Wohnen im Modul aus Holz
Jedes Jahr werden in Hamburg 9000 Wohnungen gebaut, auch weil der Senat darin ein Kernthema sieht und viel versucht: in Modulen zu bauen, Grundstücke nach Konzept zu vergeben, das Wohnen an der Hauptstraße attraktiv zu machen. Wunder aber sind nicht zu erwarten.
Unten vor der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung schaut Siegmund Chychla auf die Uhr. In zehn Minuten beginnt das Treffen in der Behörde, bei dem darüber beraten werden soll, wie der ohnehin schon hochgefahrene Wohnungsbau in der Hansestadt noch beschleunigt werden kann.
"Der Wohnungsmarkt ist extrem angespannt. Davon zeugen auch die Neuvermietungsmieten. Zurzeit muss man als Neubürger in Hamburg für eine neue Wohnung etwa 13 Euro pro Quadratmeter im Monat zahlen. Im Bestand sieht das etwas besser aus. Aber die Neuvermietungspreise – weil die Mietpreisbremse nicht greift – treiben, natürlich mit einer gewissen Verzögerung auch die Bestandsmieten nach oben."
Tausende Wohnungen vom Fließband möglich
Siegmund Chychla ist Chef des Mietervereins zu Hamburg. Er fordert mehr Anstrengungen von der Politik. Zwar werden Jahr für Jahr schon rund 9000 Wohnungen an der Elbe neu gebaut werden. Aber es würden, erklärt Chychla, auch jedes Jahre rund 20.000 Menschen nach Hamburg ziehen. Gehe man davon aus, dass sich durchschnittlich zwei Menschen eine Wohnung teilen, seien mehr 9000 neue Einheiten pro Jahr nötig. Ein Ansatz für den schnelleren Zubau und zur Dämpfung des Mietenanstiegs könne sein, auf Wohnblöcke in Modulbauweise zu setzen, erklärt Chychla:
"Modulbauweise ist einer der Wege, die dazu führen können, dass man jetzt die Wohnungsnot in Hamburg zu bekämpfen. Und ich frage mich, warum es so lange gedauert hat, bis man darauf gekommen ist, dass diese Art des Bauens dazu führen kann, dass man viel und schnell baut."
Bei der Modulbauweise werden ganze Wohnungen wie am Fließband produziert und dann, je nach Bedarf, drei, vier oder fünf Stockwerke hoch aufgestapelt.
Siegmund Chychla verabschiedet sich, muss in die Sitzung mit Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeld, die die Mitglieder des seit 2013 bestehenden so genannten "Bündnisses für das Wohnen" eingeladen hat.
Hamburg sucht systematisch nach seinen Freiflächen
Unterm Strich ist aber auch Siegmund Chychla überzeugt von der Hamburger Wohnungsbaupolitik. Die gehört seit 2011, seit dem Amtsantritt des jetzigen Bundesfinanzministers Olaf Scholz als Bürgermeister an der Elbe, zu den Kernthemen des Senats. Damit Jahr für Jahr rund 9000 Wohnungen entstehen, wurden auf ganz unterschiedlichen Ebenen Anstrengungen unternommen: erstens werden seit 2011 die freien Flächen der Stadt systematisch ausfindig gemacht. Zweitens wurde ein wohnungsbaufreundliches und mehrere hundert Millionen Euro teures Förderinstrumentarium entwickelt. Und drittens werden in Hamburg Gebäudekonzepte erprobt, die das Bauen beschleunigen.
Eines dieser Konzepte ist die von Siegmund Chychla angesprochene Modulbauweise. Zu besichtigen ist sie in direkter Nachbarschaft der Stadtentwicklungsbehörde: das Projekt "Woodie", sieben Stockwerke hoch, wurde in Rekordzeit errichtet, erzählt Torsten Rieckmann und öffnet die Tür zur Musterwohnung im Gebäude:
"Der Eindruck, der sich ergibt beim Betreten ist von Innen genau wie von außen: wir bewegen uns hier komplett in Holz. Wir haben 12,5 Zentimeter Holzdecken und Holzwände um uns herum. Das Modul hat ein Gewicht von neun Tonnen inklusive der Möblierung. Ist angeliefert worden per LKW und dann per Telekran auf aufeinandergestapelt worden. Wir sind hier im siebengeschossigen Bereich."
