Idil Baydar zu NSU-2.0-Urteil

"Es geht um den Schutz aller Menschen"

07:18 Minuten
Die Kabarettistin Idil Baydar trägt ein Helikopter-Mikrofon und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Racism is war".
Auch nachdem der Täter verurteilt wurde, fühlt sie sich nicht sicher: Die Kabarettistin Idil Baydar bekam Drohschreiben vom NSU 2.0. . © picture alliance / dpa / Thalia Engel
Idil Baydar im Gespräch mit Vladimir Balzer · 17.11.2022
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Die Kabarettistin Idil Baydar denkt nicht, dass die mit dem Kürzel NSU 2.0 verschickten Hassmails von einem Einzeltäter stammen. Sie selbst war davon betroffen und fordert ein umfassendes Vorgehen gegen rechte Netzwerke.
Per E-Mail, Fax und SMS verbreitete er Todesdrohungen, Gewaltfantasien und rassistische Beleidigungen. Immer unterzeichnet mit dem Kürzel NSU 2.0, angelehnt an die Terrorgruppe, die sich selbst Nationalsozialistischer Untergrund nannte und zehn Morde beging.
Wegen der Drohschreiben wurde Alexander M. zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Adressaten der Drohungen waren unter anderem die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die Linken-Politikerin Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar. Für sie kann das Urteil nur ein Anfang sein. "Es geht hier nicht um einen Einzeltäter", sagt sie. Hinter den Taten steckten Netzwerke, womöglich mithilfe der Polizei.
"Unsere Adressen sind im Internet, die wurden weitergegeben, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von der Polizei. Dass da nicht wirklich nachgeforscht wird, ist für mich eine Farce", sagt Baydar.

Kein Name am Klingelschild

Richtig sicher fühlt sich die Kabarettistin auch nach dem Urteil nicht: "Ich lebe in einer sehr angespannten Situation. Und auch für meine Familie ist das schwierig."
Sie kann ihren Namen nicht ans Klingelschild machen, die Polizei hat sie informiert, dass sie auf verschiedenen Todeslisten steht. "Ich lebe permanent in dieser Bedrohung, dass mir irgendetwas passieren könnte", sagt Baydar.
Ein Mann mit einem verpixelten Gesicht steht in einem Gerichtssaal, neben ihm ein Strafverteidiger und ein Polizist.
Der Angeklagte wurde wegen der NSU 2.0-Drohschreiben zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.© picture alliance / dpa / dpa-pool / Andreas Arnold
Das jetzt wieder, wie nach dem ersten NSU und den Morden von Hanau, die Hintergründe nicht aufgeklärt wurden, sei eine Katastrophe. "Mir geht es darum, dass wir die Netzwerke ausheben und dass wir es unmöglich machen, dass das wieder passieren kann", sagt Baydar.

Es geht um den Schutz aller Menschen

Um Licht in das Dunkel zu bringen, seien Polizei, Parlament und Staatsanwaltschaften gefordert, sagt Baydar: "Alle Instanzen müssen hochaktiv werden und miteinander arbeiten."
Dass die vergleichsweise hohe Haftstrafe für Alexander M. abschreckend wirke, glaubt die Kabarettistin nicht. Jetzt gehe jemand ins Gefängnis und dann komme der Nächste, der wieder Leute bedrohe. "Vielleicht bin ich diesmal nicht dabei. Aber dann ist das jemand anders. Es geht hier um den Schutz von allen Menschen", sagt Baydar.
(beb)

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