Die Reportage wurde erstmals am 3. April 2022 gesendet.
Deutscher Müll in Polen
Die illegale Mülldeponie in Zgierz: Nach einem Brand 2018 sind die Überreste der 50.000 Tonnen Plastikmüll immer noch da. © Deutschlandradio / Philipp Lemmerich
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29:34 Minuten
Jedes Jahr werden Hunderttausende Tonnen Abfälle von Deutschland nach Polen exportiert. Ein Teil davon landet auf illegalen Mülldeponien. Ein Millionengeschäft auf Kosten von Anwohnern und Umwelt, dessen wahres Ausmaß selbst die Behörden nicht kennen.
Krzysztof Wojtalik und Przemysław Jagielski klettern auf eine kleine Anhöhe und blicken über das Industriegebiet von Zgierz in Polen. Von hier oben haben sie eine hervorragende Aussicht auf Berge von Plastikabfällen, umgeben von verrosteten Pipelines und dem gespenstischen Gerippe einer alten Farbenfabrik. Eine Mondlandschaft aus Plastikmüll und Industrieschrott.
Zgierz liegt zwei Autostunden westlich von Warschau. Ein unbedeutender Ort, den auch in Polen nicht viele kennen würden, wäre hier nicht ein Höllenfeuer ausgebrochen. Auf einem stillgelegten Industriegelände lagerten 50.000 Tonnen Plastikmüll, offen einsehbar, nicht einmal durch einen Zaun begrenzt. Alles solle recycelt werden, hieß es von der Betreiberfirma. Stattdessen wurde die Deponie im Mai 2018 angezündet.
Die Hintermänner sind über alle Berge
Etwa 80 Euro pro Tonne Plastikmüll dürften die Betreiber nach Meinung von Experten eingenommen haben. Insgesamt also um die vier Millionen Euro. Kosten für Transport und Lagerung: maximal 100.000 Euro. Der Rest: Gewinn.
Weiterverarbeitung, Recycling fanden nie statt. Die Firma ist heute insolvent, die Hintermänner sind über alle Berge. Deshalb ist Zgierz heute ein Synonym für Misswirtschaft, für Korruption. Für das Millionengeschäft mit dem Müll. Und die Überreste sind immer noch da, sagt Przemysław Jagielski und zeigt auf einen Haufen:
Das ist Müll aus dem Ausland, nicht aus Polen. Diese Sachen waren nie bei uns im Verkauf. Dreck aus ganz Europa.
Bis Anfang der 1990er-Jahre war auf dem Areal das Betriebsgelände von Boruta Kolor, einer Farbenfabrik. Über ein Jahrhundert der ganze Stolz der Stadt. Heute steht alles leer. In den 1990er-Jahren brach die polnische Textilindustrie zusammen.
Boruta Kolor hatte keine Abnehmer mehr. Der Betrieb wurde geschlossen. Die Mitarbeiter wurden entlassen. Für das Fabrikgelände gab es keine Verwendung mehr, es lag brach. Bis die Tragödie mit dem Müll begann.
Krzysztof Wojtalik hat die Entwicklung verfolgt: "Zgierz hat an Ansehen verloren. In ganz Polen und darüber hinaus werden wir jetzt mit illegalem Müll in Verbindung gebracht. Wir haben unser Image verloren. Für mich hat nicht nur Polen versagt, sondern ganz Europa. Europa kommt mit seinem Müll nicht zurecht. Und wir tragen die Konsequenzen."
An ihren freien Wochenenden treffen sich Krzysztof Wojtalik und Przemysław Jagielski regelmäßig in einem Gemeinschaftsbüro in Zgierz. An weißen Schreibtischen und mit frischem Kaffee stimmen sie sich ab, informieren sich gegenseitig. Przemysław engagiert sich seit dem Deponiebrand im Stadtrat, Krzysztof betreibt die Facebook-Gruppe „Grünes Zgierz“.
Dort postet er seine aktuellen Fotos und Videos von der Deponie und von anderen Umweltsünden in der Region. Die Unterstützung seiner Community gibt ihm Kraft, mehrere Tausend Mitglieder folgen ihm.
Es brennt eine ganze Woche
Während Krzysztof an seinen Posts feilt, scrollt sich Przemysław durch seine Aufnahmen vom Brand der Deponie 2018 und lässt die Ereignisse Revue passieren:
"Diese Bilder habe ich gemacht, unmittelbar nachdem ich die ersten Sirenen der Feuerwehr gehört habe. Dann bin ich auf das Dach meines Hauses geklettert. Das Feuer wurde größer und größer. Alle waren entsetzt. Nicht unbedingt, weil sie Angst hatten, dass das Feuer auf Wohngebiete übergreifen könnte. Eher wegen der Umweltverschmutzung. Kann man überhaupt noch atmen? Und was passiert als Nächstes?"
