"If it’s not fun, it’s not Scientology!"

von Arno Orzessek |
Die Scientology Church will ihre signifikante Erfolglosigkeit in Deutschland mit großer Geste beheben. Bei der Eröffnung schwenkten Tausende gut gekleidete, oft junge, lachende Leute aus allen möglichen Staaten ihre Landesfahnen, als wäre die Fußballweltmeisterschaft nie abgepfiffen worden.
"If it’s not fun, it’s not Scientology!” – Wenn es keinen Spaß macht, ist es nicht Scientology! – hat Diana Hubbard behauptet, die Tochter des Scientology-Gründers Ron Hubbard.

Wendet man Diana Hubbards verblüffenden Maßstab auf die Eröffnungsparty an, steht fest: Ja! es war Scientology, und zwar vom Feinsten. Tausende gut gekleidete, oft junge, oft lachende Thetanen und Clears aus allen möglichen Staaten schwenkten ihre Landesfahnen, als wäre die Fußballweltmeisterschaft nie abgepfiffen worden.

Das Partyvolk ließ Luftballons fliegen; es applaudierte dem scientologischen Posaunenchor, zeigte sich nach dem Einschreiten der Polizei diszipliniert beim Räumen von Fahr- und Gehwegen und bescherte der bestens präparierten Currystation 36 einen Umsatzrekord wohl für die Ewigkeit.

Es fiel auf, dass noch vor Schweizern und Italienern die Israelis die besten Scientologen im Sinne der Diana Hubbardschen Spaß-Doktrin waren.

Während das gelb geschmückte Gebäude mit dem achtschenkeligen, phantasy-mäßigen Kreuz vor Menschen barst und die Wartezeit draußen in die Stunden ging, sangen die Israelis unter ihren Davidsstern-Fahnen immer lauter, exaltierter, verklärter "Hewenu shalom alejchem" – die deutsche Version heißt "Wir wollen Frieden für alle".

Zur Erinnerung: Es waren amerikanische Scientologen, darunter die einschlägigen Hollywoodstars, die 1996/97 mit Anzeigen in der "Washington Post", der "New York Times" und der "International Harald Tribune" Deutschland vorgeworfen haben, erneut eine Holocaust-Atmosphäre zu schaffen – eben in der Verfolgung der Psycho-Sekte.

Und jetzt standen da diese vielen israelischen Anhänger, in der Mehrheit Frauen, und sangen: Hewenu shalom alejchem!

Es sei dahingestellt, inwiefern der Friedenschor eine Inszenierung war, inwiefern überhaupt diese bunte Vielvölkerei an der Otto-Suhr-Allee ihren Spaß auch auf höheren Wunsch gepflegt hat oder nicht. Bei den Eröffnungen der Scientology-Zentralen in London und Madrid jedenfalls soll es noch weit rauschender zugegangen sein.

Sicher ist, dass die Scientology Church ihre signifikante Erfolglosigkeit in Deutschland mit großer Geste beheben will. Den gegenwärtig vielleicht zwei-, dreihundert Berliner Scientologen, möglicherweise ein paar mehr, wurde dieser Klotz von Gebäude natürlich nicht allein hingestellt.

Und damit beginnt erneut das Rätselraten. Was kann die obskure Organisation, die vom Arkanum lebt, vom inneren Geheimnis, von der dunklen Zone, hierzulande tatsächlich ausrichten? Was kann sie gesellschaftspolitisch? Und wie kriminell ist von Fall zu Fall die Repression gegen die eigenen Mitglieder?

Zwei Reaktionen zeigen, dass Berlin mit dem neuen Aktivisten in der Lobby- und Rattenfänger-Landschaft wenig anzufangen weiß.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, als Foulspieler von Berufs wegen grandios hemmungslos, unterstellt dem rot-roten Senat, mit der "Beliebigkeit in Wertefragen" Scientology erst angelockt zu haben.

Großer Gott, Pofalla! möchte man lachen – war denn Berlin unter Eberhard Diepgen wenigstens ein Promille moralischer? Liegt die Deutschland-Zentrale der Scientologen nicht immer noch in Bayern? Glaubt irgendjemand, die Hauptstadt der transzendentalen Obdachlosigkeit sei von Senats wegen frommer zu machen oder wenigstens Scientology-resistenter?

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse wird aus aktuellem Anlass mit der Warnung zitiert, Scientology sei ein "strategisch handelndes Wirtschaftsunternehmen, dessen Ziel es ist, Macht über Menschen zu gewinnen und dabei Geld zu verdienen".

Aber welcher Bundesligaclub, welcher Tabakkonzern wäre nicht genau das?

Scientology übt, global gesehen, erhebliche Anziehungskraft aus. Trotzdem dürfte die Unterwanderung des Verfassungsstaats Deutschland dann doch extrem weit über das Vermögen der Dianetiker gehen.

Es steht vielmehr zu befürchten, dass sich die eigentlichen Dramen auch in Berlin auf der Ebene des Fußvolks abspielen werden. Fast immer waren es untere Chargen, die an Scientology ihr Glück, ihr Guthaben, ihre Familie oder ihre Gesundheit verloren.

Das ist traurig – und als Gegenmittel bleibt nichts anderes als unerbittliche Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen von Scientology.

Was die singende Feiergemeinde und überhaupt die ganze Winkelementparade an der Otto-Suhr-Allee angeht, bleibt zu sagen: In ihrem Sinne haben das die Scientologen fein hinbekommen. Niemand dort sah aus, als müsse er aus den Fesseln der selbsternannten Kirche befreit werden. Nahe gelegt wurde vielmehr, sich Scientology als lustigen Club von Globetrotter vorzustellen.

Wenn allerdings die auswärtigen Gäste weg sind – wird dann das Riesengebäude etwas anders sein als eine hohle Nuss? Vielleicht hat die Scientology Church Deutschland ihren besten Tag hinter sich.