Ilija Trojanow über "Doppelte Spur"

Wenn Fakten zu Lügen werden

13:40 Minuten
Ilja Trojanow, deutscher Schriftsteller, Uebersetzer, und Verleger. Fotografiert vor einer rost farbenen Hauswand in Erlangen im August 2016.
Bei seinen Recherchen stieß Ilija Trojanow auf einen Sumpf aus Korruption und Verbrechen der Oligarchen und Mafiosi. © laif / Isolde Ohlbaum
Moderation: Joachim Scholl |
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Im Roman "Doppelte Spur" lässt Ilija Trojanow zwei Journalisten nach einem Whistleblowerhinweis im Verbrechenssumpf internationaler Oligarchen wühlen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen seien nicht zufällig, sondern unvermeidlich, sagt der Autor.
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Romane über Whistleblower und Leaker an den Start gehen würden. Ilija Trojanow hat mit "Doppelte Spur" einen veritablen Politthriller vorgelegt, der gekonnt mit Wahrheit und Fiktion spielt.
Worum geht es? Der investigative Journalist Ilija wird innerhalb weniger Minuten von zwei Whistleblowern des amerikanischen und des russischen Geheimdienstes kontaktiert. Großer Coup oder Falle? Er lässt sich auf das Spiel ein, zusammen mit Boris, einem amerikanischen Kollegen, folgt er der doppelten Spur nach Hongkong, Wien, New York und Moskau. Die geleakten Dokumente eröffnen einen Abgrund von Korruption und Betrug, von üblen Verstrickungen krimineller Oligarchen und Mafiosi. Auch die Staatspräsidenten Russlands und der USA sind involviert. Was darf man glauben, mit welcher Absicht werden Lügen verbreitet – sind die beiden Reporter nur ein Spielball der Geheimdienste?

Trump ist nur "der schiefe Turm"

Donald Trump und Wladimir Putin werden nicht mit Klarnamen genannt: Trump ist nur "der schiefe Turm" und Putin "Michail Iwanowitsch". Viele andere im Buch vorkommende Personen dagegen tauchen mit ihren richtigen Namen auf. Die Tatsache, dass der Romanheld ebenfalls Ilija heißt, setzt beim Lesepublikum wiederum Spekulationen in Gang: Hat Herr Trojanow etwa …? Und schwebt er darum nun in Gefahr, demnächst in einer engen, dunklen Gasse seiner Heimatstadt Wien vom russischen Geheimdienst verschleppt zu werden?

Der Autor nimmt all das mit Humor. "Während man früher gesagt hat: Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig, muss ich heute sagen: Ähnlichkeiten sind unvermeidlich." Und: Die Gesellschaft habe den Glauben an ein Konzept oder an ein Ideal von Wahrheit verloren. "Das ist schon eine große Provokation für einen Romancier: Wenn jeder in der Öffentlichkeit und im Internet seine eigenen Narrative strickt." Somit könne heute jedefrau und jedermann Romancier seiner eigenen Weltanschauung werden.

Kriminelle im Trump Tower

Den Anstoß für seinen Roman habe seine eigene "Obsession" für das Phänomen Donald Trump, und wie die Menschen sich mit dessen System arrangierten, gegeben, berichtet Trojanow. Als er bei seinen Recherchen auf die Namenliste aktueller und ehemaliger Bewohner des Trump Tower in New York stieß, habe er diese bald nach oben korrigieren müssen: Statt, wie von US-Medien verbreitet, sieben oder acht internationale Schwerverbrecher, sei er auf 28 gestoßen: kriminelle Oligarchen und Geldwäscher, die allesamt wegen ihrer kriminellen Aktivitäten auf der "Most-Wanted"-Liste stünden.

Eine der Fragen, die ihn umtreibe, sei: "Warum empören wir uns eigentlich nicht mehr darüber? Das, was früher Tabubruch war, das ist inzwischen selbstverständlich. Wir nehmen immer mehr hin." Ein "Aha-Erlebnis" und sehr ernüchternd sei für ihn gewesen, herauszufinden, "dass überhaupt nur 0,1 Prozent der Fälle von Geldwäsche geahndet werden. Das heißt: Diese Oligarchen haben weltweit das Kommando übernommen und stehen völlig über dem Gesetz."

Auch was die Wahrheit im Netz – in der digitalen Öffentlichkeit – anbelange, macht sich Trojanow wenig Hoffnungen: Eine Figur im Roman nennt das "ein mediales Ökosystem negativer Photosynthese" – eine Metapher dafür, dass "Fakten in Lügen verwandelt werden", sagt der Autor.
(mkn)

Ilija Trojanow: "Doppelte Spur"
S. Fischer Verlag, 2020
240 Seiten, 22 Euro

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