Der Theaterregisseur und Dramaturg Oliver Reese, Jahrgang 1964, ist seit 2017 Intendant des Berliner Ensembles. Zuvor leitete er das Schauspiel Frankfurt. Seine künstlerische Karriere begann Reese nach dem Studium als Regieassistent an den Münchner Kammerspielen, dem Schauspielhaus Düsseldorf und am Bayerischen Staatsschauspiel, wo er 1989 Dramaturg wurde. 1994 bis 2001 war Oliver Reese Chefdramaturg am Maxim Gorki Theater Berlin und wechselte danach in gleicher Funktion ans Deutsche Theater.
Kunst ohne Schere im Kopf
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In der Kunst und im Theater soll jeder alles ausprobieren und in alle Rollen schlüpfen dürfen, findet Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles. Auch ein weißer Regisseur können einen großartigen Film über eine afro-amerikanische Familie drehen.
Das Thema Identität und Meinungsvielfalt begleitet das Programm von Deutschlandfunk Kultur. Vor kurzem äußerte die Autorin Thea Dorn Bedenken, dass "es eine sehr lautstarke, in Social Media extrem präsente Minderheit" geschafft habe, "auch große Medienhäuser – große Institutionen wie die New York Times – vor sich herzutreiben."
Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles, sieht das etwas anders: Es sei wichtig, dass Minderheiten auf sich und ihre Probleme aufmerksam machten und, wenn nötig, "scharf auf ihre Konflikte hinweisen".
Er betont: "Ich bin 56, ich schäme mich auch nicht dafür, dass ich ein heterosexueller weißer Mann bin – denn das bin ich nun mal." Als Intendant freue er sich jedoch darüber, dass in den zurückliegenden Jahren gerade auch von jungen Künstlerinnen und Künstlern, die sich unterrepräsentierten Gruppen zugehörig fühlten, viele Impulse gekommen seien.
Keine Öffnung ohne starken "Rabatz"
"Wir beobachten in der Theaterszene ganz konkret sehr viel mehr festangestellte Schauspielerinnen und Schauspieler mit einer körperlichen Einschränkung, mit einer Behinderung und sehr viel mehr diverse Ensembles", sagt Reese. "Und ich glaube nicht, dass das so einfach passiert wäre – eine ganz starke Öffnung der Schauspielschulen –, wenn es nicht Rabatz gegeben hätte."
Im Übrigen sei seine Auffassung: Im Theater und in der Kunst dürfe jeder alles ausprobieren und in Rollen schlüpfen, auch wenn er oder sie sich außerhalb des Theaters nicht einer bestimmten Gruppe zugehörig fühle.
Ein weißer Regisseur - ein afro-amerikanisches Thema
Für manche Gruppen sei dies ein Problem, räumt Reese ein. Er findet jedoch auch, man dürfe Kunst nicht "mit der Schere im Kopf" machen.
Als Beispiel nennt Reese "Waves", einen seiner Lieblingsfilme. Dieser erzählt die Geschichte einer afro-amerikanischen Familie. Der Regisseur Trey Edward Shults sei jedoch Weißer. "Und dennoch hat er diesen Film gemacht. Und ich glaube, es war gut, dass er diesen Film gemacht hat, denn er hat ihn großartig gemacht."
(mkn)
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