Im Abseits
Womit hat Deutschland das nur verdient? Es ist so deprimierend und auch ein wenig langweilig. Das Halbfinale der Champions League kann eigentlich nur die Fans auf der Insel erfreuen. Chelsea, Manchester und Liverpool. Dreimal England plus Berlusconis AC Milan. Da fällt das Daumendrücken schwer in good old Germany.
Drei Mannschaften aus einem Land, das gab es das letzte Mal in der Saison 2002/2003. Damals trafen die beiden Mailänder Mannschaften aufeinander und Juventus Turin verabschiedete Real Madrid aus dem Wettbewerb. Dreimal Italien und einmal Spanien. Das konnte passieren, an die Vorherrschaft der Klubs aus dem Süden hatten wir uns gewöhnt. Der AC Milan schlug Juventus im Finale und im nächsten Jahr würde es schon besser werden, vielleicht hätte ja der FC Bayern sogar eine Chance gegen die Galaktischen aus Madrid oder die Taktikkünstler aus Italien.
Doch nun kommen die Halbfinalteilnehmer aus englischen Arbeiterstädten und nicht mehr aus den mediterranen Metropolen. Die Vereine auf der Insel gehören reichen Männern, die sich die Spieler kaufen, die sie wollen. Koste es, was es wolle. Ähnlich ist das in Spanien und Italien. Dagegen kommen die deutschen Vereine nicht an, so das alljährlich Lamento. Hier achten selbst Werksvereine wie Bayer Leverkusen auf eine ausgeglichene Bilanz. Nach dem Ausscheiden gegen den AC Milan im Viertelfinale meinte Uli Hoeneß verbittert: "Wir haben eben keinen Berlusconi, der die Schulden ausgleicht." Der wird aber hoffentlich auch nicht kommen.
Es ist leicht, mit viel Geld eine gute Mannschaft zusammenzukaufen. Aber die alte Fanweisheit: "Geld schießt keine Tore", hat eben hin und wieder auch Bestand. Der russische Milliardär Abramovich hat mehrere 100 Millionen Euro in den FC Chelsea gesteckt. Die Champions League hat er aber immer noch nicht gewonnen. Vielleicht auch, weil er, wie das bei Feudalherrschern so ist, dem jeweiligen Trainer in die Arbeit redet und eben die Spieler verpflichtet, die ihm gefallen, egal ob sie in die Mannschaft passen.
Aber würden denn die Stars auch nach Deutschland kommen, wenn das Geld da wäre? Selbst Franz Beckenbauer hat das bezweifelt. Als unter der Regierung Schröder Computerspezialisten vor allem aus Indien angeworben werden sollten, war man sehr erstaunt, dass nur wenige kamen. Während man hier zu Lande noch das unsägliche Wort vom "Computerinder" schuf und sich Politiker tatsächlich einen Reim auf "Kinder statt Inder" machten, gingen die viel lieber in die USA, weil sie dort mehr Geld verdienten und weil sie dort freundlicher empfangen wurden.
Wir haben hier sicher ein Imageproblem. Die ausländischen Zeitungen waren während der Fußball-WM voll mit Artikeln, wie freundlich und fröhlich es hier zugeht. Was hatten sie erwartet? Natürlich, es gibt in Deutschland und gerade im Fußball leider immer noch rassistische Übergriffe. Aber so etwas gibt es in Spanien und Italien auch, was die Sache natürlich nicht entschuldig. Aber dennoch: Die Reporter waren wohl eher von der gesamten Atmosphäre des Landes überrascht. Dass es viel weniger piefig war, als sie vermuteten.
Mit Jürgen Klinsmann gab es noch einen Glücksfall als Trainer. Ein weltoffener Schwabe, der in Kalifornien lebt und in halb Europa Fußball gespielt hat. Und er machte das, was er angekündigt hatte: Den Laden "Nationalmannschaft" auseinander nehmen und neu zusammensetzen. Das Neue war, dass er tatsächlich das tat, was er sagte, und nicht beim ersten Gegendwind die Segel strich. Zugegeben, er hat hoch gepokert, aber eben auch viel gewonnen. Er hat Neues gewagt und aus einem verunsicherten Haufen den WM-Dritten geformt. Das hätte schief gehen können, ist es aber nicht.
