IG Bergbau verlangt von Bundesregierung "großen Schritt", um Konjunktur zu stützen

Hubertus Schmoldt im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 05.01.2009
Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, hat von der Bundesregierung große Kraftanstrengungen verlangt, um die Konjunktur zu stützen. Es komme jetzt darauf an, dass die Regierung mit dem zweiten Konjunkturpaket einen "großen Schritt" mache, so Schmoldt.
Jörg Degenhardt: Während der Weihnachtsfeiertage haben wir kaum etwas von ihr gespürt, aber sie steht wohl unmittelbar vor der Tür: die Wirtschaftskrise. Heute und nächste Woche Montag beraten Union und SPD deswegen über ein zweites Paket zur Stützung der Konjunktur. Im Gespräch sind bis zu 40 Milliarden Euro für Investitionen in Schulen, Straßen und Breitbandnetze. Die Unionsparteien haben sich gestern Abend in Sachen Steuern darauf geeinigt, den Grundfreibetrag auf 8000 Euro anzuheben, die SPD möchte ihrerseits die Kassenbeiträge für Arbeitnehmer senken, um nur zwei Beispiele zu nennen. So hat jede Seite ihre ganz speziellen Vorstellungen und Wünsche. Das kann auch gar nicht anders sein, erst recht nicht in einem Wahljahr. Aber auch die Gewerkschaften schauen genau hin, schließlich geht es darum, im befürchteten Rezessionsjahr alles zu unternehmen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, auch im Bereich der chemischen Industrie etwa. Hubertus Schmoldt ist Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Schmoldt!

Hubertus Schmoldt: Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Wie schwarz sind denn die Wolken, die in Ihrer Branche aufziehen?

Schmoldt: Es ist natürlich eine ganz schwierige Situation, eine Situation, die wir so noch nie hatten und die ja nicht nur auf Deutschland begrenzt ist, sondern wir haben ein weltweites Problem. Und deshalb müssen wir alles unternehmen, damit die Arbeitsplätze in den Unternehmen erhalten bleiben. Das bedeutet, wir brauchen Überbrückungsmaßnahmen, damit in all den Unternehmen, in denen jetzt die Nachfrage fehlt, es nicht zu Entlassungen kommt.

Degenhardt: Ich möchte das noch ein bisschen präzisiert haben. Leiden Sie insbesondere unter der fehlenden Nachfrage aus der Autoindustrie und etwa der Bauwirtschaft?

Schmoldt: Es gibt drei Bereiche, Herr Degenhardt. Das eine ist natürlich die Automobilindustrie, die erfasst auch weite Bereiche der chemischen Industrie, der Kunststoff-, der Glasindustrie, der Kautschukindustrie. Es gibt eine nachlassende Nachfrage aus dem Baubereich, insbesondere in Europa. Und wir haben das Problem, dass in China, insbesondere in China, aber auch in Indien, die Nachfrage eingebrochen ist.

Degenhardt: Trotz dieser ungünstigen Symptome wollen ja die Unternehmen, jedenfalls haben sie das bekundet, ihre Stammbelegschaften halten. Glauben Sie daran?

Schmoldt: Was heißt, ob ich daran glaube? Ich hoffe, dass die Zusagen der Unternehmen belastbar sind. Das liegt ja auch in ihrem eigenen Interesse. Die Konjunktur wird wieder anziehen, keiner weiß im Moment, wann das in 2009 der Fall sein wird. Und da braucht man qualifizierte Fachkräfte. Und deshalb muss man die halten, und dazu hat auch die Bundesregierung eine Maßnahme ergriffen, nämlich die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes, und das ist ein kluger Zug, den sollten die Unternehmen dort, wo es Not tut, auch nutzen.

Degenhardt: Es gibt weitere Maßnahmen, die Berlin anpeilt. Eine aktuelle zum Beispiel, Bundesarbeitsminister Scholz will mit einem Bündnis für berufliche Qualifizierung einen krisenbedingten Anstieg der Arbeitslosenzahlen vermeiden. Der Staat müsse, sagt er, die Unternehmen unterstützen, die Ausbildungskosten mit übernehmen und einen Teil der Lohnkosten tragen. Ist das eine gute Idee?

