Igort: "Berichte aus Japan. Ein Zeichner auf Wanderschaft"
Aus dem Italienischen von Myriam Alfano, Handlettering von Michael Hau
Reprodukt, Berlin 2018
184 Seiten, 24 Euro
Sanft geschwungene Landschaften und grausige Dämonen
05:07 Minuten
Für seine neuestes Buch reiste Igort durch Japan. Entstanden ist ein Reisetagebuch in Comic-Form, in dem sich der italienische Zeichner mit nostalgischem Blick auch den Ursprüngen der japanischen Kunst und Kultur nähert.
Im Japanischen bedeutet das Wort "kakimasu" zu schreiben und zu zeichnen. Jemand, der beides kann, ist der italienische Comiczeichner Igort, der gerade den Band "Berichte aus Japan. Ein Zeichner auf Wanderschaft" herausgebracht hat. Darin dokumentiert er seine Reise durch das Land und gleichzeitig eine mentale Reise durch dessen Kulturgeschichte. Er verbindet beide Techniken - das Schreiben und das Zeichnen - zu etwas ganz Eigenem.
Reisen durch Russland, Ukraine und Japan
Igort ist hierzulande in erster Linie bekannt für seine Reiseberichte in Comicform - politische Berichte aus Russland, aus der Ukraine oder eben aus Japan. In diesen Berichten verbindet er seine Zeichnungen mit längeren Texten auf liniertem, scheinbar vergilbten Papier; dazwischen einzelne Fotos. Diese Collagentechnik gibt dem Comic die Anmutung eines unterwegs in einer alten Kladde geführten Reisetagebuchs.
Natürlich ist die Reise durch Japan in der Kunst kein ganz neues Motiv mehr. Schon der Poet Basho schrieb seine Haikus im 17. Jahrhundert meist auf ausgedehnten Reisen durch das Land und es gibt unzählige Romane, in denen es ihm westliche, oft orientierungslose Figuren in Lebenskrisen gleichtun. Igort aber hat eine ganz spezielle Perspektive.
Als erster westlicher Comiczeichner durfte er in den 1990er Jahren für einen japanischen Manga-Verlag arbeiten und lebte sechs Jahre in Tokio. 2016 berichtete er in seinem ersten auf Deutsch erschienenen Japan-Band "Berichte aus Japan. Eine Reise ins Reich der Zeichen" von seinem harten Arbeitsalltag bei Kōdansha und stellte große Manga-ka vor, die er dort getroffen hatte. Jiro Taniguchi zum Beispiel, den inzwischen verstorbenen Autoren und Zeichner von Genreklassikern wie "Der spazierende Mann", dem der aktuelle Igort-Band gewidmet ist.
Ein nostalgischer Blick auf Japan
Wo Igort also in seinem ersten Japan-Bericht den großen Manga-ka ein Denkmal setzt, dringt er nun im Nachfolgeband noch weiter vor zu den Ursprüngen der Kunst. Zu japanischen Literaten wie Basho oder Kawabata Yasunari, dem Literaturnobelpreisträger von 1968. Zu traditionellen japanischen Papierherstellern. Für Igort, den leidenschaftlichen Leser und Zeichner seit frühesten Kindheitstagen, ist das eine sehr persönliche Angelegenheit, sein Blick auf Japan immer auch nostalgisch. Gerade darin unterscheidet er sich von den Lost-In-Translation-Ansätzen, die in der Begegnung mit dem Land der aufgehenden Sonne mit Vorliebe den culture clash, die Reizüberflutung hervorheben.
Übrigens handelt es sich bei "Berichte aus Japan. Ein Zeichner auf Wanderschaft" nicht um einen Manga. Obwohl Igorts Zeichnungen oft an Taniguchi denken lassen. Besonders seine Stadtansichten haben viel von Taniguchis detailliertem, filigranem Strich: Vorzeichnungen mit dem Bleistift, die er später mit Wasserfarben in warmen Tönen koloriert.
Jede Seite ist anders, virtuos, unvorhersehbar
Auch auf Dialoge verzichtet er in den meisten Panels. Stattdessen gibt es oft typische Reiseperspektiven: Breitformatige Bilder aus leicht erhöhten Ansichten - als würde man aus einem Zugfenster heraus sanft geschwungene Landschaften vorbeiziehen sehen. Auf der nächsten Seite wiederum imitiert Igort täuschend echt Darstellungen grausiger Dämonen aus dem japanischen Volksglauben, wie man sie von alten Holzstichen kennt. Jede Seite ist anders, virtuos, unvorhersehbar. Eine Wundertüte japanischer Kulturgeschichte.