"Im Film kann man alles machen"
Gute Aufsätze oder ein Tagebuch – die meisten Mädchen schreiben gern. Ungewöhnlich ist, wenn daraus ein Drehbuch entsteht, das verfilmt wird, und die Autorin noch ein 16-jähriger Teenager ist. Helene Hegemann hat mit "Torpedo" ihren ersten Film fertig gestellt. Ihr Hörspiel "Ariel 15" ist am 13. Oktober um 0.05 Uhr im Deutschlandradio Kultur zu hören.
" Es wird nie gesagt werden: Die Regisseurin Helene Hegemann, es wird immer gesagt werden: Der Teenager Helene Hegemann. "
Berlin, Prenzlauer Berg. Helene Hegemann sitzt am Küchentisch, vor ihr ein Glas Cola und eine Packung Zigaretten. Sie trägt ein buntes Kleid über ihrer Hose, ein rotgemustertes Tuch um den Hals; die dunkelblonden Haare fallen ihr dauernd ins Gesicht. Wenn man wie Helene mit 14 Jahren sein erstes Drehbuch schreibt, das selber mit bekannten Schauspielern verfilmt, jetzt am zweiten Film und gleichzeitig an einem Roman arbeitet – dann hätte man wahrscheinlich auch ein gewisses Problem damit, ständig nur mit seiner Jugend konfrontiert zu werden.
" Dass man reduziert wird darauf, dass man diesen komischen Teenager-Behinderten-Bonus hat, und das als Problem markiert wird, im Endeffekt."
Die normale Welt eines Teenagers hat sie ohnehin schon länger hinter sich gelassen.
In Bochum aufgewachsen, zieht Helene mit 13 - nach dem Tod ihrer Mutter - nach Berlin, zum Vater. Sie geht nicht mehr zur Schule, sondern macht Fernabitur. An ihrer früheren Montessori-Schule im Schneidersitz ausharren, mit einem indianischen Redestab in der Hand – Zeitverschwendung.
" Meine Tage sehen so aus, man sitzt in irgendwelchen Cafés und Bars, geht abends tanzen, dann schreibt man ein bisschen, dann liest man ein bisschen, man trifft Freunde, geht ins Kino, ins Theater und fährt viel weg. Das ist ein großartiger Zustand, der aber auch ganz schnell langweilig werden kann, demnächst."
Aber auch nur demnächst… In der Wohnung, in der sie zusammen mit dem Vater wohnt, herrscht nicht – wie man vermuten könnte – kreatives Chaos, sondern, der Putzfrau sei Dank, peinliche Ordnung. Wenig Möbel, viel Platz zum Denken und Schreiben – und damit hat Helene gleich nach ihrem Umzug nach Berlin begonnen.
" Und dadurch, dass meine Mutter gestorben ist, dass ich so einen krassen Einschnitt erleben musste, und es eine Phase war, in der ich niemanden kannte und hierher gekommen bin und drei Monate lang gar nichts gemacht habe, habe ich gedacht: Jetzt muss ich was machen, am besten schreiben, alles aufschreiben."
Die Story, stark autobiografisch gefärbt: Eine 15-Jährige, die versucht, sich in ein neues Leben hineinzutasten. Davon handelt auch ihr zweites Stück, "Ariel 15", ein Theaterstück, das im Ballhaus Ost in Berlin uraufgeführt und nun als Hörspiel adaptiert wurde,. "Die Grundlagen der Verlorenheit" – der Untertitel von "Ariel 15" beschreibt Helenes damalige Situation genau, meint sie. Und ist zum Glück nur noch Erinnerung.
Ein wichtiger Teil ihres Lebens ist die Berliner Theaterszene geworden. Ihr Vater, Dramaturg an der Berliner Volksbühne, führt sie ein, stellt ihr Schauspieler und Regisseure vor.
