IHK-Ökonom: Unternehmer erleichtert über Mursis Absetzung
Die Auswirkungen der Proteste, der Unruhen und des Führungswechsels in Ägypten auf die Wirtschaft des Landes sind erheblich. Nach Einschätzung des Ökonomen Rainer Herret allerdings könne das Tagesgeschäft dort sehr schnell wieder anlaufen, weil es bislang kaum zu Zerstörungen gekommen sei.
Ute Welty: Für die einen ist es eine Art Befreiung, für die anderen ein Putsch: Die Absetzung von Präsident Mursi durch das Militär hat zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Anhängern geführt. Angesichts der jüngsten Entwicklung senkt die Ratingagentur Fitch die Bonitätsnote für die langfristige Kreditwürdigkeit des Landes. Die politisch instabile Lage könnte die Wirtschaft treffen und eine Erholung verhindern – aber damit tat sich Ägypten ja ohnehin schwer. Das beobachtet auch Rainer Herret, Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer. Guten Morgen nach Kairo!
Rainer Herret: Ja, guten Morgen nach Berlin!
Welty: Der negative Ausblick also von der Ratingagentur Fitch – können und müssen Sie sich dem anschließen?
Herret: Ja, auf jeden Fall. Dieses weitere Downgrading, das ist vollkommen gerechtfertigt, es basiert eben auf der gegenwärtigen katastrophalen politischen Lage. Es gibt ja lediglich als einziges handlungsfähiges politisches Organ den Interimspräsidenten, aber keine Regierung, kein Parlament. Insoweit ist es vollkommen nachvollziehbar.
Welty: Seit Tagen protestieren die Menschen, jetzt diese gewalttätigen Auseinandersetzungen. Haben Sie überhaupt noch eine Chance, als Handelskammer tätig zu sein?
Herret: Ja, durchaus. Kairo ist eine Stadt von 25 Millionen Einwohnern und unsere Kammer ist vielleicht, ja, eine Viertelstunde vom Tahrir-Platz entfernt. Da merken Sie überhaupt nichts von den Schlägereien und Schießereien, die da in den Abendstunden vorkommen. Und wir haben durchaus Aktivitäten. Also viele Ägypter sind gerade auch in Urlaub gefahren und fahren nach Deutschland, kombinieren das mit Geschäftsbesuchen – also das ist ein richtiges Paradox, was man da erlebt.
Welty: Was hören Sie von Ihren Geschäftspartnern an Reaktionen auf die jüngsten Ereignisse?
Herret: Man ist generell erleichtert, dass der Präsident abgesetzt ist, und schaut eigentlich recht zuversichtlich in die Zukunft. Dass es zu Ausschreitungen kommen wird, hat man durchaus erwartet. Man hat uns gesagt, dass die Muslimbrüder nicht so schnell gehen würden, wie das etwa Husni Mubarak getan hat.
Welty: Wie sind Sie persönlich vorgegangen? Haben Sie erwartet, was in der letzten Nacht passiert ist? Haben Sie irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen getroffen gehabt?
Herret: Wir haben am Mittwoch und Donnerstag vorsichtshalber die Kammer geschlossen gehabt - nicht, weil wir einen direkten Angriff oder Gewalt erwartet hätten, aber ich wollte es meinen Mitarbeitern nicht zumuten, sich da durch die Stadt begeben zu müssen als solches. Aber die Deeskalation kam doch völlig unerwartet. Ich war gestern Abend auch mit Freunden am Tahrir-Platz, wobei der Platz selber einigermaßen ruhig geblieben ist, aber durch die Hassrede, die am Nachmittag dann erfolgt ist, ist es auf einmal völlig außer Rand und Band geraten, und das konnte man in der Form dann doch nicht erwarten.
Welty: Der erste Teil der Revolution ist ja gerade mal zwei Jahre her und seitdem kommt die Wirtschaft in Ägypten ja nicht so richtig in Schwung. Ist dieser erneute Rückschlag in dieser Hinsicht überhaupt zu verkraften?
Herret: Ich denke schon, denn die Wirtschaft lag eben schon am Boden, und tiefer konnte man eigentlich gar nicht absinken. Was wir immer wieder betonen, ist, dass die Produktionsmittel, also die Fabriken selber jetzt nicht in Flammen aufgehen und beschädigt sind, man könnte also jederzeit wieder anfangen. Aber was immer gefehlt hat und was auch weiterhin fehlt, das sind die verlässlichen Rahmenbedingungen, und deswegen halten sich auch ägyptische Unternehmer mit ihren Investitionen zurück. Und da ist auf jeden Fall dringend eine Stabilisierung erforderlich.
Welty: Was brauchen Sie denn an Rahmenbedingungen? Was würden Sie sich vor allem für Ägypten wünschen?
Herret: Also zunächst einmal eine klare Vorgabe, was für eine Wirtschaftsordnung wir künftig haben werden. Wird es eine linksorientierte Maßnahme sein, oder wird es eine liberale, freie Marktwirtschaft sein? Danach kann man sich dann orientieren. Und hier haben wir überhaupt noch gar keine Ahnung, in welche Richtung es gehen wird.