Schmoldt: Das ist eine sehr gute Idee. Der Bundesarbeitsminister Scholz hat ja die Beteiligten aus Wirtschaft und Gewerkschaften zusammengerufen, um über solche einzelnen Schritte zu reden. Es geht in der Tat darum, in dieser Situation die Qualifikation der Beschäftigten zu erhalten, auch die Unternehmen weiter zu unterstützen und aufzufordern, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, also auch in der Krise die Qualifikation weiter nach vorne bringen, zu erhalten, Beschäftigtenabbau zu vermeiden und natürlich auch Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.

Degenhardt: Was erwarten Sie, Herr Schmoldt, überhaupt von den politisch Handelnden in Berlin? Wie können die mit einem weiteren Antikrisen-, mit einem weiteren Konjunkturpaket die Folgen dieser Krise mildern? Ein paar Vorschläge sind ja schon im Gespräch, sind ja auch eingangs von mir genannt worden.

Schmoldt: Ja, Herr Degenhardt, es kommt darauf an, dass die Bundesregierung jetzt deutlich macht, wir machen einen entscheidenden, einen großen Schritt, damit niemand mehr darüber spekulieren muss oder darf, ob es denn auch weitere Schritte gibt. Das ist ja auch der Fehler des ersten Konjunkturpaketes gewesen, weil jeder wusste, das wird nicht reichen. Die Bundesregierung selber hat ja dann auch relativ schnell gesagt, man wird im Januar erneut darüber reden, weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. Das hat zur Verunsicherung der Wirtschaft, der Verbraucher, also der Menschen in unserem Lande geführt. Das muss nun schleunigst beendet werden, und deshalb kommt es auf zwei ganz wesentliche Schritte an: Das eine ist, man muss kurzfristige Maßnahmen ergreifen, das heißt, man muss den Konsum unterstützen, und man muss mittel- und langfristige Maßnahmen unternehmen. Und dazu gehört natürlich auch eine Steuersenkung, insbesondere der sogenannte Mittelstandsbauch muss weg, der belastet die qualifizierten Fachkräfte, ist auch ungerecht im Steuerprogressionsverlauf. Und deshalb hoffe ich, dass die Koalitionsparteien in ihren Gesprächen diese drei wesentlichen Maßnahmen auch dann ergreifen und umsetzen werden.

Degenhardt: Aber es ist doch noch gar nicht klar, wie heftig diese Krise ausfallen wird. Kann man da jetzt schon wirklich wirksame, effektive Maßnahmen beschließen?

Schmoldt: Das Problem ist ja, dass keiner richtig mit dieser Krise umzugehen weiß, weil wir keine Vorlage dafür haben. Und deshalb muss man große Schritte tun, damit es eben nicht zu einer Verlängerung der Krise kommt, damit wir nicht tiefer in ein Loch von Rezession, Angst, Verunsicherung der Menschen fallen. Deshalb ist jeder Euro, der jetzt zügig ausgegeben wird, gut angelegt und belastet die nachfolgenden Generationen weniger, als wenn wir zuwarten.

Degenhardt: Gehören Sie eigentlich, Herr Schmoldt, zu den Pessimisten, die davon ausgehen, dass sich diese Krise ziehen wird, oder meinen Sie, es könnte vielleicht sogar noch in diesem Jahr wieder ein leichtes Wachstum geben?

Schmoldt: Ich gehe mal davon aus, dass es in diesem Jahr, zumindest zum Ende des Jahres, ein Anziehen der Konjunktur geben wird. Das, was uns am allerwenigsten hilft, sind diese Horrorszenarien, die viele der Sachverständigen, der sogenannten Wirtschaftsweisen, tagtäglich produzieren, das bringt uns nicht weiter. Die sind genauso schlau oder, mit Verlaub gesagt, genauso dumm wie wir, das ist im Wesentlichen Kaffeesatz-Leserei. Man muss eine gewisse Perspektive, muss eine Hoffnung auch den Menschen vermitteln, dazu müssen entsprechende Maßnahmen von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Die Unternehmen müssen ihren Teil dazu beitragen. Die Gewerkschaften haben ihre Tarifverträge flexibilisiert. Also wir hätten dann alles, was man braucht, um schnell wieder nach vorne zu kommen.

Degenhardt: Sagt Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie. Vielen Dank für das Gespräch!

Schmoldt: Ich bedanke mich auch!