Aber warum konnte er das überhaupt? Weil die Entscheidungsträger ihm das zutrauten und sich nach einer Modernisierung sehnten? Nein, sondern weil die Not sehr groß war und sich niemand mehr fand, der freiwillig diesen Job machen wollte.
Klinsmann hat zugegriffen und viel erreicht. Er hatte ideale Bedingungen. Weil er unabhängig war, finanziell, aber vor allem auch im Kopf.
Jammern hilft nicht viel, das gilt im Fußball wie in der Politik. Man muss aber Neues auch mal suchen und vor allem wagen. Wenn die Bayern mit Ottmar Hitzfeld ihren Trainer von vorgestern verpflichten, zeigt das ihre Sehnsucht nach dem Glanz seiner ersten Amtszeit. Rückwärts zu neuen Taten. Ob das ausreichen wird? Aber welcher ausländische Spitzentrainer auch immer im Gespräch war, er ist nicht gekommen. Und das lag nicht nur am Geld. Wenn du ärmer bist als dein Gegenüber, musst du eben schlauer sein, wenn du überhaupt eine Chance haben willst. Und vor allem mutig.
Was bleibt für dieses Jahr aus deutscher Sicht? Immerhin Werder Bremen, das wohl die kreativste Einkaufspolitik der ganzen Liga betreibt, im UEFA-Cup Halbfinale. Dort brachten 1980 übrigens Bayern, Stuttgart, Gladbach und Frankfurt das Kunststück fertig, zwei komplett deutsche Halbfinale auszutragen. In diesem Jahr messen sich die Bremer mit drei spanischen Mannschaften. Wie nannte Franz Beckenbauer vor nicht all zu langer Zeit diesen Wettbewerb: "Den Cup der Verlierer". Für die Spanier mag das gelten, aber an der Weser dürfen sie ruhig ein bisschen stolz sein.
Gregor Sander, geb. 1968 in Schwerin, hat Medizin und Germanistik studiert. Anschließend Besuch der Berliner Journalisten-Schule. 2002 erschien sein Debüt "Ich bin aber hier geboren", für das er den Förderpreis zum Friedrich Hölderlin-Preis der Stadt Homburg bekam. Gerade erschienen ist im Wallstein Verlag sein neuer Roman "abwesend".
Doch nun kommen die Halbfinalteilnehmer aus englischen Arbeiterstädten und nicht mehr aus den mediterranen Metropolen. Die Vereine auf der Insel gehören reichen Männern, die sich die Spieler kaufen, die sie wollen. Koste es, was es wolle. Ähnlich ist das in Spanien und Italien. Dagegen kommen die deutschen Vereine nicht an, so das alljährlich Lamento. Hier achten selbst Werksvereine wie Bayer Leverkusen auf eine ausgeglichene Bilanz. Nach dem Ausscheiden gegen den AC Milan im Viertelfinale meinte Uli Hoeneß verbittert: "Wir haben eben keinen Berlusconi, der die Schulden ausgleicht." Der wird aber hoffentlich auch nicht kommen.
Es ist leicht, mit viel Geld eine gute Mannschaft zusammenzukaufen. Aber die alte Fanweisheit: "Geld schießt keine Tore", hat eben hin und wieder auch Bestand. Der russische Milliardär Abramovich hat mehrere 100 Millionen Euro in den FC Chelsea gesteckt. Die Champions League hat er aber immer noch nicht gewonnen. Vielleicht auch, weil er, wie das bei Feudalherrschern so ist, dem jeweiligen Trainer in die Arbeit redet und eben die Spieler verpflichtet, die ihm gefallen, egal ob sie in die Mannschaft passen.
