Im Kongo herrscht Anspannung
Korruption, Vergewaltigungen und marodierende Milizen: Trotz eines Friedensabkommens ist der Osten des Kongos von Stabilität weit entfernt. Der Ausgang der Parlaments- und Präsidentaftswahl könnte die Spannungen nun zusätzlich verschärfen.
"Zuhause im Dorf wusste ich nicht mehr ein noch aus. Alle meinten, in der Stadt sei es besser. Mein Mann hat mich und die fünf Kinder verlassen, nachdem er erfuhr, dass ich vergewaltigt worden bin, als er auf dem Feld war. Schwanger bin ich jetzt von einem anderen Mann. Aber der ist inzwischen verstorben."
Das Leben der 30-jährigen Esperance Ngabo ist von Krieg, ständiger Flucht vor Rebellen, Soldaten und Milizen geprägt. Ihre Geschichte ist kein Einzelfall. Der Osten der Demokratischen Republik Kongo befindet sich seit 1996 im sogenannten "afrikanischen Weltkrieg", in dem die Nachbarstaaten Burundi, Uganda und Ruanda mit Rebellengruppen und Militärs kräftig mitmischen. Fünf Millionen Menschen, starben schätzungsweise als Folge der Unruhen. 2002 wurde zwar ein Friedensabkommen unterzeichnet. Seit 2009 versucht die kongolesische Armee Rebellen und Milizen in ihre Reihen zu integrieren – allerdings oftmals mit dem Ergebnis, dass sie nun gemeinsam die Zivilbevölkerung tyrannisieren. Von Stabilität dagegen ist die Region weit entfernt.
Im Panzi-Krankenhaus von Bukavu haben Ärzte und Krankenschwestern alle Hände voll zu tun, die Wartehallen sind voll. Das Hospital ist spezialisiert auf die Behandlung der Folgen sexueller Gewalt. Unter den Patientinnen sind viele Frauen, die Opfer von immer noch stattfindenden Massenvergewaltigungen sind. Weltweit hatten diese in den letzten Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Die Ärztin Nene Rukunahu erzählt, dass sie seit einem Jahr, also seit der Integration der Rebellen und Milizen in die Armee, einen enormen Anstieg an Vergewaltigungen verzeichnen.
"Heute Morgen kam ein zehnjähriges Mädchen hier an. Vier Männer aus der Armee hatten sie und ihre Mutter vergewaltigt. Vor der Vergewaltigung haben sie ihr ein Messer in die Vagina gerammt – es sah furchtbar aus, ein ganz schlimmer Fall. Ich komme frisch vom OP, wo wir versucht haben, sie wieder herzustellen. Das sind so die Geschichten, bei denen man denkt – jetzt kann ich nicht mehr. Und sie gehören zu unserem Alltag. Immer wenn wir denken, jetzt wird es besser, kommen eine Woche darauf wieder solche Fälle. Es ist so enttäuschend. Dabei wünschen wir uns so sehr, wieder Hoffnung schöpfen zu können."
Das Panzi Krankenhaus hat inzwischen traurige Berühmtheit erlangt. Helfer, Promis, Botschafter und Politiker aus aller Herren Länder geben sich hier die Klinke in die Hand. Nur aus dem eigenen Land, dem Kongo, finde kaum jemand den Weg hierhin, moniert die Ärztin.
"Wir brauchen kein Geld, der Kongo ist ein sehr reiches Land. Wir brauchen keine Lebensmittelhilfe. Alles, was wir brauchen, ist Frieden. Dann wird auch die völlige Straffreiheit für Verbrechen hier enden. Aber die Regierung will nicht wahrhaben, wie schlimm die Lage derzeit ist. Offiziell herrscht kein Krieg mehr. Aber die Realität sieht anders aus – selbst hier in Bukavu kann man doch nicht von Frieden sprechen. Die Politiker verschließen die Augen vor der Realität."
Zu denen will der Vizegouverneur der Provinz Süd-Kivu sich nicht zählen. Jean-Claude Kibala, hat 18 Jahre lang in Deutschland gelebt und vor drei Jahren seine Familie in Troisdorf zurückgelassen, um im Ostkongo das Ruder herumzureißen.
