialreportage, die spannend die Geschichte und die Geschichten der gutbürgerlichen Theologie und Kirche samt ihrer Beteiligung an den gesellschaftlichen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts erzählt. Dabei hätte es dem Text gut getan, wenn an Innigkeit und Frömmigkeit etwas gespart worden wäre zugunsten "aufgeklärter" Theologie und Politik. Aber das mag das Dilemma sein, wenn man Festschriften verfasst zum Leben und Wirkens eines Mannes, der vor allem eines war: ein idealistischer, frommer und einfacher Christenmensch. Als er am 7. April 1881 im Kreise seiner Familie gestorben war, öffnete seine Frau einen Umschlag mit der Aufschrift "Letzte Bestimmung". Da schreibt Wichern in den Worten eines einfachen aber getrosten Sünders:
"Wenn Gott es beschlossen hat, mich zu sich zu nehmen, so sollt Ihr, meine Lieben, wissen, dass mein einziges Gebet ist, dass ich selig werde, dass ich zu ihm komme und Frieden in Ihm finde. Ich habe mich zu Ihm immer bekannt, aber in großer Schwachheit. Er wird mir aber meine Sünden vergeben, darauf geht all meine Hoffnung um Seiner Liebe und Liebestat willen, um Seines auch für mich vergossenen Blutes willen. Er wolle mich dort mit allen, die ich lieb gehabt, vereinen."
Uwe Birnstein: Der Erzieher. Wie Johann Hinrich Wichern Kinder und Kirche retten wollte
Wichern-Verlag Berlin 2008
Mit diesem Wichern-Zitat beginnt der Theologe und Schriftsteller Uwe Birnstein seine Festschrift, die zu seinem 200. Geburtstag den "Kirchenvater der Diakonie" ehren will. Das Zitat ist das Motto für zwei aufeinander bezogene Publikationen, nämlich die 120-Seiten-Monographie "Der Erzieher" und ein Hörbuch gleichen Titels von 75 Minuten.
"Da rüttelt ein frommer Mann aus einfachem Hause die evangelische Kirche dermaßen durch, dass die Auswirkungen noch heute zu spüren sind. Johann Hinrich Wichern las der behäbigen und selbstgerechten Kirche seiner Zeit die Leviten, bis sie endlich einsah: Liebe ist nicht nur ein Wort, sondern auch Tat. Selbstverständlich ist das bis heute nicht. – Wer war dieser Mann, der den Mut zur ersten kleinen Tat aufbrachte und so Großes auslöste?"
Dieser Mann war ein reformerisch gesonnener Kirchenmann. Dazu Erzieher und Ehemann, Theologe und "erweckter" Christenmensch, tatkräftiger "christlicher Sozialist" und staatlich-preußischer Funktionär. Vor allem aber war er ein Helfer aus Liebe, der sich der Opfer des rasanten gesellschaftlichen Umbruchs annahm, der die industrielle und weltanschauliche Revolution begleitete. Das waren vor allem Arbeiter und Arbeitslose, Arme und Gefangene – und immer wieder und vor allem verwaiste, verkommene, verlogene und vergewaltigte Kinder. Sie alle sollten "gerettet" werden. Schon der frisch examinierte junge Theologe weiß, dass er mit seinem Feldzug gegen die Armut in die gottfernen proletarischen Stadtviertel Hamburgs mit ihren Elendswohnungen vordringen muss. Er berichtet:
"Ich bitte, mir im Geiste in diese Wohnungen zu folgen In der Tür gerade an wohnt eine Frau, die als Kind mit Mutter und Geschwistern bei Nacht von dem trunkfälligen Vater auf die Straße getrieben zu werden pflegte. Als die Eltern gestorben waren, verehelichte sie sich und wurde Mutter von einem Sohn, der jetzt, etwa 17 Jahre alt, tagaus tagein Lumpen und Knochen sammelt. Nach dem Tode des ersten Mannes trat die Frau in eine wilde Ehe mit einem anderen Mann."
Hier wie an manchen anderen Stellen des Birnstein-Buches gelingt es dem Autor, durch geschickte Zusammenfassungen und Kürzungen der diversen Aufzeichnungen und Notizen des jungen Theologen eine Art dramatischer Sozialreportage entstehen zu lassen, die in ihrer Fassungslosigkeit durchaus "modern" anmutet und die 200 Jahre leicht überspielt.
"Entsetzlich arme Mütter trifft er, die neben ihren eigenen Kindern noch für ein wenig Geld andere Kinder an die Brust nehmen. Familien, die hungrig und frierend zu Bett gehen müssen. Trunksüchtige Väter, die ihren Kindern fürchterliche Prügel verabreichen und sie missbrauchen. Kinder, die von ihren Eltern zum Betteln oder zum Klauen geschickt werden. Familienmütter, die sich prostituieren. Auf engstem Raum lebende Fischfrauen und Lumpensammler, Zimmer, in denen alles voll Schmutz und Kot ist. Dazu furchtbare Ehebrecherei, lügende Kinder und Erwachsene, kranke und geistig verwirrte Menschen. Der frisch examinierte Theologe ist bestürzt. Mag es alles richtig und gut sein, was da Sonntag für Sonntag in den Kirchen Hamburgs gepredigt wird – an diesen Orten der Armut sind Kirche und Glaube jedoch nicht anzutreffen."