Auch am nächsten Morgen war der Brand nicht unter Kontrolle. Die Rauchsäule: kilometerweit zu sehen. Gärten, Balkone, Autos mit Asche übersät. Erst nach einer Woche war das Feuer gelöscht.
"Vor meiner Haustür singen normalerweise viele Vögel. Am Tag nach dem Brand war alles still. Kein Vogel weit und breit. Sie kamen erst nach mehreren Tagen zurück. Auf einem Baum in der Nähe war ein Nest mit kleinen Küken darin. Die Vögel hatten sogar ihre Küken zurückgelassen, um dem Rauch zu entkommen."
768 illegale Deponien verzeichnet das polnische Umweltamt im ganzen Land. Kunststoffe, Bauschutt, chemische Abfälle, Autoschrott. Auch aus deutscher Perspektive ist das brisant: Denn obwohl Polens obskurer Umgang mit Müll auch hierzulande längst bekannt ist, wird munter Müll in das Nachbarland exportiert. Jedes Jahr wird es mehr.
2018 – das Jahr, in dem der Müll in Zgierz in Flammen aufging – gab es über 100 Deponiebrände in Polen. Im selben Jahr wurden 900.000 Tonnen Abfälle legal von Deutschland nach Polen exportiert. Wie viel davon auf illegalen Deponien landet, kann niemand sagen. Und über die Menge der illegalen Exporte ist erst recht nichts bekannt.
Die Ermittler in Deutschland tappen im Dunklen
Die A24 in Brandenburg, nordwestlich von Berlin. Mit einer groß angelegten Autobahnkontrollen versuchen Polizei, Zoll und Umweltämter den Müllschmugglern auf die Schliche zu kommen. Während unzählige Fahrzeuge vorbeidonnern, werden einzelne Lkw mit der Plakette „A“ für Abfalltransporte herausgewunken. Ausgerechnet die Transporter zu finden, die illegalen Müll geladen haben, ist buchstäblich wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Über einzelne Transporter mit illegalem Müll erhoffen sich die Fahnder Rückschlüsse auf – im besten Fall – mehrere Hundert illegale Transporte in der Vergangenheit. Deshalb der große Aufwand. Ein Lkw wird gestoppt.
Ein Mitarbeiter des Umweltamtes klettert eine Eisenleiter nach oben, blickt in das Innere des Anhängers – und schüttelt den Kopf. Nichts Illegales an Bord. Das Einzige, was den Ermittlern bleibt: Führerschein, Fahrzeugpapiere und Fahrtzeiten kontrollieren. Berend Wilkens klingt ein wenig enttäuscht.
"Das ist ein Transport mit Hausmüll. Der geht Richtung Norden und betrifft unseren internationalen Verkehr heute mal nicht."
Ergebnis nach sechs Stunden Autobahnkontrolle: keine nennenswerten Vorkommnisse. Niemand weiß, wie viel Müll heute über die Grenze transportiert wurde. Die Behörden tappen auf der Suche nach den Müllschmugglern im Dunklen.
Einige Beamte räumen ein, dass sich die Lkw-Fahrer häufig über Funk informieren und sich gegenseitig vor der Kontrolle warnen. Wer illegalen Müll geladen hat, fährt dann einfach am nächsten Tag. So leicht sind die Behörden zu überlisten. Aber deshalb gar nicht mehr zu kontrollieren, wäre auch keine Lösung.
Den Müll einfach in die Landschaft gekippt
Sarbia in der Woiwodschaft Großpolen, eineinhalb Stunden nördlich von Posen. Ein kleines Dorf mit nur wenigen Hundert Einwohnern. Roman Maćkowiak lebt seit mehr als 20 Jahren hier. Sein Haus ist frisch gestrichen, der Garten mit Thujen und Buchsbäumen geschmückt. Ein gepflegtes Eigenheim, in dem Roman – von Beruf Ordnungsbeamter – mit seiner Familie und seinen Schwiegereltern lebt.
Von der Terrasse aus hat man einen Blick auf weite Felder und ein Wäldchen. Einen Steinwurf entfernt grasen ungestört zwei Rehe, ein Specht hämmert seinen Schnabel in einen Baumstamm. Eigentlich eine Idylle. Wäre da nicht der Müll, der den Panoramablick jäh zerschneidet.