Welty: Rainer Herret, Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo. Ich danke sehr für dieses Gespräch und passen Sie auf sich auf.
Herret: Das will ich gerne tun.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr Informationen auf dradio.de:
Politologe: Deutschland sollte in Ägypten nicht Partei ergreifen - Christian Achrainer bemängelt fehlende Kontakte zur Opposition
Israelische Sympathie für Ägyptens "Versuch der Demokratie" - Historiker über Mursis Absetzung durch das Militär
Das Ultimatum in Ägypten ist ohne Beispiel - Historiker Holger Afflerbach über letzte Fristen in der Geschichte
Rainer Herret: Ja, guten Morgen nach Berlin!
Welty: Der negative Ausblick also von der Ratingagentur Fitch – können und müssen Sie sich dem anschließen?
Herret: Ja, auf jeden Fall. Dieses weitere Downgrading, das ist vollkommen gerechtfertigt, es basiert eben auf der gegenwärtigen katastrophalen politischen Lage. Es gibt ja lediglich als einziges handlungsfähiges politisches Organ den Interimspräsidenten, aber keine Regierung, kein Parlament. Insoweit ist es vollkommen nachvollziehbar.
Welty: Seit Tagen protestieren die Menschen, jetzt diese gewalttätigen Auseinandersetzungen. Haben Sie überhaupt noch eine Chance, als Handelskammer tätig zu sein?
Herret: Ja, durchaus. Kairo ist eine Stadt von 25 Millionen Einwohnern und unsere Kammer ist vielleicht, ja, eine Viertelstunde vom Tahrir-Platz entfernt. Da merken Sie überhaupt nichts von den Schlägereien und Schießereien, die da in den Abendstunden vorkommen. Und wir haben durchaus Aktivitäten. Also viele Ägypter sind gerade auch in Urlaub gefahren und fahren nach Deutschland, kombinieren das mit Geschäftsbesuchen – also das ist ein richtiges Paradox, was man da erlebt.
Welty: Was hören Sie von Ihren Geschäftspartnern an Reaktionen auf die jüngsten Ereignisse?
Herret: Man ist generell erleichtert, dass der Präsident abgesetzt ist, und schaut eigentlich recht zuversichtlich in die Zukunft. Dass es zu Ausschreitungen kommen wird, hat man durchaus erwartet. Man hat uns gesagt, dass die Muslimbrüder nicht so schnell gehen würden, wie das etwa Husni Mubarak getan hat.
Welty: Wie sind Sie persönlich vorgegangen? Haben Sie erwartet, was in der letzten Nacht passiert ist? Haben Sie irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen getroffen gehabt?
Herret: Wir haben am Mittwoch und Donnerstag vorsichtshalber die Kammer geschlossen gehabt - nicht, weil wir einen direkten Angriff oder Gewalt erwartet hätten, aber ich wollte es meinen Mitarbeitern nicht zumuten, sich da durch die Stadt begeben zu müssen als solches. Aber die Deeskalation kam doch völlig unerwartet. Ich war gestern Abend auch mit Freunden am Tahrir-Platz, wobei der Platz selber einigermaßen ruhig geblieben ist, aber durch die Hassrede, die am Nachmittag dann erfolgt ist, ist es auf einmal völlig außer Rand und Band geraten, und das konnte man in der Form dann doch nicht erwarten.
Welty: Der erste Teil der Revolution ist ja gerade mal zwei Jahre her und seitdem kommt die Wirtschaft in Ägypten ja nicht so richtig in Schwung. Ist dieser erneute Rückschlag in dieser Hinsicht überhaupt zu verkraften?
Herret: Ich denke schon, denn die Wirtschaft lag eben schon am Boden, und tiefer konnte man eigentlich gar nicht absinken. Was wir immer wieder betonen, ist, dass die Produktionsmittel, also die Fabriken selber jetzt nicht in Flammen aufgehen und beschädigt sind, man könnte also jederzeit wieder anfangen. Aber was immer gefehlt hat und was auch weiterhin fehlt, das sind die verlässlichen Rahmenbedingungen, und deswegen halten sich auch ägyptische Unternehmer mit ihren Investitionen zurück. Und da ist auf jeden Fall dringend eine Stabilisierung erforderlich.
Welty: Was brauchen Sie denn an Rahmenbedingungen? Was würden Sie sich vor allem für Ägypten wünschen?
Herret: Also zunächst einmal eine klare Vorgabe, was für eine Wirtschaftsordnung wir künftig haben werden. Wird es eine linksorientierte Maßnahme sein, oder wird es eine liberale, freie Marktwirtschaft sein? Danach kann man sich dann orientieren. Und hier haben wir überhaupt noch gar keine Ahnung, in welche Richtung es gehen wird.
Welty: Rainer Herret, Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo. Ich danke sehr für dieses Gespräch und passen Sie auf sich auf.
Herret: Das will ich gerne tun.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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