Studentenwohnheime im Schnellbauverfahren
15 Monate Bauzeit waren nötig, um das Studentenwohnheim aus Holz zu errichten, erzählt Torsten Rieckmann. Zwei Jahre würde es dagegen dauern, einen vergleichbaren Wohnkomplex in konventioneller Bauweise zu realisieren. Die Baukosten seien allerdings nicht niedriger. Und wirklich günstig sind die Wohnungen auch nicht: für 21 Quadratmeter zahlt David Hoffmann, immerhin inklusive Internetanschluss, Nebenkosten, Strom und Wärme, über 500 Euro.
Günstiger soll das Wohnen in den so genannten "Systemhäusern" der SAGA, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft werden. Im obersten Stockwerk der Stadtentwicklungsbehörde, mit Blick über Hamburg-Wilhelmsburg, erklärt Senatorin Dorothee Stapelfeld:
"‘SAGA-Systemhaus‘ heißt, dass die SAGA ein Systemhaus entwickelt hat für beispielsweise Zeilen- und Blockrandbebauung. Mit erheblichen Varianzen, so dass man tatsächlich zu kostengünstigem Bauen auch kommen kann."
Hamburger Drittelmix
Die "Systemhäuser" soll es in 40 unterschiedlichen Varianten geben. Der Vorteil: Für diese Bauten gibt es eine Art General-Baugenehmigung. Die Statik, Fluchtwege, Lüftungskonzepte und der Brandschutz wurden ein einziges Mal für alle erdenklichen Bauvarianten der Systemhäuser durchgeprüft. In Zukunft können auf diese Weise langwierige Prüfungen durch die Bauämter entfallen. Der Quadratmeterpreis soll bei acht Euro liegen.
Damit nicht nur mehr, sondern vor allem auch bezahlbarer Wohnraum entsteht, wurde mit dem "Bündnis für das Wohnen" schon 2013 von allen Beteiligten der "Vertrag für Hamburg" unterzeichnet. Vereinbart wurde der so genannte "Drittelmix": ein Drittel der Neubauten entstehen als öffentlich geförderte, besonders günstige Wohnungen werden, ein Drittel als privat finanzierte Mietwohnungen und ein Drittel als Eigentumswohnungen. Nicht nur die Wohnungs- und Bauwirtschaft und der Mieterverein sind in das Bündnis eingebunden, sondern auch die Verwaltungen der Bezirke, erklärt die Leiterin des Amtes für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung Karin Siebeck:
"Es ist ganz schnell klar geworden, dass wir die Bezirke mitnehmen müssen. So ist der Vertrag für Hamburg entstanden. Das heißt, wir haben den nächsten Kooperationspartner, der für Genehmigungszahlen, für die Bauplanung, für die Baugenehmigungen zuständig ist, eben gewonnen worden."
Unter anderem dadurch, dass die Bauämter der Bezirke Prämien für jede erteilte Baugenehmigung bekommen und so neues Personal einstellen können.
Hamburg vergibt Grundstücke nicht mehr zum Höchstgebot
Zum Instrumentarium der Stadt für den Bau vieler neuer Wohnungen gehört auch die 2013 gegründete Investitions- und Förderbank der Hansestadt. Die Bank berät Investoren und Bauherren, vergibt zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse. Dazu gehört auch, dass die Stadt ihre eigenen Flächen oft nicht mehr nach dem Höchstgebot vergibt, sondern anhand des Konzepts des geplanten Bauprojekts entscheidet:
"Statt des Preises muss das Konzept, also das soziale Konzept, das Energieeffizienzkonzept, das städtebauliche Konzept, eine Mischung aus diesen Sachen ausschlaggebend sein für die Vergabe dieses Grundstücks. Wie gesagt sind wir im Moment in der Verpflichtung, Konzeptausschreibungen für 2000 Wohnungen pro Jahr zu machen. Das halten wir ein!"
