Im Körper einer Frau gefangen

12.04.2010
Geboren im falschen Körper: Bis 2007 lebt die erfolgreiche Stabhochspringerin Yvonne Buschbaum als Frau. Sie feiert berufliche Erfolge und gewinnt zweimal sogar die Bronzemedaille bei Europameisterschaften. Doch glücklich ist Yvonne Buschbaum nicht.
Sie fühlt sich fremd im eigenen Körper, fühlt sich mehr als Mann denn als Frau. Mit 27 Jahren entschließt sie sich zu einer geschlechtsangleichenden Operation. Fortan heißt die ehemalige Frau Balian Buschbaum, ist ein Mann, arbeitet als Trainer und ist angekommen in seiner wahren Identität. Jetzt hat Balian Buschbaum die Geschichte seiner Transsexualität aufgeschrieben.

"Blaue Augen bleiben blau" liest sich wie eine Art Tagebuch, mit allen Vor- und Nachteilen. Die Sprache ist blumig, der Stil manieriert, und die immer wieder eingestreuten Weisheiten vom Kaliber eines Paolo Coellho hinterlassen oft einen süßlichen Nachgeschmack. Andererseits hat hier jemand wirklich etwas zu erzählen. Dieses Buch macht Mut, auf einer Ebene, die nichts mehr mit der Frage nach dem richtigen Schreibstil zu tun hat. Der Leser trifft einen humorvollen und selbstironischen Fabulierer, der so übermütig wie unerbittlich seinen Weg geht.

Das Buch beginnt mit dem Besuch bei seiner sterbenden Oma, liebevoll Omilein genannt, bei der Balian Buschbaum einen Teil seiner Kindheit verbrachte. Von ihrem Krankenbett aus rekonstruiert Buschbaum sein Leben – die glückliche, wilde Kindheit, die schmerzliche Pubertät, die erste Liebe.

Immer schon hat sich Buschbaum als Mann empfunden, Transidentität lautet der Fachausdruck. Seine Umgebung hat ihn meist entsprechend behandelt - von den ersten Mädchen, die er küsste, bis zu seinen (heterosexuellen) Freundinnen. Trotzdem stimmt etwas nicht, schon früh fühlt er sich gefangen in diesem Mädchenkörper, den er nicht mag. Sein Unbehagen findet schließlich im Sport ein Ventil: Der ungehörige Körper wird gezüchtigt und zugerichtet, bis er wenigstens als Leistungsmaschine perfekt funktioniert. Bis die Achillessehne reißt. Und es mit der Olympiahoffnung endgültig vorbei ist.

Da ist Buschbaum 27. Und muss sich endlich seinem Schatten stellen. Unterstützt durch seine damalige Freundin verkündet er seinen Rückzug aus dem Leistungssport und seine Absicht, endlich auch körperlich zu dem zu werden, was er seelisch schon lange ist: ein echter Mann.

Er bekommt Testosteronspritzen. Die Stimme verändert sich - und das Gemüt. Diese Schilderungen gehören zu den Highlights des Buches. Buschbaum beschreibt die weibliche Gefühlswelt als wesentlich komplexer als die männliche, bestimmt von endlosen Fragen, Überlegungen und Abwägungen. Mit jeder Testosteronspritze fällt ihm der Zugang schwerer. Klarheit, Leichtigkeit und Entschlossenheit treten an die Stelle unendlicher Möglichkeiten. Auch die endgültige Operation, bei der aus den Schamlippen ein Penis konstruiert wird, verläuft gut: Die erste Erektion wird zum Freudenfest.

Und genau das macht dieses Buch aus, authentisch lässt es den Leser teilhaben an den Gefühlen eines Mannes im Frauenkörper, an seinen Nöten und an seiner Entscheidung, die Grenzen der Biologie zu überwinden. Dieses Buch ist ein ebenso flammendes wie anrührendes Plädoyer, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen - allen Widerständen zum Trotz.

Zum Autor:
Balian Buschbaum wurde 1980 als Yvonne in Ulm geboren, errang mehrfach den Titel der deutschen Jugendmeisterin und wurde 1999 erstmals deutsche Meisterin im Stabhochsprung. Bei den Europameisterschaften 1998 und 2002 gewann sie die Bronzemedaille. Im November 2007 kündigt sie bei "Johannes B. Kerner" ihre bevorstehende Geschlechtsumwandlung an. Für Balian, wie er sich fortan nennt, ist das der letzte konsequente Schritt auf dem Weg zu seiner wahren Identität. Balian Buschbaum trainiert heute die Stabhochsprung-Spitzensportlerinnen. "Blaue Augen bleiben blau. Mein Leben" ist sein erstes Buch.

Besprochen von Ariadne von Schirach

Balian Buschbaum: Blaue Augen bleiben blau. Mein Leben
Krüger Verlag, 2010
252 Seiten, 17,95 Euro