Im Jahr 2019 verstorbene Musiker

Ihr Feuer ist erloschen, ihre Stimmen tragen weiter

06:00 Minuten
Keith Flint von Prodigy live beim Auftritt in der Brixton Academy, 2017.
Sein "Firestarter" lodert in der Pop-Hall-of-Fame: The-Prodigy-Frontmann Keith Flint (1969 - 2019). © picture alliance / Photoshot
Von Jenni Zylka |
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Dem Tod haben sie sich auf jeweils eigene Weise in ihrer Kunst zugewandt. Nun haben sie die letzte Grenze überschritten. Jenni Zylka erinnert an Musikerinnen und Musiker, die wir 2019 verloren haben und nicht vergessen wollen.
Die Sängerin der Band Roxette, Marie Fredriksson, der Superschlagzeuger Ginger Baker, der unter anderem bei "Cream" trommelte, der The-Cars-Gründer Ric Ocasek, der Surf-Gitarrist Dick Dale, und der Filmkomponist André Previn – von all diesen beeindruckenden Musikerinnen und Musikern mussten wir uns im Jahr 2019 verabschieden. Und es waren in diesem Jahr natürlich noch viel mehr unvergessene Künstler und Künstlerinnen zu beklagen.

Scott Walker: düster, wuchtig, dringlich

Wie eine Hexe in der Nacht wartet der Tod. Bereits 1967 interpretierte der Sänger und Komponist Scott Walker diesen Jacques-Brel-Song, natürlich auf seine unnachahmlich düstere, wuchtige und dringliche Art. Doch der Tod wartete glücklicherweise noch eine ganze Weile, sodass der ehemalige Frontmann der Walker Brothers nach deren Auflösung 1978 eine lange und avantgardistische Solokarriere durchlaufen konnte, bis er im März dieses Jahres mit 76 in London die letzte Grenze überschritt.
Und apropos Grenzüberschreitung: Klar vermissen wir auch Roky Erickson, Sänger der eigenwilligen Psychedelic-Band "The 13th Floor Elevators", der das Vermissen hier bereits vorausahnte. Mit 71 starb der Musiker im Mai dieses Jahres nach einem sehr wechselhaften Leben, das von psychischen Krankheiten, wegen denen er jahrelang stationär behandelt wurde, von Drogenkonsum und zunehmender Verwahrlosung geprägt war. Doch er schafft es nochmal heraus aus dem Tief: Seit 2005 gab Erickson wieder in unterschiedlichen Konstellationen Konzerte.

Kim Shattuck: Punk, Sixties-Sound und Feminismus

"I'm here I'm not" – leider ist auch sie nicht mehr hier, Kim Shattuck, Sängerin und Gitarristin der US-amerikanischen Punkrockband The Muffs. Sie starb mit nur 56 Jahren im Oktober an den Folgen von ALS, zwei Wochen bevor das siebte Album der Band erschien. Die Kalifornierin, die in den 80ern ihre Karriere bei der großartigen All-female-Garagenrockband The Pandoras begann, verband in ihren Songs Punk, Sixties-Sound und selbstverständlichen Feminismus.
Womit dieser Mann vermutlich weniger anfangen wollte: Andre Williams, der im März mit 82 Jahren gestorben ist. Seine Karriere umspann Jahrzehnte, und trotz Co-Autorenschaft von Hits wie "Shake A Tail Feather" waren Leben und Erfolg des aus ärmlichen Verhältnissen in Alabama stammenden R’n’B-Künstlers eher wechselhaft. Bekannt aber auch kritisiert wurde er als Sexist der alten Schule: Im Song "Jail Bait" singt er aus der Sicht eines Mannes, dessen Vorliebe für junge Mädchen ihn vor Gericht bringt. In einem anderen Song heißt es, wenig subtil, dafür umso schlüpfriger: "There ain’t no place I’d rather be, than looking down at you looking up at me." Tja. Ziemlich nasty.

Keith Flint: energetisch, wirbelnd, nasty

Keith Flint singt im gleichnamigen Titel von The Prodigy über seine eigene Vorstellung vom Nasty-Sein. Der energetische Sänger, Shouter und Derwisch, dessen "Firestarter" elektronische Dance-Musik um eine Punkattitude anreicherte, war noch im Herbst letzten Jahres mit einem neuen Prodigy-Album auf Tournee. Im März 2019 wurde er mit 49 Jahren in seinem Haus tot aufgefunden. Kaum fassbar, dass dieses Feuer nicht mehr brennt.
Auf einem schwarz weissen Foto sieht man den Komponisten Benjamin Britten bei der Probe mit dem English Chamber Orchestra und zwei Solistinnen, Miss Heather Harper und Mis Josephine Veasey (sitzend).
Heather Harper bei der Probe mit Benjamin Britten und dem English Chamber Orchestra.© imago images / United Archives International
Und auch bei dem Lied von Anton Webern spürt man Feuer in der Stimme, wenn auch ganz anders: Die irische Sopranistin Heather Harper, die im April mit 88 Jahren starb, war eine der erfolgreichsten Interpretinnen vor allem Neuer Musik. Sie sang 1962 die triumphale Premiere von Benjamin Brittens "War Requiem", dabei war sie damals als Krankheitsersatz eingesprungen.
Die letzte Stimme gehört aber jemandem, der während seines 58-jährigen Lebens selten auf großen Bühnen stand: Im September starb der kalifornische Musiker und Künstler Daniel Johnston, dessen Stimme stets die psychischen Krisen spiegelte, mit denen er kämpfte. Er wird nicht vergessen. "True love will find you in the end."
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