Studie zur Lesekompetenz

Viertklässler lesen deutlich schlechter als vor Corona

05:53 Minuten
Fotografie eines aufgeschlagenen Buches, das ein Kind in den Händen hält und darin liest.
Es habe sie überrascht, dass alle untersuchten Schülergruppen betroffen seien, erklärt Forscherin Nele McElvany. © unsplash / Johnny McClung
Nele McElvany im Gespräch mit Joachim Scholl · 16.03.2022
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Nach Schulschließungen und Homeschooling können Kinder in der vierten Klasse wesentlich schlechter lesen als vor der Pandemie, so das Ergebnis einer Studie zur Lesekompetenz. Es brauche ein krisenfesteres System, mahnt Studienleiterin Nele McElvany.
Dass die Corona-Pandemie die Jüngsten in unserer Gesellschaft mit am härtesten im alltäglichen Leben getroffen hat, ist nicht nur Eltern von Schulkindern längst klar.
Wie sich Maßnahmen wie Schulschließungen, Distanzunterricht, Wechselunterricht und Homeschooling konkret ausgewirkt haben, zeigt nun eine vergleichende Studie zur Lesekompetenz von Viertklässlern: Im Sommer 2021 hätten die Viertklässlerinnen und Viertklässler im Test im Mittel deutlich schwächere Lesekompetenzen gehabt als Kinder der gleichen Grundschulen in der Zeit vor Corona, fasst Nele McElvany das Ergebnis zusammen.
Sie ist Professorin und geschäftsführende Direktorin des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der Technischen Universität Dortmund. Dort wurde die IFS-Schulpanelstudie durchgeführt. Sie umfasse einen für Deutschland repräsentativen Datensatz, so McElvany.
Bereits im Jahr 2016 seien im Rahmen der Iglu-Studie, die repräsentativ für Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland ist, die Lesefähigkeiten untersucht worden. Der gleiche Test oder ähnliche Aufgaben seien dann 2021 noch einmal an denselben 116 Grundschulen eingesetzt worden. So könne man die mittleren Lesekompetenzen vor und etwas mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Coronapandemie vergleichen, so McElvany.

Alle Schülergruppen betroffen

Überrascht sei sie davon, wie stark der Abfall in der Lesekompetenz ist. „Die 20 Punkte, die wir hier als mittleren Abfall für alle Schülerinnen und Schüler haben, entsprechen in etwa einem halben Lernjahr. Das ist bezogen auf diese Zeit von etwas über einem Jahr coronabeschränkter Beschulung sehr, sehr massiv.“
Unerwartet sei auch, dass alle untersuchten Schülergruppen betroffen seien, erklärt McElvany. „Wir haben nicht nur mehr schwache und sehr schwache Lesende am Ende der Grundschulzeit, sondern wir haben auch weniger gute und sehr gute Lesende.“ Für manche Schülergruppen seien die Auswirkungen jedoch besonders stark: zum einen Kinder, die beispielsweise keinen Schreibtisch oder keine Internetverbindung zu Hause hätten; und zum anderen Kinder mit Migrationshintergrund.
Ein Grund sei, dass es durch Schulschließungen, Distanzunterricht, Wechselunterricht weniger Leseunterricht gegeben habe. „Und dann haben unsere Grundschulkinder mit den Herausforderungen in der Zeit sicher auch ein bisschen mehr zu kämpfen gehabt als vielleicht ältere Schülerinnen und Schüler.“
Mit digitalen Medien zu lernen, sei Kindern in der Grundschule ja weniger vertraut. „Und Grundschülerinnen und Grundschüler sind weniger geübt darin, selbstständig zu lernen.“

Forderung nach krisenfesterem Bildungssystem

Die Reaktion von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP), es dürfe keine flächendeckenden Schulschließungen mehr geben, hält McElvany allerdings nicht für zielführend.

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Da nicht absehbar sei, welche Krisen noch kommen können, plädiere sie dafür, das Bildungssystem und die Schülerinnen und Schüler krisenfester zu machen, so die Forscherin. An Grundschulen gehöre dazu, das Lernen mit digitalen Medien zu lehren und Schülerinnen und Schülern zu helfen, sich selbst besser zu organisieren, zu motivieren, Ziele zu setzen und diese zu überprüfen.
(abr)

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