Anfang 2018 wurde auf dem Gelände neben dem Wäldchen eine Mülldeponie eröffnet. 100 Meter von Romans Haus entfernt und gerade einmal 70 Meter oberhalb der Zisterne, die das ganze Dorf mit Trinkwasser versorgt, klagt Maćkowiak.
"Es stank furchtbar, als sie den Müll hierherbrachten. Im Sommer war es unmöglich, im Garten zu sitzen, alles war voller Fliegen. Es gab Kakerlaken, auch bei uns im Haus. Ich glaube, sie sind auch in den Brunnen eingedrungen, denn plötzlich musste die Gemeinde Chemikalien zur Wasseraufbereitung nutzen. Früher hatten wir hier das beste Wasser weit und breit, aber das ist nicht mehr so. Wenn man heute den Hahn aufdreht, riecht es oft nach Chemie."
Offiziell passierte auf der Deponie nichts Illegales. Die Betreiberfirma hatte eine Lizenz zur Zwischenlagerung, von hier aus sollte der Müll zu einer Recyclinganlage weitertransportiert werden. Täglich kamen Lkw mit neuem Müll an.
Aus der Zwischenlagerung wird ein Dauerzustand
Aus der Zwischenlagerung wurde ein Dauerzustand. Der Müll blieb einfach liegen, die Firma ließ sich nicht mehr auf dem Gelände blicken. Als die Bewohner von Sarbia das bemerkten, war es schon zu spät. Sie organisierten Proteste, zogen mit Bannern durch das Dorf. Gebracht hat das nichts. Bei der Firma ist nichts mehr zu holen. Sie ist insolvent, das Geld ist weg. Und die Behörden schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.
Der Blick schweift über einen alten Plastikschlitten. Über undefinierbaren Plastikabfall. Ein altes Rohr. Viele Tüten. Einen Ölkanister. Alte Planen. Spülmittel, Dosen, Büchsen. Ganz viele Plastikflaschen, gepresst. Wahrscheinlich alte Pfandflaschen aus Deutschland. Einwegpfand.
Die Deponie ist deutlich kleiner als die in Zgierz, aber trotzdem handelt es sich um mehrere Tausend Tonnen Abfall. Feinsäuberlich zu Ballen gepresst stehen sie da in der Landschaft herum und ragen in den Himmel. Etliches ist schon verwittert, aber hier und da sind auf den Verpackungen noch die Markennamen erkennbar.
Dove summer glow body lotion. Weihenstephan Haltbare Vollmilch. Rama Cremefine zum Kochen. Metzgerfrische Hausmacherleberwurst. Der meiste Müll kommt aus Deutschland, manches auch aus England.
Die polnischen Behörden bleiben untätig
"Die Geschichte beginnt ganz oben. Das heißt, es ist die große stinkende Politik, die ihre Zustimmung gibt. Und das wird so lange passieren, solange das ein Riesengeschäft ist."
Longina Wika ist die Dorfvorsteherin von Sarbia. Sie glaubt nicht mehr daran, dass sich an der Mülldeponie etwas ändern wird. Auch dass Medienberichte etwas bringen könnten, glaubt sie nicht, schließlich waren schon unzählige Journalisten da.
Trotzdem serviert sie Kaffee und selbst gebackenen Schokoladenkuchen. Ehrensache. Auf der Kommode stehen neben Familienfotos auch mehrere Pokale, die sie bei Backwettbewerben gewonnen hat. Ein silberner Lamettavorhang verdeckt den Blick auf den Innenhof, wo Hühner und Gänse umherlaufen. Da könnte man ja auch Müll abladen, sagt Longina lakonisch.
"Wenn der Müll auf öffentlichem Grund liegen würde, könnte man etwas dagegen tun, sagen die Behörden. Dafür gibt es sogar Fördermittel der EU. Aber bei der Deponie hier im Ort handelt es sich ja um ein privates Grundstück. So als ob ich den Müll bei mir im Hof liegen hätte. Niemand wird ihn wegräumen, weil es mein Privateigentum ist und Privateigentum nicht angetastet wird. Ende der Geschichte."
Longina Wika vermutet die Organisierte Kriminalität hinter der Deponie von Sarbia. Die Müll-Mafia, mit guten Kontakten in die Politik. Die Genehmigung für die Zwischenlagerung wurde offenbar Ende 2017 ausgestellt, nur wenige Tage bevor ein neues Gesetz die Lagerung von Müll in der Nähe von Wasserquellen verbieten sollte.
