Die Gefahren des vernetzten Lebens
Die IFA ist die Trendschau der Technik-Branche. Hier erfährt man, wie man die Waschmaschine per Smartphone startet und Kinofilme ins Badezimmer streamt. Doch brauchen wir das überhaupt? Unser Autor ist sich da nicht so sicher.
Wer sich wie ich für Technik begeistern kann, für den ist ein Besuch auf der IFA ein wahres Fest. Nirgendwo sonst bekommt man so viele neue Geräte und Gadgets auf einen Schlag geboten: Smartwatches, Curved-TVs, Streaming Devices, Tablets. Es gibt so viel zu sehen – ein Faible für englische Begriffe sollte man aber schon mitbringen.
Beispiel: Curved-TVs. Die Fernseh-Hersteller drehen jetzt ganz offiziell krumme Dinger. Nachdem die Glotze jahrelang immer flacher werden musste, wollen sie uns jetzt geschwungene Fernseher andrehen. Motto: Krumm ist das neue Flat. Weil Fernseher im Wohnzimmer ja unbedingt immer größer werden müssen, haben sich die Hersteller gedacht: Wenn wir sie ein wenig an beiden Ecken krümmen, dann erhöht das die Bildqualität.
Von wegen. Um es klar zu sagen: Unter einem Meter Bildschirmdiagonale bringt eine Krümmung unter ergonomischen Gesichtspunkten rein gar nichts. Sinnvoll ist das erst bei riesigen Bildschirmen mit zwei Metern Diagonale und mehr. Firlefanz.
Gekrümmter Bildschirm - nichts als Firlefanz
Doch die Industrie hat noch mehr mit uns vor. Als nächstes soll 4K in unsere Wohnzimmer einziehen, auch Ultra-HD genannt. 4K bietet eine viermal höhere Auflösung als Full-HD. Die Bildqualität ist tatsächlich atemberaubend. Allerdings nur in der Theorie. Denn Filme in 4K-Auflösung gibt es bislang bestenfalls eine Handvoll zu kaufen. Die Fernsehsender denken nicht mal über 4K nach, die meisten sind noch mit HD beschäftigt. Zu Hause brauche ich so was erst mal nicht.
Auf dem Schreibtisch lass ich mir 4K schon eher gefallen, denn Computer können derart hoch aufgelöste Bilder liefern. Gestochen scharfe Schriften, kristallklare Spielegrafik, selbst Youtube kann schon 4K. Doch, auf dem Schreibtisch macht 4K Sinn.
Ein anderes Schlagwort ist Streaming. Musik, Radio, Fernsehen, Videos, Kinofilme. Kommt heute auf Wunsch alles als Stream nach Hause. Klappt aber nur, wenn man über eine ausreichend schnelle Datenleitung verfügt. Auf dem Land alles andere als selbstverständlich. Doch darüber spricht auf der IFA kaum jemand.
Hier wird auch gezeigt, wie sich die Streams komfortabel im ganzen Haus verteilen lassen, wie Musik ins Badezimmer und Kinofilme ins Wohn- oder Schlafzimmer gelangen. Ist alles praktisch, kostet aber eine Menge Geld. Und macht uns – das sei bei aller Begeisterung für die Vorteile auch mal gesagt –, total abhängig von Onlinediensten und Internet-Providern. Fällt einer der beiden aus, bleiben die Boxen stumm und der Monitor dunkel. Von den gesammelten Daten mal ganz zu schweigen.
Wenn das Netzwerk ausfällt, bleibt die Tür zu
Überhaupt, die vernetzte Wohnung. Da kann ich mit der Smartphone-App die Heizung steuern, das Licht kontrollieren und die Waschmaschine starten – auch wenn ich gar nicht zu Hause bin. So lässt sich Energie sparen, das ist unbestritten. Allerdings ist Technik auch immer anfällig. Apps haben Fehler. Akkus sind leer. Das Netzwerk fällt aus. Und schon kann man nicht mehr die Temperatur regeln, das Licht ausknipsen oder die Türe öffnen. Denkbare Pannen, die natürlich auf keiner Messe gezeigt werden.
Technischer Fortschritt ist was Feines und bedeutet oft mehr Komfort. Doch zu viel Technik – und das sagt Ihnen ein überzeugter Technikfan – bedeutet auch immer mehr Abhängigkeit. Jeder muss selbst entscheiden, wie abhängig er sein möchte. Die Frage ist nur: Können wir das überhaupt noch? Auf diese Frage gibt die IFA keine Antwort.