Und die Grundstückspreise liegen bei diesen Konzeptausschreibungen im sozialen Wohnungsbau bei 600 Euro pro Quadratmeter, erklärt Karin Siebeck. Auf dem freien Grundstücksmarkt liegt dieser Preis bei durchschnittlich 1100 Euro. Ein erster guter Schritt hin zu günstigem Wohnraum sei das, findet Andreas Breitner, der Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen. Der Verband vertritt die Interessen von über 300 Wohnungsgenossenschaften, von kommunalen und sozialorientierten privaten Wohnungsunternehmen und eigentlich, so Breitner, müsse die Stadt diesen Playern auf dem Wohnungsmarkt noch mehr entgegen kommen:
"Das ist dann ja eher der Finanzsenator, der das Portemonnaie aufmacht und sagt: ‚Her mit der Kohle! Die Grundstücke sind wertvoll und dafür will ich auch einen entsprechenden Wert haben!‘ Aber da muss man sich mal genau angucken, was die Menschen, also die Investoren mit den Grundstücken machen. Und da ist es eben ein Unterschied, ob man eine Projektentwicklung dort vollzieht und nachher Eigentumswohnanlagen entstehen lässt und für teures Geld die Eigentumswohnungen verkauft oder ob man mit Niedrigmieten über 50 Jahre dort Menschen bezahlbaren Wohnraum schafft."
Trotz Neubau viel weniger Sozialwohnungen
Insgesamt gibt die Stadt für die jährlich entstehenden 3000 Wohnungen mit Sozialbindung in den nächsten 15 Jahren etwa 245 Millionen Euro aus, der Bund steuert in diesem Jahr 32 Millionen dazu, im kommenden Jahr noch 18 Millionen Euro.
Wichtig sind die staatlichen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau vor allem deshalb, weil im Laufe der Jahre bei immer mehr Wohnungen die Sozialbindungen ausgelaufen sind. Gab es Mitte der Achtzigerjahre noch über 350.000 Sozialwohnungen, sind es heute nur rund 80.000. Mittlerweile konnte aber das Schrumpfen dieses Wohnsektors gestoppt werden, erklärt Karin Siebeck vom Hamburger Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung. Und ab 2019 soll, so ist es im "Bündnis für das Wohnen" vereinbart worden, die Sozialbindung nicht mehr im Schnitt 15, sondern 20 Jahre betragen. Und auch nach dieser Zeit würde zumindest ein Teil dieser Sozialwohnungen auch weiterhin günstig bleiben, erklärt auch Andreas Breitner:
"Was oft dann als Risiko, Gefahr, als große Bedrohung an die Wand geschrieben wird – 10.000, 20.000, 30.000 Wohnungen fallen aus der Bindung – ‚Oh Gott, wie schrecklich! Was soll bloß passieren?‘ Da kann ich Entwarnung geben. Die meisten der Wohnungen sind bei unseren Mitgliedsunternehmen, bei den Genossenschaften und beim kommunalen Wohnungsunternehmen, der SAGA-Unternehmensgruppe. Und die erhöhen die Mieten ja gar nicht. Die Mieten werden nicht nach oben auf Teufel komm‘ raus. Und insofern können die Mieterinnen und Mieter sehr sicher sein, dass sie weiter bezahlbar wohnen können!"
Grünflachen am Hamburger Stadtrand sollen nicht bebaut werden
Ohnehin wird die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA in Zukunft regelmäßig Wohnraum mit einer Sozialbindung von 30 Jahren bauen. Gebremst werden soll der Mietenanstieg im frei finanzierten Hamburger Mietwohnungsmarkt auch durch die Absenkung der so genannten Kappungsgrenze. Innerhalb von drei Jahren, das entschied der Hamburger Senat im Sommer, darf die Miete nicht mehr um 20, sondern nur noch um 15 Prozent angehoben werden. Mit 10.000 Baugenehmigungen und immerhin rund 8000 jährlich fertiggestellten Wohnungen, wird die Suche nach geeigneten Neubau- oder Nachverdichtungsflächen mittlerweile schwieriger. Auf den großen Arealen wie den so genannten "Kolbenhöfen" oder dem stillgelegte Güterbahnhof in Hamburg-Altona sind Wohnsiedlungen schon im Bau oder bereits fertig. Die Grünflächen in und an den Rändern der Stadt sollen unangetastet bleiben. Also geht es für die Planer in den Bezirksämtern darum, Flächen ausfindig zu machen, die schwieriger zu erschließen sind. Wo die liegen könnten, zeigt Marco Tschubel auf der großen Wandkarte in seinem Büro im Technischen Rathaus von Hamburg-Altona:
"Wir haben zwei Fokusräume. Das ist einmal die B431, die erstreckt sich, wenn man es mal ganz salopp sagt von der Stadtgrenze in Wedel bis zur A7, würde ich mal sagen. Und die Luruper Chaussee und die Luruper Hauptstraße bis nach Schenefeld hoch. Das ist hier oben eine Achse."