"Ich muss ihnen sagen, ich war schockiert. Das war eine Katastrophe. Also, ich war klar, jeder weiß, wenn Krieg ist, was man alles verlieren kann, aber wenn man es dann selber sieht ... das waren keine schönen Bilder."
Nichtsdestotrotz: Kibala bleibt optimistisch. Er versucht zu helfen, wo er kann, meist zahlt er notwendige Mittel aus eigener Tasche. Er ist aus Überzeugung in seine Heimat zurückgekehrt. Auch er weiß, dass die Demokratische Republik Kongo dank seiner heiß begehrten Bodenschätze das reichste Land Afrikas sein könnte. Die zum Teil weltweit größten Gold-, Kupfer-, Diamanten-, Kobalt-, Uran- und Coltan-Vorkommen befinden sich dort - im Herzen Afrikas. Deren Abbau wird allerdings weitgehend von eigenmächtig agierenden Generälen und Warlords kontrolliert, die damit illegalen Handel treiben. Soweit es in seiner Macht steht, stemmt sich Vizegouverneur Kibala dagegen: Er nimmt Kriminelle fest, er suspendiert korrupte Militärangehörige, er argumentiert – die Hoffnung verliert er bei alledem nicht.
"Wenn man in der Lage ist, zu produzieren und Menschen einen Job zu geben, damit sie einen gewissen Betrag verdienen, dann hätte man die Möglichkeit hier etwas zu verändern. Und das ist möglich. Bei dem was wir haben – es ist möglich."
Müssen nur noch Korruption, Rebellen, Milizen und der internationalen skrupellosen Raffgier nach Bodenschätzen ein Ende bereitet, Rechtssicherheit eingeführt und uneigennützige Politiker gewählt werden. Aber immerhin: Jean Claude Kibala ist ein Hoffnungsschimmer im kongolesischen "Herzen der Finsternis".
Ein Reintegrationsprojekt für Kindersoldaten.
Im schummrigen Licht eines Unterschlupfs blitzt das Weiß Dutzender Kinderaugen. Es sind die Augen ehemaliger Soldaten, viele gerade einmal 14, 15 Jahre alt. Heute ist der Strom mal wieder ausgefallen in Bukavu, der vom Bürgerkrieg zerrütteten Hauptstadt der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu.
Die Jungen sind unruhig – das Essen könnte sich verzögern. Wenn die von der UN spendierten Mahlzeiten nicht pünktlich ausgeteilt werden, randalieren sie, erzählt Murhabasi Namegabe, Leiter des Heims für derzeit 50 ehemalige Kindersoldaten.
"Das Essen spielt hier eine zentrale Rolle. Es geht dabei nicht nur darum, dass die Kinder Nahrung aufnehmen. Vielmehr sollen sie dadurch auch lernen, friedlich miteinander umzugehen. Die Kinder kommen aus den über 17 verschiedenen Rebellengruppen, wie den nicht zu schlagenden Mai Mai Milizen. Manche kommen aus Ruanda, wo sie sich im Busch gegenseitig bekämpft haben. Hier müssen sie gemeinsam an einem runden Tisch sitzen, sich in die Augen schauen und miteinander teilen. Sie müssen lernen, dass alle die gleichen Rechte haben und miteinander auskommen müssen."
Das ist nicht leicht. Denn die Vergangenheit hat die Kinder gefühlstaub gemacht – innerlich abgestorben. Einige wurden schon im Alter von sechs Jahren von Rebellen und Milizen gekidnappt. Die meisten aber so wie Bahati mit zwölf Jahren verschleppt.
"Ich war gnadenlos. Ich habe nie gezögert, sofort getötet. Wenn man mir sagte, schieß ins Herz, dann habe ich es getan. Sollte ich in den Kopf schießen, dann habe ich auch das getan. Ich habe viele Menschen umgebracht. Zahllose. Keine Ahnung wie viele. Der erste, den ich erschoss, das war ein großer Oberst, das war ziemlich beängstigend. Danach habe ich nur noch weitergemacht. Gespürt habe ich nichts. Es war mein Job."
