Im Bioladen kann man kein gutes Gewissen kaufen
Auch mit ökologisch-korrektem Konsum lässt sich die Welt nicht retten, kritisiert die Journalistin Kathrin Hartmann. Das Angebot in den Biosupermärkten hält sie für wenig nachhaltig, es spreche vor allem eine "etwas elitäre Zielgruppe" an.
Gabi Wuttke: Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen. Noch größer sind diese Qualitäten, wer genussvoll isst und trinkt, was die eigene Region anbietet. Das ist die Überzeugung der Slow-Food-Anhänger. In Italien gegründet, feiert der Ableger zur Pflege der Geschmacksnerven in Deutschland heute und morgen sein 20. Jubiläum. Auch Slow Food hätte uns eine Bionade-Bourgeoisie beschert, schreibt die Journalistin Kathrin Hartmann in Ihrem Buch "Das Ende der Märchenstunde" und spuckt damit gehörig in die Geburtstagssuppe. Schönen guten Morgen, Frau Hartmann!
Kathrin Hartmann: Schönen guten Morgen.
Wuttke: Ist Bionade für Sie ein echter Genuss, oder ging es in diesem Fall um den Stabreim?
Hartmann: Bionade ist ein süßer Sprudel, den man nicht überbewerten sollte, der vielleicht ganz lecker schmeckt, aber sicher nicht, wie man es mal versprochen hat, die Welt retten wird. Welt retten und genießen, das sind einfach zwei Paar Stiefel.
Wuttke: Was ist also das Bourgeoise an der Bionade?
Hartmann: Das Bourgeoise ist, dass es eine sogenannte Genusselite anspricht, also eine Käuferschicht eher, weniger eine politisch interessierte Schicht, sondern eher eine Käuferschicht, die zum Zwecke des guten Gewissens viel Geld ausgibt und auch viel Geld im Geldbeutel hat.
Wuttke: Und was ist daran schlecht?
Hartmann: Das Schlechte daran ist, dass man über Konsum nicht die Welt retten wird und dass man mit diesem ganzen Hype - die persönliche Lebensstiländerung und der persönliche Genuss besseren Essens - tatsächlich die Probleme beseitigen kann, die das beseitigen will.
Denn wenn wir über die Probleme sprechen, dann sprechen wir über Hunger, dann sprechen wir über eine ausbeuterische Landwirtschaft, dann sprechen wir über unfaire Handelsbeziehungen, und da hat Genuss einfach so wenig dabei zu suchen. Genuss ist einfach etwas anderes und das bewegt das ganze in eine etwas elitäre Richtung. Auch wenn Slow Food politische Themen formuliert, steht doch einfach der Genuss und eine etwas elitäre Zielgruppe ein wenig zu sehr im Vordergrund.
Wuttke: Gutes Essen muss man sich leisten können, daran besteht absolut kein Zweifel. Wenn ich mich jetzt aber mal auf die Seite der Jubilarin stelle – die Biosupermarkt-Ketten, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, die zeugen doch aber auch davon, dass der Mittelstand mit einem nicht ganz so gut gefüllten Portemonnaie zumindest den Wunsch hat, etwas besser zu machen. Kann man das so verurteilen?
Hartmann: Nein, den Wunsch kann man sicher nicht verurteilen. Aber die Idee, dass das über die Supermarkt-Kasse gehen soll, das sollten wir uns abschminken. Denn wenn man sich jetzt zum Beispiel tatsächlich einen Biosupermarkt anschaut, wie der sich entwickelt hat über den Hype, der ja auch sehr über den Genuss formuliert worden ist, sehr über eine neue Art des Glamours – da war es ja vorbei mit Schrumpelkarotte, Bio ist jetzt sexy -, wenn man sich jetzt einen Biosupermarkt anschaut, dann findet man eben genau nicht nur nachhaltige Produkte darin, sondern wenn ich im Biosupermarkt im April den Freilandspinat kaufen möchte, der hier Saison hat, dann finde ich stattdessen Pflaumen aus Argentinien und ich finde Biotütensuppen.
Das hat mit Nachhaltigkeit sehr, sehr wenig zu tun und mit Öko sehr, sehr wenig zu tun, sondern es ist eigentlich, im Gegenteil passiert, dass das zu einem Label für gutes Gewissen geworden ist und im Grunde die Idee befördert, dass wir so weitermachen können wie bisher, nur mit dem richtigen Stempel darauf und schon wird alles gut, und so ist es nicht. Die Hintergründe sind da einfach leider in den Hintergrund getreten.
Wuttke: Was raten Sie dann also all denen, denen Sie jetzt ein schlechtes Gewissen gemacht haben?
Hartmann: Na ja, Slow Food hat ja auch tatsächlich politische Wurzeln. Slow Food beschäftigt sich natürlich auch mit anderen Anbaumethoden. Die beschäftigen sich auch mit Hunger in der Welt, mit Lebensmittelspekulationen. Und das sollte sehr viel mehr in den Vordergrund treten. Dieses politische Interesse ist sehr, sehr wichtig, um wirklich die Herstellungsbedingungen, die Landwirtschaft zu ändern.
Und ich sehe das gar nicht so schwarz, sondern ich sehe ja, es gab auch Anfang des Jahres eine große Demonstration für bessere Lebensmittel, für eine bessere Landwirtschaft, und das ist der Weg, also dafür zu kämpfen, dass wir alle davon profitieren, dass es eine bessere Landwirtschaft gibt, dass wir alle den Zugang zu gutem und gerecht hergestelltem Essen haben und dass das nicht nur einer Elite vorbehalten bleibt, die sich im Moment teurere Bioprodukte einfach leisten kann. So soll es nicht sein, sondern es soll ja gutes Essen für alle sein, nicht nur im Genusssinne, sondern auch was Gerechtigkeit betrifft und Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit.
