Im Herzen Lokführer
Der Roman "Grand Hotel" des 1972 geborenen Jaroslav Rudiš wurde zum beliebtesten Buch des Jahres gekürt. Der Schriftsteller hat eine Schwäche für jede Art von Gefährten, weil sie Ausgangspunkte für Geschichten liefern.
Jaroslav Rudiš, markante schwarze Brille, dunkle, asymmetrisch geschnittene Haare, Seitenscheitel, fährt mit der Prager Straßenbahnlinie 22. Die hat er zum Hauptort seines dritten Romans "Stille” gemacht hat.
"Das ist ja eigentlich eine touristische Linie. Wenn du durchs Stadtzentrum fährst, kommst du ganz schön zur Prager Burg. Und es ist auch eine Diebstahllinie, sehr beliebt von den Taschendieben. Es kann also eine Mischung entstehen: Touristen, Tschechen, Taschendiebe und Polizisten in Zivil, die denen nachjagen."
Die Hauptfigur seines dritten Buchs ist ein Straßenbahnfahrer. Rudiš' erster Roman "Der Himmel unter Berlin" ist eine Liebeserklärung an die Berliner U-Bahn. Und die Hauptfigur seiner Comic-Trilogie "Alois Nebel", die gerade verfilmt wird, arbeitet für die tschechische Bahn. Die Schiene hat es dem 36-jährigen Jaroslav Rudiš angetan. Sein Großvater war Weichensteller, sein Onkel ebenfalls bei der Bahn.
"Ich wollte eigentlich sehr lange Lokführer werden. Aber das hat nicht geklappt, weil ich dann eine Brille bekommen hatte. Und da konnte ich nicht in diese Lokführerschule gehen. Und so musste ich ins Gymnasium und wurde dann zum Lehrer, der das eigentlich nicht so lange in der Schule ausgehallten hat.
Also ich habe Deutsch und Geschichte studiert, aber als Deutschlehrer habe ich nur einen Monat gearbeitet. Ich war damals irgendwie 23 oder so. Und die Studentinnen waren so 17. Und das Plusquamperfectum hat die überhaupt nicht interessiert."
Stattdessen schrieb der im Böhmischen Turnov geborene Rudiš Theaterstücke. Anfangs arbeitete er als Nachtportier in einem Grandhotel im verregneten Liberec. "Grand Hotel" heißt dann auch Rudiš' zweiter Roman. Fleischman, die Hauptfigur, ist ein psychisch gestörter Nachtportier, der jeden Tag das Wetter beobachtet und die Daten festhält. Rudiš selbst war nie ein Hobbymeteorologe, im Gegensatz zu einem seiner beiden Brüder.
"Wenn wir zum Beispiel im Urlaub waren, mit meinen Eltern an der Ostsee, war er total gestresst, dass er nicht wissen würde, wie das Wetter war, wenn er nicht zu Hause war. Es gibt so eine Wetterhotline in Tschechien.
Und es gibt so ein paar Leute, die dort ständig anrufen, so dreimal pro Tag. Und die haben das Gefühl, dass sie total mit dem Wetter verbunden sind. Es ist wirklich an einer Grenze zu einer psychologischen Krankheit."
Die psychische Störung der tragikomischen Romanfigur besteht auch darin, dass Fleischman vergeblich versucht, seine Stadt Liberec zu verlassen. Das sei symptomatisch für Tschechen, erklärt Jaroslav Rudiš:
"Vielleicht haben wir so eine gewisse Leichtigkeit des Denkens und Trinkens. Aber diese Leichtigkeit des Bewegens haben wir nicht und sehr viele Leute sterben einfach dort, wo sie geboren sind. Und schon ein Umzug aus Liberec nach Prag kann für viele einfach zu einem Herzinfarkt oder zu einem Versagen von inneren Organen führen."