Er tötete für die Mai Mai, jene Milizen, die für ihre Kaltblütigkeit und Brutalität bekannt sind, denen nachgesagt wird, dass sie dank traditioneller Zauberkräfte unverwundbar sind.
"Mein Großvater hat mir auch ein Zaubermittel gegeben, sodass mir nichts passieren konnte, ich war unsterblich. Bei den Mai Mai war es gut. Die hatten Respekt vor mir. Ich war Leutnant. Aber als wir in die staatliche Armee integriert wurden, da wurde es hart. Die verschiedenen Rebellengruppen bekriegten sich, es gab kein Essen und keinen Sold."
Bahati forderte sein Geld ein. Als der zuständige General sich weigerte, ihn zu bezahlen – weil er entweder tatsächlich kein Geld von der Regierung bekommen hatte oder weil er lieber in die eigene Tasche wirtschaftete, brach Bahati der Frau des Generals beide Beine. Er landete im Gefängnis, bis Namebages Hilfsorganisation den Minderjährigen herausholte.
"Die Kinder, die hier ankommen, sind krank und unterernährt. Sie haben Jahre im Busch gelebt und gekämpft. In unserem Zentrum steht ihnen dann ein ganzes Team zur Verfügung, das sich individuell um ihre Gesundheit und ihre Psyche kümmert. Wir haben Ernährungsberater, Krankenschwestern, Ärzte, Soziologen, Psychologen. Meist müssen wir sie wie Babys von Grund auf sozialisieren und ihnen alles, wirklich alles beibringen. Es ist der Versuch, ihnen eine Kindheit zurückzugeben, die sie nie hatten."
Bahati ist erst seit wenigen Monaten im Zentrum und weit davon entfernt, ein normaler 16-Jähriger zu werden.
"Wir sind zwar demobilisiert. Aber wenn es wieder Krieg gibt, dann kämpfe ich, ich lasse doch mein Land nicht zerstören."
Der Unterschlupf für Kindersoldaten, der vor allem von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, finanziert wird, hat bis heute tausende Kinder und Jugendliche psychologisch betreut. Allein in diesem Jahr hat das Zentrum für weit über 800 Kindersoldaten ein neues Zuhause gefunden. Entweder konnten Familienangehörige ausfindig gemacht werden oder die Jungen wurden in Gastfamilien oder in kleinen Wohngemeinschaften in unmittelbarer Nähe untergebracht, erzählt Heimleiter Namegabe.
"Ich blicke sehr zuversichtlich in die Zukunft dieser Kinder. 68 bis 70 Prozent unserer Jungs schaffen es. Das sind Erfolgsgeschichten: Sie sind stabil und beginnen ein neues Leben. Die meisten gehen wieder zur Schule oder machen eine Ausbildung. Schwierig wird es nur, wenn es in ihrer Heimatregion wieder bewaffnete Konflikte oder familiäre Auseinandersetzungen gibt. Grundsätzlich sind wir aber optimistisch in Hinblick auf die Zukunft dieser Kinder.
Sollte sich die Lage durch die Wahlen aber weiter aufheizen und sollte es wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen, wären Kinder die ersten Opfer. Sie würden erneut rekrutiert werden und damit wären all unsere Demobilisierungs- und Reintegrationsbemühungen dahin."
Ähnlich gefährdet sind die ersten Versuche eines landwirtschaftlichen Wiederaufbaus.
Es wird gehackt, gegraben und gejätet. Saftig grüne Reisterrassen ziehen sich über mehrere Kilometer durch ein abgelegenes Tal unweit des kleinen Ortes Kitchanga. Fast könnte man es als idyllisch empfinden. Aber die vierstündige Fahrt von Goma hierher geht durch unwegsames Gelände. Die kurvigen Holperpisten sind schlammig und unsicher. Rebellen und Milizen ziehen immer wieder durch die Region, plündern Dörfer, vergewaltigen Frauen und zerstören Häuser und Hütten. Dennoch sagt Alfons Habimana, der vor wenigen Monaten nach Jahren der Flucht im eigenen Land in seinen Heimatort zurückgekehrt ist, es gebe Grund zur Hoffnung.
