Illustrator Franz Josef Tripp

Vom Busfahrplan zu Jim Knopf und Räuber Hotzenplotz

Eine Frau hält eine alte und eine neue Ausgabe des Kinderbuchs "Jim Knopf und die wilde 13" des Autors Michael Ende mit Illustrationen von Franz Josef Tripp in den Händen.
Eine alte (vorn) und eine neue Ausgabe des Kinderbuchs "Jim Knopf und die wilde 13" des Autors Michael Ende. In der neuen wurden die Illustrationen von Franz Josef Tripp wurden koloriert. © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Von Carola Zinner |
Lukas der Lokomotivführer mit seiner viel zu kleinen Schirmmütze oder die zerrissenen Hosenbeine von Räuber Hotzenplotz: Mit seinen heiteren und kraftvollen Illustrationen wurde der Kinderbuchillustrator Franz Josef Tripp bekannt - und zwar quasi über Nacht. Heute jährt sich sein Geburtstag zum 100. Mal.
Wie sieht ein großer und böser Zauberer aus, der Kartoffeln schält? Eine zusammengesunkene Gestalt, auf niedrigem Hocker kauernd, die mit verdrossenem Gesicht ins Leere schaut: Schälmesser in der Rechten, Kartoffel in der Linken. Fast schon bemitleidenswert, dieser Zwackelmann. Wäre da nicht die böse, nach unten gebogene Nase, die ihm der Illustrator Franz Josef Tripp verpasst hat, und der lange spitze Zauberer-Hut, rundum versehen mit Augen, die ihre Umgebung ständig zu beobachten scheinen.
Die Kasperletheater-Szenen des "Räuber Hotzenplotz", der Drache Frau Mahlzahn in seiner langgestreckten Scheußlichkeit: In Tripps Tuschezeichnungen verbinden sich Ornamente und scheinbar ungelenk Dahingekritzeltes zu Bildern von seltsamer Eindrücklichkeit.
"Die Bilder singen, die Bilder erzählen einem was. Und Michael Endes 'Jim Knopf' war verbunden mit Tripp, Preußlers 'Kleines Gespenst' war verbunden mit Tripp und ist es bis heute."
Für die Kinderbuchexpertin Christine Knödler gehört Franz Josef Tripp zu den Größten in der deutschen Illustratoren-Riege:
"Tripp macht Lust, nicht nur die Geschichte zu lesen, sondern sich wirklich auch auf Entdeckungsreise in und mit diesen Bildern zu begeben. Und natürlich kann man sich jetzt fragen, warum hat aber Jim Knopf mal vier Zehen und mal sechs Zehen - das hat mich als Kind tatsächlich sehr beschäftigt - aber ich musste keine Antwort darauf haben."
"Ein bleierner Beginn"
Jan Peter Tripp: "Er hat natürlich lebenslang damit gerungen, dass er die menschliche Figur nicht so zeichnen konnte, wie das ein Akademiker kann."
Der Maler Jan Peter Tripp erinnert sich an seinen Vater.
"Er hat gerungen, [war] aber doch auch belustigt, also irgendwann hat er ja auch gemerkt, dass sein 'Handicap' für das Kinderbuch eigentlich ein sehr guter Zugang ist."
Die scheinbare Naivität der Bilder passte gut zum Image des "Autodidakten", das dem Zeichner bis heute anhaftet. Es entspricht jedoch nicht der Realität. Franz Josef Tripp, geboren am 7. Dezember 1915 in Essen, besuchte als junger Mann kurz die Folkwang-Schule für Malerei und Zeichnung. Nach dem Krieg machte er eine Ausbildung zum Grafiker. Seit 1945 lebte Tripp in der Nähe von Oberstdorf im Allgäu, der Heimat seiner Frau. Hier kam kurz nach Kriegsende auch der gemeinsame Sohn zur Welt. Jan Peter Tripp erinnerte sich anlässlich einer Lesung an die beruflichen Anfänge des Vaters:
"Auf dem Arbeitstisch lag ein Reißbrett, links und rechts und in den Schubladen das minimale Werkzeug. Ein bleierner Beginn war das, von der Kinowerbung für den Schuhplattler-Abend über Ergee-Strumpfpackungen bis hin zum ersten Buch, einem Tabakalmanach."
Originale auf dem Dachboden des Verlags
Schon in diesen frühen Arbeiten tauchen einige der Motive auf, die sich später in den Kinderbüchern wiederfinden: spitze Berggipfel, zackig voneinander abgesetzt und, als Titelblatt für das Heft mit den Abfahrtszeiten des Postbusses: ein kleiner Junge, barfuß, mit Lederhosen und Trachtenhut - von Kopf bis Fuß Kasperls Freund Seppl aus dem "Räuber Hotzenplotz"; Tripps zweitem großen Illustrationserfolg nach "Jim Knopf".
Das Ganze begann damit, dass eines Tages die Verlegerin Lotte Weitbrecht an der Trippschen Haustür klingelte, in der Hand einen Koffer mit dem Manuskript eines jungen, unbekannten Autors namens Michael Ende: Tripp möge doch bitte die Bilder beisteuern.
Wenig später gab es den Jugendbuchpreis für "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" - für Text und Illustration, wie eigens betont wurde. Binnen kurzer Zeit war Tripp einer der gefragtesten deutschen Kinderbuchillustratoren. "Das kleine Gespenst" und "Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt": Ganze Generationen wurden durch seine Zeichnungen geprägt; jede Verfilmung orientiert sich an diesen Vorlagen.
Reich geworden ist Tripp bei alledem allerdings nicht. Bescheiden und wenig selbstbewusst, was seine Kunst anging, gab er sich meist mit einmaligen Abfindungen zufrieden. Nicht einmal die Originale seiner Zeichnungen hat er zurückgefordert: Sie fanden sich - Jahre nach Tripps Tod anno 1978 – stapelweise auf dem Dachboden des Verlagshauses. Nein, Kunst sei das keine, hatte ihr Schöpfer stets abgewinkt - die reine Gebrauchsgrafik. Die Liebhaber seiner Bücher sehen das anders.
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