Mehr Menschen sollen an Hauptverkehrsstraßen ziehen
Tschubel untersucht in einem Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, wie vor allem mehrgeschossiger Wohnungsbau an diesen beiden kilometerlangen Magistralen verwirklicht werden kann. Bisher gibt es dort noch zahlreiche Baulücken, Einfamilienhäuser, Gewerbeflächen und es ist vor allem die zersplitterte Eigentümerstruktur, die größeren Projekten entlang der Ausfallstraßen im Wege stehen. Tschubels Vorgesetzter Frank Conrad ist trotz dieser Schwierigkeiten vom Potential der Magistralen-Idee überzeugt:
"Wenn mehr Menschen an den Hauptverkehrsstraßen wohnen, dann wird sich mit Sicherheit auch die Versorgung verbessern. Ärzte werden sich ansiedeln, Einkaufsläden werden sich ansiedeln. Es gibt die Möglichkeit, dass sich kleine, inhabergeführte Geschäfte ansiedeln können, die das jetzt im Moment nicht können, weil schlicht die Dichte der Menschen das nicht hergibt. Alles das, was an den Innenstadtlagen so schätzt wollen wir auch in den Bereich der Ausfallstraßen bringen. Ich glaube, es hat eine Reihe von Vorteilen. Und bevor wir auf der grünen Wiese bauen, wollen wir lieber so bauen!"
Mieterbund will Zweckentfremdung beenden
Wie viele Wohnungen an den Magistralen entstehen könnten, will Frank Conrad nicht genau beziffern. Allein an den beiden bisher ins Visier genommenen Straßenzügen liege das Wohnungspotential aber im deutlich fünfstelligen Bereich, schätzt Conrad.
Bevor an vielbefahrenen Straßen aber neue, verdichtete Quartiere entstehen, könnte, wenn es nach Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg geht, noch an anderer Stelle Wohnraum generiert werden. Dazu müsste der Senat gegen die Zweckentfremdung von Wohnungen vorgehen, die oft als Büros oder Gewerbeflächen genutzt werden:
"Ich denke da an die guten und netten Adressen in Eppendorf und Winterhude, dass man dort – natürlich unter Berücksichtigung einer gewissen Übergangszeit – dafür Sorge trägt dass diese Räumlichkeiten dem Wohnen wieder zugeführt werden. Und wir schätzen, wenn man das umsetzen würde, könnte an gut 20.000 bis 30.000 Wohnungen wieder dem Wohnungen zuführen…"
… und zwar ganz ohne neu bauen zu müssen. Einen ersten Schritt gegen die Zweckentfremdung durch Wohnungsvermittlungsportale wie AirBnB soll Anfang 2019 in Hamburg getan werden. Wie in Berlin, Frankfurt und München sollen gewerbsmäßige Anmietungen mit einem Wohnraumschutzgesetz unterbunden werden. Der Senat schätzt, dass bis zu 7000 Wohnungen in Hamburg dadurch wieder regulären Mietern zur Verfügung stehen könnten.
Effeke des Wohnungsbaus
Bei allen Anstrengungen, die die Stadt Hamburg auf allen Ebenen, im Verbund mit städtischen Wohnungsbauunternehmen, mit Genossenschaften und freien Bauunternehmen unternimmt, steigen die Mieten und die Preise für Grundstücke nach wie vor. Welchen Effekt hat aber der massiv angekurbelte Wohnungsbau an der Elbe? Karin Siebeck, die Leiterin des Amtes für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung:
"Ich bin selbst Volkswirtin, ich bin empirisch ausgebildet. Ich kenne keine seriösen Modelle, mit denen man mathematisch, ökonomisch, ökonometrisch die Wirkung von Wohnungsbau auf Mieten rechnerisch abbilden könnte. Wir haben im Moment die Evaluierung der Mietpreisbremsenverordnung laufen, die wird im Herbst abgeschlossen sein. Dann werden wir Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit gehen. Da werden wir sehen, inwieweit wir da messbare Erfolge von der Mietpreisbremse haben oder auch keine Erfolge – wir werden es einfach sehen. Aber im Moment würde ich sagen: man kann es nicht messen."
Allerdings, das steht für Karin Siebeck wie für Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg fest: ohne die schon vor Jahren begonnenen Anstrengungen wäre die Wohnungsknappheit und der Mietenanstieg in Hamburg noch wesentlich größer.