"Momentan würde ich schon sagen, dass sich die Lage verändert hat. Sie ist etwas entspannter, wir fühlen uns sicherer als während des Krieges. Aber ich habe, jetzt wo ich zurück bin, weder ein Haus, noch kann ich auf meine alten Ländereien zurück. Mein Haus wurde abgebrannt, alles ist zerstört, meine Felder haben andere besetzt. Ich lebe jetzt in einer Strohhütte. Immerhin wir haben Essen. Das, was wir hier produzieren, kann eine Frau auf dem Markt zu Geld machen. Insofern haben sich die Dinge seit dem offiziellen Kriegsende schon verbessert."
Das Welternährungsprogramm bei Kitchanga hat das sogenannte food for work-Programm aufgelegt: Rund 3000 Binnenflüchtlinge erhalten so Lebensmittel und betreiben dafür Landwirtschaft. Das Saatgut, die Werkzeuge und Anleitung bekommen sie durch eine kongolesische Nichtregierungsorganisation.
"Ich arbeite sehr gerne hier, weil es mir wieder eine Lebensaufgabe und Zukunftsperspektive gibt. Langfristig möchte ich selber Land besitzen, um für mich und meine Familie sorgen zu können. Wenn wir Überschüsse produzieren könnten, dann könnten wir es uns vielleicht auch leisten, unsere Kinder wieder zur Schule zu schicken. Meine Hoffnung ist, dass wir hier einen Neuanfang wagen können, um vielleicht irgendwann wieder so wie früher leben zu können."
Es sind erste vorsichtige Versuche, wieder Fuß zu fassen und so etwas wie ein normales Leben zu führen.
"Unsere Zukunft bleibt ungewiss. Es ist schwer zu sagen, was passieren wird, es gibt noch zu viele Rebellen und Milizen, die nicht demobilisiert oder in die Armee integriert sind. Momentan ist die Situation ruhiger und wir können etwas durchatmen. Wenn das so bliebe, könnten wir in zwei Jahren vielleicht tatsächlich von Frieden sprechen – aber das hängt völlig von der Regierung ab. Für den Augenblick sind wir erst mal zufrieden. Aber weil wir nicht sicher sind, was die Zukunft bringt, ist alles, was wir bislang angefangen haben, nur auf Zeit."
Das Leben der 30-jährigen Esperance Ngabo ist von Krieg, ständiger Flucht vor Rebellen, Soldaten und Milizen geprägt. Ihre Geschichte ist kein Einzelfall. Der Osten der Demokratischen Republik Kongo befindet sich seit 1996 im sogenannten "afrikanischen Weltkrieg", in dem die Nachbarstaaten Burundi, Uganda und Ruanda mit Rebellengruppen und Militärs kräftig mitmischen. Fünf Millionen Menschen, starben schätzungsweise als Folge der Unruhen. 2002 wurde zwar ein Friedensabkommen unterzeichnet. Seit 2009 versucht die kongolesische Armee Rebellen und Milizen in ihre Reihen zu integrieren – allerdings oftmals mit dem Ergebnis, dass sie nun gemeinsam die Zivilbevölkerung tyrannisieren. Von Stabilität dagegen ist die Region weit entfernt.
Im Panzi-Krankenhaus von Bukavu haben Ärzte und Krankenschwestern alle Hände voll zu tun, die Wartehallen sind voll. Das Hospital ist spezialisiert auf die Behandlung der Folgen sexueller Gewalt. Unter den Patientinnen sind viele Frauen, die Opfer von immer noch stattfindenden Massenvergewaltigungen sind. Weltweit hatten diese in den letzten Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Die Ärztin Nene Rukunahu erzählt, dass sie seit einem Jahr, also seit der Integration der Rebellen und Milizen in die Armee, einen enormen Anstieg an Vergewaltigungen verzeichnen.