Als Firmeninhaber eingetragen war ein Obdachloser aus Posen. Ein Schachzug, um die eigentlichen Hintermänner zu verschleiern. Longina sammelt alle Zeitungsartikel über die Deponie in Sarbia in einer roten Mappe. Auch die Korrespondenzen mit den Behörden, die in vielen Seiten Schriftverkehr in komplizierter Sprache erklären, dass sie nichts tun können – auch die hebt sie auf.
Eine ganze Branche ist in Verruf
In einem Gewerbegebiet im Berliner Süden liegt das Areal von Parey Recycling. Ihr Fachgebiet: Bauschutt. Das Unternehmen legt viel Wert darauf, nicht zu den Bösen zu gehören. Ein Vorzeigebetrieb. Radlader fahren kreuz und quer, links und rechts türmen sich Sand- und Schuttberge.
Mit seiner massiven Schaufel zerkleinert ein Bagger Betonplatten und Geröll. Schutt von einer Baustelle, dazwischen Gullydeckel, Stahl, Holz. Bauschutt zu recyceln ist viel Arbeit und nicht ganz billig. Aber nicht alle in der Branche sind bereit, Zeit und Geld ins Recycling zu investieren. Exporte ins nahe gelegene Polen sind einfach billiger, sagt Geschäftsführer Ingo Wentz:
"Die, die es illegal betreiben, gestalten ihre Preise sehr viel günstiger als wir, die ja normale Transportkosten und Kippgebühren zahlen. Wir müssen kämpfen um jeden Auftrag."
In Deutschland kostet die fachgerechte Entsorgung einer Tonne Bauschutt etwa 150 Euro. Firmen, die nach Polen exportieren, verlangen weniger als die Hälfte. Sind die Deponien illegal, entstehen ihnen fast keine Kosten. Ein simples und einträgliches Geschäftsmodell.
Für Unternehmer wie Ingo Wentz sind die Umweltauflagen in den letzten Jahren immer strenger geworden. Andere, die Bauschutt illegal exportieren, halten sich an keine der Vorschriften.
Für Unternehmer wie Ingo Wentz sind die Umweltauflagen in den letzten Jahren immer strenger geworden. Andere, die Bauschutt illegal exportieren, halten sich an keine der Vorschriften.
"Da kriegt man schlechte Laune, vorsichtig ausgedrückt. Denn das ist Betrug an allen Ecken und Enden. Ich weiß nicht, was in Polen für Bedingungen herrschen, aber ich glaube nicht, dass Polen daran interessiert ist, Müll einfach irgendwohin zu schmeißen, bloß damit irgendwo ein Loch aufgefüllt wird. Das ist eine Riesensauerei."
"Es sind Berufskriminelle unterwegs"
Ein letzter Ausflug auf den Spuren des Mülls. Auf einer ehemaligen Raketenbasis der sowjetischen Streitkräfte haben die polnischen Behörden im November vergangenen Jahres eine illegale Deponie ausgehoben. Ganz in der Nähe von Görlitz, nur 70 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass auch hier deutscher Müll lagert.
Mit dabei: Michael Billig, Journalist und ein Experte, vielleicht DER Experte, wenn es um illegale Müllverklappung geht. Vor mehreren Jahren stieß er auf das Thema, es ließ ihn nicht mehr los. Seitdem recherchiert er in aufgelassenen Kiesgruben und auf alten Militärflächen, verfolgt Gerichtsprozesse, studiert Akten. In die Szene hat er Einblicke, um die ihn Umweltämter und Ermittlungsbehörden beneiden dürften.
"Es gibt legale Entsorgungsfirmen, die aber unter Umständen illegale Möglichkeiten nutzen, um den Müll loszuwerden. Es sind aber tatsächlich auch Berufskriminelle unterwegs, die nicht nur mit Müll dealen, sondern auch mit Kokain beispielsweise. Man hat es schon mit organisierten Strukturen zu tun, mit Netzwerken, die teilweise über Jahre existieren. Und deswegen finde ich es schon gerechtfertigt, auch den Begriff Mafia zu verwenden."
Auf die Deponie, zu der wir heute fahren, stieß Michael über einen Facebook-Post der polnischen Umweltbehörde. Das Terrain – 80 Hektar groß – hat er anschließend ausführlich über Google Earth studiert. Es ist mitten im Nirgendwo. Von einer kleinen Landstraße biegt ein noch kleinerer Feldweg ab. Auf einem Parkplatz für Wanderer lassen wir das Auto stehen. Es sind noch zwei Kilometer bis zum Ziel.
