Arbeitnehmer sollen nicht für VW-Krise zahlen
In der VW-Dieselaffäre geht die Belegschaft auf immer mehr Distanz zur Geschäftsleitung. Bei Audi etwa spricht der Betriebsrat von einem unternehmerischen Eigentor. Die IG Metall fürchtet massive Sparmaßnahmen und bringt sich gegen die Arbeitgeberseite in Stellung.
Belgien will Ökoprämien für VW-Diesel zurück, das deutsche Kraftfahrtbundesamt droht mit Stilllegung von VW-Fahrzeugen, die Kunden wissen nicht, ob sie noch Diesel-Autos kaufen sollen. Zulieferer zittern schon. Allein bei Bosch sollen es gut 15.000 Arbeitsplätze sein, die direkt von der Komponentenfertigung für Dieselmotoren abhängen. Sollte VW nun zu massiven Sparmaßnahmen greifen müssen, um die Kosten der Abgasmanipulationen in den Griff zu bekommen – die IG Metall will dazu nicht die Hand reichen. Ihr Vorsitzender Detlef Wetzel:
"VW ist in schwerem Fahrwasser. Das wird auch wirtschaftliche Konsequenzen haben für VW und auch die Zulieferbetriebe. Und wir sagen ganz deutlich: Wir zahlen nicht für eure Krise. Wir wollen die Folgen eurer kriminellen Machenschaften sozusagen nicht durch Arbeitsplatzabbau oder durch schlechte Löhne oder durch schlechte Arbeitsbedingungen bezahlen. Das ist eine ganz wichtige Feststellung. Das wird auch die Stoßrichtung der IG Metall in den nächsten Wochen sein."
Starke Mitbestimmung der Arbeitnehmer
VW ist ein stark mitbestimmtes Unternehmen. Die Hälfte der Aufsichtsräte entfällt auf die Arbeitnehmerbank – das ist Gesetz. Es ist bei VW aber nun so gekommen, dass derzeit auch der Aufsichtsratsvorsitz bei der IG Metall liegt, bei ihrem ehemaligen Vorsitzenden Berthold Huber, wenn auch nur interimistisch. Aber in einem Punkt ist VW doch stärker mitbestimmt als andere Unternehmen der Metallindustrie: Bei VW kann kein Werk geschlossen werden, ohne dass die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat zustimmt. Das ist der Kern der hier besonderen Mitbestimmung.
Aber eine Mitverantwortung der IG Metall für die aktuelle Krise leite sich daraus nicht ab, sagte Wetzel gestern Abend in Frankfurt. Der Aufsichtsrat entscheide über Investitionen, aber nicht darüber, welche Komponenten in einem Auto verbaut würden. Natürlich müssten sich alle Aufsichtsräte fragen, warum sie nichts gewusst haben. Aber eine Verantwortung der Arbeitnehmer gebe es nicht. Es sei nicht die Putzfrau oder der Bandarbeiter gewesen, der den Auftrag für die Manipulation der Motorsteuerung gegeben habe. Mehrfach wiederholte Wetzel:
"Wir sagen ganz deutlich: Wir zahlen nicht für eure Krise. Wir wollen die Folgen eurer kriminellen Machenschaften nicht bezahlen."
Die IG Metall sieht sich in der Autobranche "gut verankert". Nicht überall ist es so wie im VW-Werk in Zwickau, wo der Organisationsgrad bei 98 Prozent liegt. Aber immerhin 80 Prozent der Beschäftigten im Fahrzeugbau unterliegen der Tarifbindung, bei VW gar einem in der Regel mit besseren Konditionen ausgestatten Haustarifvertrag.
Tarifverträge auch bei Zeit- und Werkverträgen
Die starke Stellung der IG Metall bei VW wird auch darin deutlich, dass selbst Zeitarbeiter über eine hauseigene Firma, die AutoVision Zeitarbeit, rekrutiert werden. Prokura hat dort eine Frau, die früher die Personalentwicklung bei der IG Metall geleitet hat. Außerdem drängt die IG Metall schon seit Längerem durchaus mit Erfolg darauf, auch für Zeit- und Werkverträge Tarifverträge abzuschließen. Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, sagte dazu einmal:
"Die Arbeitgeber sollen nicht glauben, sie könnten durch Outsourcing widerstandslos Löhne und Arbeitsbedingungen absenken und sich der Zuständigkeit der IG Metall entziehen."
Wie es wirklich aussieht, wenn es Spitz auf Knopf steht, ist offen. Wenn es nicht mehr ausreicht, dass VW Investitionsprogramme streckt oder seine noch üppige Liquidität von knapp 30 Milliarden Euro reduziert hat. Kurzarbeit zur Weihnachtszeit bei VW können sich Analysten schon vorstellen.