Wuttke: …, sagt Kathrin Hartmann, Journalistin und Autorin des Buchs "Ende der Märchenstunde", am Tag, an dem Slow Food Deutschland sein 20. Jubiläum feiert. Ich danke Ihnen, Frau Hartmann, einen schönen Tag noch.
Hartmann: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Kathrin Hartmann: Schönen guten Morgen.
Wuttke: Ist Bionade für Sie ein echter Genuss, oder ging es in diesem Fall um den Stabreim?
Hartmann: Bionade ist ein süßer Sprudel, den man nicht überbewerten sollte, der vielleicht ganz lecker schmeckt, aber sicher nicht, wie man es mal versprochen hat, die Welt retten wird. Welt retten und genießen, das sind einfach zwei Paar Stiefel.
Wuttke: Was ist also das Bourgeoise an der Bionade?
Hartmann: Das Bourgeoise ist, dass es eine sogenannte Genusselite anspricht, also eine Käuferschicht eher, weniger eine politisch interessierte Schicht, sondern eher eine Käuferschicht, die zum Zwecke des guten Gewissens viel Geld ausgibt und auch viel Geld im Geldbeutel hat.
Wuttke: Und was ist daran schlecht?
Hartmann: Das Schlechte daran ist, dass man über Konsum nicht die Welt retten wird und dass man mit diesem ganzen Hype - die persönliche Lebensstiländerung und der persönliche Genuss besseren Essens - tatsächlich die Probleme beseitigen kann, die das beseitigen will.
Denn wenn wir über die Probleme sprechen, dann sprechen wir über Hunger, dann sprechen wir über eine ausbeuterische Landwirtschaft, dann sprechen wir über unfaire Handelsbeziehungen, und da hat Genuss einfach so wenig dabei zu suchen. Genuss ist einfach etwas anderes und das bewegt das ganze in eine etwas elitäre Richtung. Auch wenn Slow Food politische Themen formuliert, steht doch einfach der Genuss und eine etwas elitäre Zielgruppe ein wenig zu sehr im Vordergrund.
Wuttke: Gutes Essen muss man sich leisten können, daran besteht absolut kein Zweifel. Wenn ich mich jetzt aber mal auf die Seite der Jubilarin stelle – die Biosupermarkt-Ketten, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, die zeugen doch aber auch davon, dass der Mittelstand mit einem nicht ganz so gut gefüllten Portemonnaie zumindest den Wunsch hat, etwas besser zu machen. Kann man das so verurteilen?
Hartmann: Nein, den Wunsch kann man sicher nicht verurteilen. Aber die Idee, dass das über die Supermarkt-Kasse gehen soll, das sollten wir uns abschminken. Denn wenn man sich jetzt zum Beispiel tatsächlich einen Biosupermarkt anschaut, wie der sich entwickelt hat über den Hype, der ja auch sehr über den Genuss formuliert worden ist, sehr über eine neue Art des Glamours – da war es ja vorbei mit Schrumpelkarotte, Bio ist jetzt sexy -, wenn man sich jetzt einen Biosupermarkt anschaut, dann findet man eben genau nicht nur nachhaltige Produkte darin, sondern wenn ich im Biosupermarkt im April den Freilandspinat kaufen möchte, der hier Saison hat, dann finde ich stattdessen Pflaumen aus Argentinien und ich finde Biotütensuppen.
Das hat mit Nachhaltigkeit sehr, sehr wenig zu tun und mit Öko sehr, sehr wenig zu tun, sondern es ist eigentlich, im Gegenteil passiert, dass das zu einem Label für gutes Gewissen geworden ist und im Grunde die Idee befördert, dass wir so weitermachen können wie bisher, nur mit dem richtigen Stempel darauf und schon wird alles gut, und so ist es nicht. Die Hintergründe sind da einfach leider in den Hintergrund getreten.
Wuttke: Was raten Sie dann also all denen, denen Sie jetzt ein schlechtes Gewissen gemacht haben?
Hartmann: Na ja, Slow Food hat ja auch tatsächlich politische Wurzeln. Slow Food beschäftigt sich natürlich auch mit anderen Anbaumethoden. Die beschäftigen sich auch mit Hunger in der Welt, mit Lebensmittelspekulationen. Und das sollte sehr viel mehr in den Vordergrund treten. Dieses politische Interesse ist sehr, sehr wichtig, um wirklich die Herstellungsbedingungen, die Landwirtschaft zu ändern.
Und ich sehe das gar nicht so schwarz, sondern ich sehe ja, es gab auch Anfang des Jahres eine große Demonstration für bessere Lebensmittel, für eine bessere Landwirtschaft, und das ist der Weg, also dafür zu kämpfen, dass wir alle davon profitieren, dass es eine bessere Landwirtschaft gibt, dass wir alle den Zugang zu gutem und gerecht hergestelltem Essen haben und dass das nicht nur einer Elite vorbehalten bleibt, die sich im Moment teurere Bioprodukte einfach leisten kann. So soll es nicht sein, sondern es soll ja gutes Essen für alle sein, nicht nur im Genusssinne, sondern auch was Gerechtigkeit betrifft und Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit.
Wuttke: …, sagt Kathrin Hartmann, Journalistin und Autorin des Buchs "Ende der Märchenstunde", am Tag, an dem Slow Food Deutschland sein 20. Jubiläum feiert. Ich danke Ihnen, Frau Hartmann, einen schönen Tag noch.
Hartmann: Sehr gerne!
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