Autoschrott auf einem ehemaligen Militärgelände
Michael studiert noch mal die Satellitenbilder von dem Areal, das wir ansteuern. Auch dort lässt sich bewaldetes Gebiet erkennen. Alles ist in Grüntöne getaucht. Hier und da schimmern größere beigefarbene Flächen durch: Sand. Wurde hier Wald gerodet, um Autoschrott zu verbuddeln? Michael Billig vermutet das zumindest. Unbrauchbare Reste, deren Entsorgung viel Geld kosten würde.
Wir nähern uns dem Gelände. Hinter einem Eisentor steht hin Haus mit grauen Wänden, wahrscheinlich aus Asbest. Daneben ein Autofriedhof. Vorsicht ist geboten. Die Betreiber des Autofriedhofs würden sich über Besuch von Journalisten sicherlich nicht freuen. In sicherer Distanz zum Haus betreten wir das Gelände.
Ehemalige Militärgelände wie dieses eignen sich wunderbar für die illegale Verklappung von Müll. Sie sind abgelegen, durch die militärische Nutzung oft kontaminiert. Flächen, die eigentlich niemand haben will. Dementsprechend niedrig sind die Kaufpreise. Und das Risiko, dass ausgerechnet hier das Umweltamt zur Kontrolle vorbeischaut, ist ziemlich gering. Wir klettern über eine Rücksitzbank, stoßen auf Armaturen und viele, viele Stoßstangen.
Dann ein erster Fund. Neben einem alten Beton-Bunker, umrankt von Kiefernbäumen und mit Kiefernnadeln bedeckt, ein etwa drei Meter hoher Hügel. Platten eines alten Hauses, Asphaltreste und etlicher verwitterter Autoschrott. Der dürfte hier schon eine ganze Weile liegen. Ein paar Hundert Meter weiter ragen große Sandhügel in den Himmel.
"Hier werfe ich mal die steile These auf, dass der Sand, der da oberirdisch liegt, eigentlich mal unterirdisch war," analysiert Michael Billig. "Und dass da, wo der mal lag, etwas anderes liegt."
Wir laufen weiter in das Gelände hinein – immer mit einem Auge auf der GPS-Karte. Nach der nächsten Biegung dann ein Volltreffer. Michael Billig staunt.
"Das ist richtig viel. Also ein Ende ist von hier nicht abzusehen, ich kann jetzt 50 Meter weit gucken. Ich kann es gar nicht so richtig identifizieren, was das sein soll. Also Schläuche, Dichtungsgummis."
Es ist eines der Löcher, die die polnische Umweltbehörde bei ihrer Kontrolle gebuddelt haben. Plastikreste, Autoteile und ganz viel Plastikgranulat, das den Boden tiefschwarz färbt. Das Feld, auf dem wir stehen, ist riesig. Was hier unter der Oberfläche an Müll schlummert, lässt sich nur mit viel Fantasie vorstellen.
"Das ist Entsorgung in Polen. In dieses Land exportieren wir fast eine Million Tonnen Abfall. Entweder kommen sie mit ihren eigenen Sachen nicht mal klar. Oder verbuddeln unsere auch noch."
Das Ergebnis nach drei Stunden heimlicher Recherche auf dem alten Militärgelände: unfassbar viel Müll. Eine Umweltsünde. Die Vermutung, dass der Müll auch aus Deutschland kommt. Aber keine Beweise. Diesmal zumindest. Michael Billig hat in den Jahren seiner Recherche schon genügend Beweise gesammelt. Deutscher Müll landet dort, wo er nicht hingehört. Und zwar in rauen Mengen.
"Es ist unser Verpackungsmüll, den wir produzieren. Es sind die Abfälle von den Autos, die wir fahren. Das hat alles sehr viel mit unserem Leben zu tun. Deswegen ist mein Eindruck manchmal auch: Man will gar nicht hören, was für eine Scheiße damit abläuft, weil man ja dann sich selbst hinterfragen müsste: Wie lebe ich eigentlich? Wie konsumiere ich eigentlich? Solange das irgendwo unter einer Sanddecke in Polen landet, glaubt man damit nichts zu tun zu haben."
Die Recherche wurde unterstützt durch das Journalistenstipendium der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Mitarbeit: Michalina Kowol.