Jaroslav Rudiš liebt die Tragikomik. Seine Helden sind leicht bis schwer gestörte Menschen, die einem in ihrer aussichtslosen Lage sympathisch erscheinen. Vielleicht ist auch deshalb der Roman "Grandhotel" so erfolgreich verfilmt worden.
Ohne Tragikomik scheint Rudiš nicht zu können, egal in welchen Gattungen: Libretti, Theaterstücke, Lieder für seine eigene Band, Romane, journalistische Artikel - Hauptsache schreiben. Einmal las Jaroslav Rudiš einen Brief seiner Großmutter:
"Die ist '71 gestorben, eigentlich eine Woche, bevor ich geboren wurde. Die war eine Weberin in einer Fabrik. Aber sie hatte so einen Stil, dass ich dachte: Aha, die Lust zum Schreiben, wenn ich das geerbt habe, dann war das sie, weil das war so schön geschrieben. Und das fand ich klasse."
Seine Eltern, der Vater ein Radiofernsehtechniker, die Mutter eine Kindergärtnerin, besaßen eine umfangreiche Bibliothek. Mit zehn Jahren entdeckte Rudiš dort Hašeks Buch "Der brave Soldat Schwejk", außerdem Werke von Kundera und Hrabal.
Das und die Geschichten rund um die Schiene machten ihn vielleicht zu dem Autor, der er heute ist. Seine Schwäche für Eisenbahnen muss nun seine Freundin, eine Radiojournalistin, ertragen.
"Meine Freundinnen hatten es mit mir nie leicht, weil – also jetzt habe ich ein Auto, - aber sehr lange habe ich mich geweigert, Auto zu fahren und wollte immer mit der Bahn fahren. Und die Bahn in Tschechien, die würde gerne auch mal die Deutsche Bahn werden. Aber das ist halt die Tschechische Bahn, die ist halt um 30 Prozent langsamer und 30 Prozent schmutziger. Aber ich mag die trotzdem irgendwie."
In der Straßenbahnlinie 22 steht Jaroslav Rudiš angelehnt ans Fenster und beobachtet die Fahrgäste.
"Ich mag Grandhotels und auch Bahnhöfe und U-Bahnen und Straßenbahnen, weil das schon gute Ausgangspunkte für eine zufällige Geschichte sind. Du weißt nie, was dich da erwartet und du weißt nie, wen du dort treffen kannst."
"Das ist ja eigentlich eine touristische Linie. Wenn du durchs Stadtzentrum fährst, kommst du ganz schön zur Prager Burg. Und es ist auch eine Diebstahllinie, sehr beliebt von den Taschendieben. Es kann also eine Mischung entstehen: Touristen, Tschechen, Taschendiebe und Polizisten in Zivil, die denen nachjagen."
Die Hauptfigur seines dritten Buchs ist ein Straßenbahnfahrer. Rudiš' erster Roman "Der Himmel unter Berlin" ist eine Liebeserklärung an die Berliner U-Bahn. Und die Hauptfigur seiner Comic-Trilogie "Alois Nebel", die gerade verfilmt wird, arbeitet für die tschechische Bahn. Die Schiene hat es dem 36-jährigen Jaroslav Rudiš angetan. Sein Großvater war Weichensteller, sein Onkel ebenfalls bei der Bahn.
"Ich wollte eigentlich sehr lange Lokführer werden. Aber das hat nicht geklappt, weil ich dann eine Brille bekommen hatte. Und da konnte ich nicht in diese Lokführerschule gehen. Und so musste ich ins Gymnasium und wurde dann zum Lehrer, der das eigentlich nicht so lange in der Schule ausgehallten hat.
Also ich habe Deutsch und Geschichte studiert, aber als Deutschlehrer habe ich nur einen Monat gearbeitet. Ich war damals irgendwie 23 oder so. Und die Studentinnen waren so 17. Und das Plusquamperfectum hat die überhaupt nicht interessiert."