" Ich habe sie dadurch auch ein bisschen erobert, dass ich dieses Theaterkind war. Irgendwann kam wirklich so ein Einschnitt wo ich dachte: Okay, jetzt spiele ich nicht die Blöde, sondern sag jetzt echt geile Sachen. Und das war ein ganz cooler Punkt damals, echt eindrucksvoll und dann wurde ich auch erst genommen. Das einzig Besondere ist wirklich, dass alle knallneurotisch sind, und dass da nicht auffällt, wenn man selber knallneurotisch ist, sich an diese Neurosen voll gewöhnt und daraus natürlich auch wahnsinnig coole Sachen entstehen. Wenn man es nicht übertreibt, kann man im Endeffekt fast alles machen, wenn man’s begründen kann."
Helene Hegemann lebt am liebsten in Extremen. Was sie anpackt, wird durchgezogen, mit vollem Einsatz. Theaterbesessen war sie, musikbesessen – und in frühester Jugend sogar tanzbesessen – bis zur westdeutschen Meisterin im Dancefloor hat sie es gebracht.
" Ich habe Dancefloor und Hip-Hop getanzt, und das drei Jahre lang jeden Tag trainiert und fand das großartig und habe mich total daran aufgegeilt und bin dann immer zu Turnieren gefahren, was ich mir absolut nicht mehr vorstellen kann: Das war ein Teil von meinem Leben, wie strange ist das denn!"
Wie lange Helene ihr derzeitiges Leben noch gefällt, mit durchdiskutierten Nächten, Touren durch Theater und Cafés, dass weiß sie selbst noch nicht genau. Mögliche Zukunftsaussichten: Haus, Ehemann und vier Kinder oder Immobilienmaklerin oder ein Studium in England – nichts wird ausgeschlossen.
Die allernächste Zukunft steht allerdings im Zeichen eines neuen Films, eine Medea-Geschichte. Wie bei ihrem ersten Film wird es natürlich auch diesmal Kritiker geben, die meinen, eine 16-Jährige würde sich mit diesem Thema überheben – doch das ist Helene Hegemann egal.
" Ich glaube, man kann im Film alles machen, man unterstellt den Leuten nichts. Es ist eine soziale Kunst, obwohl die Menschen daran beteiligt sind, kann man alles machen, was in der Wirklichkeit nicht geht. Auch nicht, um was zu propagieren, sondern weil man Lust darauf hat und was erleben möchte. Und ansonsten ist es Egoismus, dass ich Lust habe, wieder zu drehen, und das zu schreiben, und Lust habe, das später zu sehen."
Service:
Die Premiere des Films "Torpedo" von Helene Hegemann findet am 29.10.2008 um 21.30 Uhr in der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz statt.
Berlin, Prenzlauer Berg. Helene Hegemann sitzt am Küchentisch, vor ihr ein Glas Cola und eine Packung Zigaretten. Sie trägt ein buntes Kleid über ihrer Hose, ein rotgemustertes Tuch um den Hals; die dunkelblonden Haare fallen ihr dauernd ins Gesicht. Wenn man wie Helene mit 14 Jahren sein erstes Drehbuch schreibt, das selber mit bekannten Schauspielern verfilmt, jetzt am zweiten Film und gleichzeitig an einem Roman arbeitet – dann hätte man wahrscheinlich auch ein gewisses Problem damit, ständig nur mit seiner Jugend konfrontiert zu werden.
" Dass man reduziert wird darauf, dass man diesen komischen Teenager-Behinderten-Bonus hat, und das als Problem markiert wird, im Endeffekt."
Die normale Welt eines Teenagers hat sie ohnehin schon länger hinter sich gelassen.
In Bochum aufgewachsen, zieht Helene mit 13 - nach dem Tod ihrer Mutter - nach Berlin, zum Vater. Sie geht nicht mehr zur Schule, sondern macht Fernabitur. An ihrer früheren Montessori-Schule im Schneidersitz ausharren, mit einem indianischen Redestab in der Hand – Zeitverschwendung.
" Meine Tage sehen so aus, man sitzt in irgendwelchen Cafés und Bars, geht abends tanzen, dann schreibt man ein bisschen, dann liest man ein bisschen, man trifft Freunde, geht ins Kino, ins Theater und fährt viel weg. Das ist ein großartiger Zustand, der aber auch ganz schnell langweilig werden kann, demnächst."