"Heute Morgen kam ein zehnjähriges Mädchen hier an. Vier Männer aus der Armee hatten sie und ihre Mutter vergewaltigt. Vor der Vergewaltigung haben sie ihr ein Messer in die Vagina gerammt – es sah furchtbar aus, ein ganz schlimmer Fall. Ich komme frisch vom OP, wo wir versucht haben, sie wieder herzustellen. Das sind so die Geschichten, bei denen man denkt – jetzt kann ich nicht mehr. Und sie gehören zu unserem Alltag. Immer wenn wir denken, jetzt wird es besser, kommen eine Woche darauf wieder solche Fälle. Es ist so enttäuschend. Dabei wünschen wir uns so sehr, wieder Hoffnung schöpfen zu können."
Das Panzi Krankenhaus hat inzwischen traurige Berühmtheit erlangt. Helfer, Promis, Botschafter und Politiker aus aller Herren Länder geben sich hier die Klinke in die Hand. Nur aus dem eigenen Land, dem Kongo, finde kaum jemand den Weg hierhin, moniert die Ärztin.
"Wir brauchen kein Geld, der Kongo ist ein sehr reiches Land. Wir brauchen keine Lebensmittelhilfe. Alles, was wir brauchen, ist Frieden. Dann wird auch die völlige Straffreiheit für Verbrechen hier enden. Aber die Regierung will nicht wahrhaben, wie schlimm die Lage derzeit ist. Offiziell herrscht kein Krieg mehr. Aber die Realität sieht anders aus – selbst hier in Bukavu kann man doch nicht von Frieden sprechen. Die Politiker verschließen die Augen vor der Realität."
Zu denen will der Vizegouverneur der Provinz Süd-Kivu sich nicht zählen. Jean-Claude Kibala, hat 18 Jahre lang in Deutschland gelebt und vor drei Jahren seine Familie in Troisdorf zurückgelassen, um im Ostkongo das Ruder herumzureißen.
"Ich muss ihnen sagen, ich war schockiert. Das war eine Katastrophe. Also, ich war klar, jeder weiß, wenn Krieg ist, was man alles verlieren kann, aber wenn man es dann selber sieht ... das waren keine schönen Bilder."
Nichtsdestotrotz: Kibala bleibt optimistisch. Er versucht zu helfen, wo er kann, meist zahlt er notwendige Mittel aus eigener Tasche. Er ist aus Überzeugung in seine Heimat zurückgekehrt. Auch er weiß, dass die Demokratische Republik Kongo dank seiner heiß begehrten Bodenschätze das reichste Land Afrikas sein könnte. Die zum Teil weltweit größten Gold-, Kupfer-, Diamanten-, Kobalt-, Uran- und Coltan-Vorkommen befinden sich dort - im Herzen Afrikas. Deren Abbau wird allerdings weitgehend von eigenmächtig agierenden Generälen und Warlords kontrolliert, die damit illegalen Handel treiben. Soweit es in seiner Macht steht, stemmt sich Vizegouverneur Kibala dagegen: Er nimmt Kriminelle fest, er suspendiert korrupte Militärangehörige, er argumentiert – die Hoffnung verliert er bei alledem nicht.
"Wenn man in der Lage ist, zu produzieren und Menschen einen Job zu geben, damit sie einen gewissen Betrag verdienen, dann hätte man die Möglichkeit hier etwas zu verändern. Und das ist möglich. Bei dem was wir haben – es ist möglich."
Müssen nur noch Korruption, Rebellen, Milizen und der internationalen skrupellosen Raffgier nach Bodenschätzen ein Ende bereitet, Rechtssicherheit eingeführt und uneigennützige Politiker gewählt werden. Aber immerhin: Jean Claude Kibala ist ein Hoffnungsschimmer im kongolesischen "Herzen der Finsternis".
Ein Reintegrationsprojekt für Kindersoldaten.
Im schummrigen Licht eines Unterschlupfs blitzt das Weiß Dutzender Kinderaugen. Es sind die Augen ehemaliger Soldaten, viele gerade einmal 14, 15 Jahre alt. Heute ist der Strom mal wieder ausgefallen in Bukavu, der vom Bürgerkrieg zerrütteten Hauptstadt der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu.