Stattdessen schrieb der im Böhmischen Turnov geborene Rudiš Theaterstücke. Anfangs arbeitete er als Nachtportier in einem Grandhotel im verregneten Liberec. "Grand Hotel" heißt dann auch Rudiš' zweiter Roman. Fleischman, die Hauptfigur, ist ein psychisch gestörter Nachtportier, der jeden Tag das Wetter beobachtet und die Daten festhält. Rudiš selbst war nie ein Hobbymeteorologe, im Gegensatz zu einem seiner beiden Brüder.
"Wenn wir zum Beispiel im Urlaub waren, mit meinen Eltern an der Ostsee, war er total gestresst, dass er nicht wissen würde, wie das Wetter war, wenn er nicht zu Hause war. Es gibt so eine Wetterhotline in Tschechien.
Und es gibt so ein paar Leute, die dort ständig anrufen, so dreimal pro Tag. Und die haben das Gefühl, dass sie total mit dem Wetter verbunden sind. Es ist wirklich an einer Grenze zu einer psychologischen Krankheit."
Die psychische Störung der tragikomischen Romanfigur besteht auch darin, dass Fleischman vergeblich versucht, seine Stadt Liberec zu verlassen. Das sei symptomatisch für Tschechen, erklärt Jaroslav Rudiš:
"Vielleicht haben wir so eine gewisse Leichtigkeit des Denkens und Trinkens. Aber diese Leichtigkeit des Bewegens haben wir nicht und sehr viele Leute sterben einfach dort, wo sie geboren sind. Und schon ein Umzug aus Liberec nach Prag kann für viele einfach zu einem Herzinfarkt oder zu einem Versagen von inneren Organen führen."
Jaroslav Rudiš liebt die Tragikomik. Seine Helden sind leicht bis schwer gestörte Menschen, die einem in ihrer aussichtslosen Lage sympathisch erscheinen. Vielleicht ist auch deshalb der Roman "Grandhotel" so erfolgreich verfilmt worden.
Ohne Tragikomik scheint Rudiš nicht zu können, egal in welchen Gattungen: Libretti, Theaterstücke, Lieder für seine eigene Band, Romane, journalistische Artikel - Hauptsache schreiben. Einmal las Jaroslav Rudiš einen Brief seiner Großmutter:
"Die ist '71 gestorben, eigentlich eine Woche, bevor ich geboren wurde. Die war eine Weberin in einer Fabrik. Aber sie hatte so einen Stil, dass ich dachte: Aha, die Lust zum Schreiben, wenn ich das geerbt habe, dann war das sie, weil das war so schön geschrieben. Und das fand ich klasse."
Seine Eltern, der Vater ein Radiofernsehtechniker, die Mutter eine Kindergärtnerin, besaßen eine umfangreiche Bibliothek. Mit zehn Jahren entdeckte Rudiš dort Hašeks Buch "Der brave Soldat Schwejk", außerdem Werke von Kundera und Hrabal.
Das und die Geschichten rund um die Schiene machten ihn vielleicht zu dem Autor, der er heute ist. Seine Schwäche für Eisenbahnen muss nun seine Freundin, eine Radiojournalistin, ertragen.
"Meine Freundinnen hatten es mit mir nie leicht, weil – also jetzt habe ich ein Auto, - aber sehr lange habe ich mich geweigert, Auto zu fahren und wollte immer mit der Bahn fahren. Und die Bahn in Tschechien, die würde gerne auch mal die Deutsche Bahn werden. Aber das ist halt die Tschechische Bahn, die ist halt um 30 Prozent langsamer und 30 Prozent schmutziger. Aber ich mag die trotzdem irgendwie."
In der Straßenbahnlinie 22 steht Jaroslav Rudiš angelehnt ans Fenster und beobachtet die Fahrgäste.
"Ich mag Grandhotels und auch Bahnhöfe und U-Bahnen und Straßenbahnen, weil das schon gute Ausgangspunkte für eine zufällige Geschichte sind. Du weißt nie, was dich da erwartet und du weißt nie, wen du dort treffen kannst."