"Deutsch-Sein heißt, weltbürgerlich zu denken"
Man dürfe die Frage, was deutsch sei, nicht den Rechten überlassen, mahnt der Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer. Man solle den Rechten vielmehr erklären: Deutsch-Sein habe schon immer bedeutet, übernational zu denken.
In Zeiten verstärkter Einwanderung stellt sich auch für die Alteingesessen die Frage nach ihrer Identität neu. Insofern sei die Frage, was "deutsch" ist, derzeit "ganz wichtig", betont der Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer, ehemaliger Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und Autor des Buches "Was ist deutsch? Die Suche einer Nation nach sich selbst".
"Deutsch-Sein heißt übernational sein"
Im Deutschlandradio Kultur sagte Borchmeyer:
"Wenn man sich darum herumdrückt und immer nur sagt: mit dieser Frage will ich nichts zu tun haben, dann überlässt man dieses Feld den sogenannten Rechten."
Vielmehr müsse man den Rechten das Deutsch-Sein gewissermaßen wegnehmen und ihnen erklären:
"Deutsch-Sein heißt eigentlich übernational, heißt europäisch, heißt weltbürgerlich denken. So ist es nämlich in allen klassischen Definitionen des Deutsch-Seins der Fall gewesen."
Die deutsche Sprache kann verschiedene Identitäten in sich aufnehmen
Unter Berufung auf den deutsch-türkischen Schriftsteller Zafer Şenocak betont Borchmeyer, wie keine andere Sprache habe das Deutsche es vermocht, verschiedene Identitäten in sich aufzunehmen.
"Er sagt zum Beispiel: Die Deutschen haben viel mehr Orient in sich, als sie heute vielfach ahnen. Der Orientalismus ist eine Entdeckung der deutschen Wissenschaft gewesen."
Das habe es in dieser Art in anderen Ländern nicht gegeben.
"Das Deutschsein ist deshalb für Senocak so wichtig als Möglichkeit, eben auch für einen Einwanderer, vollkommen in diesem Deutschsein heimisch zu werden, ohne die Herkunftsidentität verleugnen zu müssen."
Allerdings könnten Einwanderer keine Identität mit dem neuen Land entwickeln, wenn sie in der Sprache des Landes nicht heimisch würden: Einwanderer müssten die Sprache des Landes wirklich gut beherrschen und dürften sie auch nicht mit der Herkunftssprache mischen, so Borchmeyer.
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