Die Jungen sind unruhig – das Essen könnte sich verzögern. Wenn die von der UN spendierten Mahlzeiten nicht pünktlich ausgeteilt werden, randalieren sie, erzählt Murhabasi Namegabe, Leiter des Heims für derzeit 50 ehemalige Kindersoldaten.
"Das Essen spielt hier eine zentrale Rolle. Es geht dabei nicht nur darum, dass die Kinder Nahrung aufnehmen. Vielmehr sollen sie dadurch auch lernen, friedlich miteinander umzugehen. Die Kinder kommen aus den über 17 verschiedenen Rebellengruppen, wie den nicht zu schlagenden Mai Mai Milizen. Manche kommen aus Ruanda, wo sie sich im Busch gegenseitig bekämpft haben. Hier müssen sie gemeinsam an einem runden Tisch sitzen, sich in die Augen schauen und miteinander teilen. Sie müssen lernen, dass alle die gleichen Rechte haben und miteinander auskommen müssen."
Das ist nicht leicht. Denn die Vergangenheit hat die Kinder gefühlstaub gemacht – innerlich abgestorben. Einige wurden schon im Alter von sechs Jahren von Rebellen und Milizen gekidnappt. Die meisten aber so wie Bahati mit zwölf Jahren verschleppt.
"Ich war gnadenlos. Ich habe nie gezögert, sofort getötet. Wenn man mir sagte, schieß ins Herz, dann habe ich es getan. Sollte ich in den Kopf schießen, dann habe ich auch das getan. Ich habe viele Menschen umgebracht. Zahllose. Keine Ahnung wie viele. Der erste, den ich erschoss, das war ein großer Oberst, das war ziemlich beängstigend. Danach habe ich nur noch weitergemacht. Gespürt habe ich nichts. Es war mein Job."
Er tötete für die Mai Mai, jene Milizen, die für ihre Kaltblütigkeit und Brutalität bekannt sind, denen nachgesagt wird, dass sie dank traditioneller Zauberkräfte unverwundbar sind.
"Mein Großvater hat mir auch ein Zaubermittel gegeben, sodass mir nichts passieren konnte, ich war unsterblich. Bei den Mai Mai war es gut. Die hatten Respekt vor mir. Ich war Leutnant. Aber als wir in die staatliche Armee integriert wurden, da wurde es hart. Die verschiedenen Rebellengruppen bekriegten sich, es gab kein Essen und keinen Sold."
Bahati forderte sein Geld ein. Als der zuständige General sich weigerte, ihn zu bezahlen – weil er entweder tatsächlich kein Geld von der Regierung bekommen hatte oder weil er lieber in die eigene Tasche wirtschaftete, brach Bahati der Frau des Generals beide Beine. Er landete im Gefängnis, bis Namebages Hilfsorganisation den Minderjährigen herausholte.
"Die Kinder, die hier ankommen, sind krank und unterernährt. Sie haben Jahre im Busch gelebt und gekämpft. In unserem Zentrum steht ihnen dann ein ganzes Team zur Verfügung, das sich individuell um ihre Gesundheit und ihre Psyche kümmert. Wir haben Ernährungsberater, Krankenschwestern, Ärzte, Soziologen, Psychologen. Meist müssen wir sie wie Babys von Grund auf sozialisieren und ihnen alles, wirklich alles beibringen. Es ist der Versuch, ihnen eine Kindheit zurückzugeben, die sie nie hatten."
Bahati ist erst seit wenigen Monaten im Zentrum und weit davon entfernt, ein normaler 16-Jähriger zu werden.
"Wir sind zwar demobilisiert. Aber wenn es wieder Krieg gibt, dann kämpfe ich, ich lasse doch mein Land nicht zerstören."
Der Unterschlupf für Kindersoldaten, der vor allem von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, finanziert wird, hat bis heute tausende Kinder und Jugendliche psychologisch betreut. Allein in diesem Jahr hat das Zentrum für weit über 800 Kindersoldaten ein neues Zuhause gefunden. Entweder konnten Familienangehörige ausfindig gemacht werden oder die Jungen wurden in Gastfamilien oder in kleinen Wohngemeinschaften in unmittelbarer Nähe untergebracht, erzählt Heimleiter Namegabe.