Damals, noch vor der Mitte des 19. Jahrhunderts, meint der erweckte Christ zu wissen, wie den Nöten der Elenden und Verelendeten beizukommen sei: "Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen" heißt die vorgesehene erste größere Rettungsaktion. Aber es klingt dabei durchaus zynisch, wenn Wichern behauptet, "die ärmere Menschenmenge bedürfe vor allem der kräftigen Stütze der Religion, um ihr Schicksal mit Ergebung zu tragen." Und der eigentliche Gegner ist schnell ausgemacht: "das immer zunehmende Sittenverderbnis des Volks". Oder im Klartext: Wenn der Glaube sich in den sittlichen Geboten vermittelt, könne er den Armen dazu bringen, sich seinen Unterhalt wieder selbst zu verdienen. Denn Arbeit wehre ja dem Müßiggang; und – wie sprichwörtlich bekannt – Müßiggang sei eben aller Laster Anfang.
Wichern hat – früh Halbwaise geworden -in seiner Jugend selbst Armut kennengelernt. Er hat an seiner frommen Mutter aber auch gesehen, wie die Not in lebendigem Glauben ertragen werden kann. Beide Erfahrungen haben sein durchaus einfaches Leben bestimmt. Zum einen war er ganz persönlich hoch motiviert, den Armen und Elenden zu helfen; zum zweiten jedoch wusste er – auch selbst von der persönlichen Erweckung bestimmt -, dass alle materielle Hilfe, so nötig sie auch sei, doch unzulänglich bleibt, wenn dem Armen und Notleidenden nicht auch innerlich geholfen wird. Theologisch bedeutete ihm diese "Doppelstrategie" seine ganz persönliche Mitarbeit bei der Verwirklichung des Reiches Gottes. Wobei dies bei ihm stets auch aus nationalpolitischen Interessen an einem christlichen Staat und an der wehrhaften Einigung des deutschen Volkes geschah. Eine Einschätzung, die sein Biograph Uwe Birnstein heute mit der wissenschaftlichen Kirchengeschichte weitgehend teilt.
"Dennoch: Die Menschenfischerei, die Wichern sich als Lebensziel gesetzt hatte, war erfolgreich gewesen. Unzählige Kinder waren aus der Verwahrlosung errettet und auf den rechten Weg gebracht worden; die Dienste der 'diakonischen' Brüder im In- und Ausland förderten soziale Projekte, die ohne sie nie zustande gekommen wären. Überall im Lande haben sich Vereine zur Inneren Mission gegründet und mit ihrer Arbeit begonnen."
Sonst jedoch gibt es manches, wofür Wichern durchaus nicht "mit guten Gründen zu ehren" ist, wie Birnstein schreibt. So ist zum Beispiel sein böswilliger kirchlicher Antijudaismus und politischer Antisemitismus in einem einzigen Satz erwähnt; da wird sein törichter Antikommunismus quasi interpretiert als früher Vorbote für das notwendige Scheitern der sozialistischen Idee; da wird kaum Kritisches gesagt zu Wicherns kleinlauten Untertanengeist, der ihn das Scheitern seiner Gefängnisreform hinnehmen lässt. Und selbst bei Wicherns letztem Projekt der sogenannten Felddiakonie geht man mit ihm als Vertreter einer völkisch begründeten Kriegstheologie recht schonungsvoll um, obwohl es bei ihm heißt:
"Gott will auch durch den kriegerischen Weg der Volksgeschichte die Fußstapfen des Lebensfürsten offenbaren, der die Macht und die Herrlichkeit hat, am letzten Ende alles Recht und alle Gerechtigkeit ans Licht zu bringen. 'Hier eine kleine Kürzung!' Der Krieg ist keine Mordanstalt, wofür ihn manche in falscher Sentimentalität oder in mangelhafter Erkenntnis über Recht und Bedeutung der Obrigkeit im Leben des Volkes halten. Der Krieg verwandelt sich dann vielmehr in eine große, öffentliche Gerichtsstätte, wo in der Schlacht oder in einer Kette von Schlachten das Leben zweier oder mehrerer Völker miteinander ringt, und zwar zur Verteidigung, Gewinnung oder Bewahrung jener idealsten Lebensgüter."
So geschrieben nach den Kriegen Dänemarks und Frankreichs gegen das Preußen Bismarcks – ebenfalls eines "persönlich Erweckten". Herausgekommen bei "Der Erzieher" von Uwe Birnstein ist insgesamt eine detailreiche Sozialreportage, die spannend die Geschichte und die Geschichten der gutbürgerlichen Theologie und Kirche samt ihrer Beteiligung an den gesellschaftlichen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts erzählt. Dabei hätte es dem Text gut getan, wenn an Innigkeit und Frömmigkeit etwas gespart worden wäre zugunsten "aufgeklärter" Theologie und Politik. Aber das mag das Dilemma sein, wenn man Festschriften verfasst zum Leben und Wirkens eines Mannes, der vor allem eines war: ein idealistischer, frommer und einfacher Christenmensch. Als er am 7. April 1881 im Kreise seiner Familie gestorben war, öffnete seine Frau einen Umschlag mit der Aufschrift "Letzte Bestimmung". Da schreibt Wichern in den Worten eines einfachen aber getrosten Sünders:
"Wenn Gott es beschlossen hat, mich zu sich zu nehmen, so sollt Ihr, meine Lieben, wissen, dass mein einziges Gebet ist, dass ich selig werde, dass ich zu ihm komme und Frieden in Ihm finde. Ich habe mich zu Ihm immer bekannt, aber in großer Schwachheit. Er wird mir aber meine Sünden vergeben, darauf geht all meine Hoffnung um Seiner Liebe und Liebestat willen, um Seines auch für mich vergossenen Blutes willen. Er wolle mich dort mit allen, die ich lieb gehabt, vereinen."
Uwe Birnstein: Der Erzieher. Wie Johann Hinrich Wichern Kinder und Kirche retten wollte
Wichern-Verlag Berlin 2008