Aber auch nur demnächst… In der Wohnung, in der sie zusammen mit dem Vater wohnt, herrscht nicht – wie man vermuten könnte – kreatives Chaos, sondern, der Putzfrau sei Dank, peinliche Ordnung. Wenig Möbel, viel Platz zum Denken und Schreiben – und damit hat Helene gleich nach ihrem Umzug nach Berlin begonnen.
" Und dadurch, dass meine Mutter gestorben ist, dass ich so einen krassen Einschnitt erleben musste, und es eine Phase war, in der ich niemanden kannte und hierher gekommen bin und drei Monate lang gar nichts gemacht habe, habe ich gedacht: Jetzt muss ich was machen, am besten schreiben, alles aufschreiben."
Die Story, stark autobiografisch gefärbt: Eine 15-Jährige, die versucht, sich in ein neues Leben hineinzutasten. Davon handelt auch ihr zweites Stück, "Ariel 15", ein Theaterstück, das im Ballhaus Ost in Berlin uraufgeführt und nun als Hörspiel adaptiert wurde,. "Die Grundlagen der Verlorenheit" – der Untertitel von "Ariel 15" beschreibt Helenes damalige Situation genau, meint sie. Und ist zum Glück nur noch Erinnerung.
Ein wichtiger Teil ihres Lebens ist die Berliner Theaterszene geworden. Ihr Vater, Dramaturg an der Berliner Volksbühne, führt sie ein, stellt ihr Schauspieler und Regisseure vor.
" Ich habe sie dadurch auch ein bisschen erobert, dass ich dieses Theaterkind war. Irgendwann kam wirklich so ein Einschnitt wo ich dachte: Okay, jetzt spiele ich nicht die Blöde, sondern sag jetzt echt geile Sachen. Und das war ein ganz cooler Punkt damals, echt eindrucksvoll und dann wurde ich auch erst genommen. Das einzig Besondere ist wirklich, dass alle knallneurotisch sind, und dass da nicht auffällt, wenn man selber knallneurotisch ist, sich an diese Neurosen voll gewöhnt und daraus natürlich auch wahnsinnig coole Sachen entstehen. Wenn man es nicht übertreibt, kann man im Endeffekt fast alles machen, wenn man’s begründen kann."
Helene Hegemann lebt am liebsten in Extremen. Was sie anpackt, wird durchgezogen, mit vollem Einsatz. Theaterbesessen war sie, musikbesessen – und in frühester Jugend sogar tanzbesessen – bis zur westdeutschen Meisterin im Dancefloor hat sie es gebracht.
" Ich habe Dancefloor und Hip-Hop getanzt, und das drei Jahre lang jeden Tag trainiert und fand das großartig und habe mich total daran aufgegeilt und bin dann immer zu Turnieren gefahren, was ich mir absolut nicht mehr vorstellen kann: Das war ein Teil von meinem Leben, wie strange ist das denn!"
Wie lange Helene ihr derzeitiges Leben noch gefällt, mit durchdiskutierten Nächten, Touren durch Theater und Cafés, dass weiß sie selbst noch nicht genau. Mögliche Zukunftsaussichten: Haus, Ehemann und vier Kinder oder Immobilienmaklerin oder ein Studium in England – nichts wird ausgeschlossen.
Die allernächste Zukunft steht allerdings im Zeichen eines neuen Films, eine Medea-Geschichte. Wie bei ihrem ersten Film wird es natürlich auch diesmal Kritiker geben, die meinen, eine 16-Jährige würde sich mit diesem Thema überheben – doch das ist Helene Hegemann egal.
" Ich glaube, man kann im Film alles machen, man unterstellt den Leuten nichts. Es ist eine soziale Kunst, obwohl die Menschen daran beteiligt sind, kann man alles machen, was in der Wirklichkeit nicht geht. Auch nicht, um was zu propagieren, sondern weil man Lust darauf hat und was erleben möchte. Und ansonsten ist es Egoismus, dass ich Lust habe, wieder zu drehen, und das zu schreiben, und Lust habe, das später zu sehen."
Service:
Die Premiere des Films "Torpedo" von Helene Hegemann findet am 29.10.2008 um 21.30 Uhr in der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz statt.