Aber würden denn die Stars auch nach Deutschland kommen, wenn das Geld da wäre? Selbst Franz Beckenbauer hat das bezweifelt. Als unter der Regierung Schröder Computerspezialisten vor allem aus Indien angeworben werden sollten, war man sehr erstaunt, dass nur wenige kamen. Während man hier zu Lande noch das unsägliche Wort vom "Computerinder" schuf und sich Politiker tatsächlich einen Reim auf "Kinder statt Inder" machten, gingen die viel lieber in die USA, weil sie dort mehr Geld verdienten und weil sie dort freundlicher empfangen wurden.
Wir haben hier sicher ein Imageproblem. Die ausländischen Zeitungen waren während der Fußball-WM voll mit Artikeln, wie freundlich und fröhlich es hier zugeht. Was hatten sie erwartet? Natürlich, es gibt in Deutschland und gerade im Fußball leider immer noch rassistische Übergriffe. Aber so etwas gibt es in Spanien und Italien auch, was die Sache natürlich nicht entschuldig. Aber dennoch: Die Reporter waren wohl eher von der gesamten Atmosphäre des Landes überrascht. Dass es viel weniger piefig war, als sie vermuteten.
Mit Jürgen Klinsmann gab es noch einen Glücksfall als Trainer. Ein weltoffener Schwabe, der in Kalifornien lebt und in halb Europa Fußball gespielt hat. Und er machte das, was er angekündigt hatte: Den Laden "Nationalmannschaft" auseinander nehmen und neu zusammensetzen. Das Neue war, dass er tatsächlich das tat, was er sagte, und nicht beim ersten Gegendwind die Segel strich. Zugegeben, er hat hoch gepokert, aber eben auch viel gewonnen. Er hat Neues gewagt und aus einem verunsicherten Haufen den WM-Dritten geformt. Das hätte schief gehen können, ist es aber nicht.
Aber warum konnte er das überhaupt? Weil die Entscheidungsträger ihm das zutrauten und sich nach einer Modernisierung sehnten? Nein, sondern weil die Not sehr groß war und sich niemand mehr fand, der freiwillig diesen Job machen wollte.
Klinsmann hat zugegriffen und viel erreicht. Er hatte ideale Bedingungen. Weil er unabhängig war, finanziell, aber vor allem auch im Kopf.
Jammern hilft nicht viel, das gilt im Fußball wie in der Politik. Man muss aber Neues auch mal suchen und vor allem wagen. Wenn die Bayern mit Ottmar Hitzfeld ihren Trainer von vorgestern verpflichten, zeigt das ihre Sehnsucht nach dem Glanz seiner ersten Amtszeit. Rückwärts zu neuen Taten. Ob das ausreichen wird? Aber welcher ausländische Spitzentrainer auch immer im Gespräch war, er ist nicht gekommen. Und das lag nicht nur am Geld. Wenn du ärmer bist als dein Gegenüber, musst du eben schlauer sein, wenn du überhaupt eine Chance haben willst. Und vor allem mutig.
Was bleibt für dieses Jahr aus deutscher Sicht? Immerhin Werder Bremen, das wohl die kreativste Einkaufspolitik der ganzen Liga betreibt, im UEFA-Cup Halbfinale. Dort brachten 1980 übrigens Bayern, Stuttgart, Gladbach und Frankfurt das Kunststück fertig, zwei komplett deutsche Halbfinale auszutragen. In diesem Jahr messen sich die Bremer mit drei spanischen Mannschaften. Wie nannte Franz Beckenbauer vor nicht all zu langer Zeit diesen Wettbewerb: "Den Cup der Verlierer". Für die Spanier mag das gelten, aber an der Weser dürfen sie ruhig ein bisschen stolz sein.
Gregor Sander, geb. 1968 in Schwerin, hat Medizin und Germanistik studiert. Anschließend Besuch der Berliner Journalisten-Schule. 2002 erschien sein Debüt "Ich bin aber hier geboren", für das er den Förderpreis zum Friedrich Hölderlin-Preis der Stadt Homburg bekam. Gerade erschienen ist im Wallstein Verlag sein neuer Roman "abwesend".

Gregor Sander© Tina Ruisinger/ tm.woRK