"Ich blicke sehr zuversichtlich in die Zukunft dieser Kinder. 68 bis 70 Prozent unserer Jungs schaffen es. Das sind Erfolgsgeschichten: Sie sind stabil und beginnen ein neues Leben. Die meisten gehen wieder zur Schule oder machen eine Ausbildung. Schwierig wird es nur, wenn es in ihrer Heimatregion wieder bewaffnete Konflikte oder familiäre Auseinandersetzungen gibt. Grundsätzlich sind wir aber optimistisch in Hinblick auf die Zukunft dieser Kinder.
Sollte sich die Lage durch die Wahlen aber weiter aufheizen und sollte es wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen, wären Kinder die ersten Opfer. Sie würden erneut rekrutiert werden und damit wären all unsere Demobilisierungs- und Reintegrationsbemühungen dahin."
Ähnlich gefährdet sind die ersten Versuche eines landwirtschaftlichen Wiederaufbaus.
Es wird gehackt, gegraben und gejätet. Saftig grüne Reisterrassen ziehen sich über mehrere Kilometer durch ein abgelegenes Tal unweit des kleinen Ortes Kitchanga. Fast könnte man es als idyllisch empfinden. Aber die vierstündige Fahrt von Goma hierher geht durch unwegsames Gelände. Die kurvigen Holperpisten sind schlammig und unsicher. Rebellen und Milizen ziehen immer wieder durch die Region, plündern Dörfer, vergewaltigen Frauen und zerstören Häuser und Hütten. Dennoch sagt Alfons Habimana, der vor wenigen Monaten nach Jahren der Flucht im eigenen Land in seinen Heimatort zurückgekehrt ist, es gebe Grund zur Hoffnung.
"Momentan würde ich schon sagen, dass sich die Lage verändert hat. Sie ist etwas entspannter, wir fühlen uns sicherer als während des Krieges. Aber ich habe, jetzt wo ich zurück bin, weder ein Haus, noch kann ich auf meine alten Ländereien zurück. Mein Haus wurde abgebrannt, alles ist zerstört, meine Felder haben andere besetzt. Ich lebe jetzt in einer Strohhütte. Immerhin wir haben Essen. Das, was wir hier produzieren, kann eine Frau auf dem Markt zu Geld machen. Insofern haben sich die Dinge seit dem offiziellen Kriegsende schon verbessert."
Das Welternährungsprogramm bei Kitchanga hat das sogenannte food for work-Programm aufgelegt: Rund 3000 Binnenflüchtlinge erhalten so Lebensmittel und betreiben dafür Landwirtschaft. Das Saatgut, die Werkzeuge und Anleitung bekommen sie durch eine kongolesische Nichtregierungsorganisation.
"Ich arbeite sehr gerne hier, weil es mir wieder eine Lebensaufgabe und Zukunftsperspektive gibt. Langfristig möchte ich selber Land besitzen, um für mich und meine Familie sorgen zu können. Wenn wir Überschüsse produzieren könnten, dann könnten wir es uns vielleicht auch leisten, unsere Kinder wieder zur Schule zu schicken. Meine Hoffnung ist, dass wir hier einen Neuanfang wagen können, um vielleicht irgendwann wieder so wie früher leben zu können."
Es sind erste vorsichtige Versuche, wieder Fuß zu fassen und so etwas wie ein normales Leben zu führen.
"Unsere Zukunft bleibt ungewiss. Es ist schwer zu sagen, was passieren wird, es gibt noch zu viele Rebellen und Milizen, die nicht demobilisiert oder in die Armee integriert sind. Momentan ist die Situation ruhiger und wir können etwas durchatmen. Wenn das so bliebe, könnten wir in zwei Jahren vielleicht tatsächlich von Frieden sprechen – aber das hängt völlig von der Regierung ab. Für den Augenblick sind wir erst mal zufrieden. Aber weil wir nicht sicher sind, was die Zukunft bringt, ist alles, was wir bislang angefangen haben, nur auf Zeit."