Im Schatten von Dessau
Ursprünglich war es für Darmstadt geplant, umgesetzt wurden die Pläne für das Bauhaus-Archiv aber in West-Berlin. 50 Jahre wird das Gebäude mit der bedeutenden Sammlung alt – dennoch wird es im Vergleich zum Dessauer Bauhaus recht stiefmüttlerlich behandelt.
Was Eckermann für Goethe, war Hans Maria Wingler für Walter Gropius. Von ihm stammt das erste umfassende Bauhaus-Buch, das als "Wingler-Bibel" seitdem in den Regalen steht.
Gropius hatte den jungen Kunsthistoriker bei der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung in Ulm kennengelernt. Die Gründungsväter Otl Aicher und Bauhaus-Schüler Max Bill wollten Anfang der 50er-Jahre das Bauhaus mit zeitgemäßen Mitteln weiterführen. Vermutlich war Ulm der letzte Anstoß, dass sich Gropius um das historische Bauhaus-Erbe – um sein Bauhaus – kümmerte. Annemarie Jaeggi, Leiterin des Berliner Bauhaus-Archivs.
"Ich glaube, dass Gropius sehr kritisch gegenüber vielen Aussagen der ehemaligen Bauhäusler war. Er hat bei der Eröffnung des Bauhaus-Archivs in einer kurzen Rede gesagt, ihm ist diese Gründung des Bauhaus-Archivs so wichtig, weil das Bauhaus immer mehr und mehr zur Legende verkommt. Und er spricht ganz dezidiert die Lebenserinnerungen der ehemaligen Bauhäusler an, da würde ich schon sagen, dass Eitelkeit bestimmt auch eine Rolle gespielt hat."
Gropius wollte die Deutungshoheit über das Bauhaus behalten. Die Nachwelt sollte wissen, wer Mister Bauhaus war und was seine Schule geleistet hatte. Seine Nachfolger am Dessauer Bauhaus, der Schweizer Architekt Hannes Meyer sowie Mies van der Rohe, saßen dabei nur am Katzentisch.
"Er hat, seitdem er nach Amerika immigriert war, sich damit beschäftigt, einen Ort zu finden – er hat auch zuerst in Amerika Ausschau gehalten –, dem er sein persönliches Bauhaus-Archiv überreichen konnte. Er hat während der ganzen Zeit seines Direktorats am Bauhaus, also von 1919 bis 1928, aber auch in den nachfolgenden Jahren systematisch gesammelt, und dieses ganze Material wollte er als Grundstock für eine Institution genutzt sehen, die sich dem Bauhaus widmet."
Zunächst war die Darmstädter Mathildenhöhe im Gespräch. In unmittelbarer Nachbarschaft zu den berühmten Jugendstilbauten von Joseph Maria Olbrich sollte das Bauhaus-Archiv entstehen. Die Pläne zerschlugen sich, bis West-Berlin anbot, das Archiv zu übernehmen und den Neubau zu finanzieren.
1979 konnte das neue Haus eröffnet werden. Es war die Zeit, als sich die DDR dem Weimarer und Dessauer Bauhaus-Erbe näherte und eine parallele Bauhaus-Rezeption entstand, die dann nach der Wende mit voller Wucht auf das Berliner Gropius-Erbe prallte.
"Das Bauhaus ist zur unterschiedlichen Zeit in Ost- und Westdeutschland angekommen, und natürlich dann auch von unterschiedlichen Generationen angenommen oder abgewehrt worden, das spielt eine große Rolle."
Heute zählt das Dessauer Bauhaus zu den Leuchtturmprojekten der Neuen Länder. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister in Sachsen-Anhalt, lenkt mit viel persönlichem Engagement die Dessauer Institution, während das Berliner Bauhaus-Archiv recht stiefmütterlich behandelt sein Leben fristet. In offizieller Mission wurde der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit im Bauhaus-Archiv noch nie gesehen. Auch zur 50. Jubiläumsfeier hat er sich entschuldigen lassen.
2009 war im Berliner Gropius-Bau die große Bauhaus-Ausstellung zu sehen. 166.000 Besucher wurden gezählt. Anschließend zog sie weiter nach New York. Das dortige Museum of Modern Art zählte 400.000 Besucher. 60 Prozent der im MoMa gezeigten Exponate kamen aus dem Berliner Bauhaus-Archiv, darunter waren viele, die in Berlin gar nicht gezeigt werden können.
"Ein Haus mit gerade mal 700 Quadratmetern, mit einer Sammlung, wir könnten locker das Fünffache – und zwar nicht, indem wir in die zweite und dritte Qualitätsschublade greifen, sondern auf dem Höhenkamm bleiben – bespielen. Unser Publikum, was zu 83 Prozent Touristen sind, beschwert sich regelmäßig. Sie hinterlassen ihre Äußerungen in unserem Gästebuch darüber, dass man zu wenig sieht. Die wollen gerne mehr sehen, und wir könnten so etwas wie im letzten Jahr dauerhaft in Berlin haben und wären noch attraktiver, als wir es bisher sind."
Das Bauhaus-Archiv platzt aus allen Nähten. 90.000 Besucher kamen im vergangenen Jahr, um das Archivgebäude von Walter Gropius und die Sammlung zu sehen. Pläne der japanischen Stararchitekten Sanaa für einen Erweiterungsbau schmoren in der Schublade. Das Projekt wurde in die mittelfristige Finanzplanung des Landes Berlin nicht aufgenommen, weil als Konkurrenz eine neue Kunsthalle in Rede steht.
Links:
Bauhaus-Archiv Berlin
Das Gropius-Prinzip. Wie ein Architekt das Markenzeichen Bauhaus erfand(D-Kultur, Zeitreisen)
Literatur:
Hans M. Wingler: Das Bauhaus. 1919-1933 Weimar Dessau Berlin und die Nachfolge in Chicago seit 1937. Köln (DuMont) Vierte Auflage 2002
Gropius hatte den jungen Kunsthistoriker bei der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung in Ulm kennengelernt. Die Gründungsväter Otl Aicher und Bauhaus-Schüler Max Bill wollten Anfang der 50er-Jahre das Bauhaus mit zeitgemäßen Mitteln weiterführen. Vermutlich war Ulm der letzte Anstoß, dass sich Gropius um das historische Bauhaus-Erbe – um sein Bauhaus – kümmerte. Annemarie Jaeggi, Leiterin des Berliner Bauhaus-Archivs.
"Ich glaube, dass Gropius sehr kritisch gegenüber vielen Aussagen der ehemaligen Bauhäusler war. Er hat bei der Eröffnung des Bauhaus-Archivs in einer kurzen Rede gesagt, ihm ist diese Gründung des Bauhaus-Archivs so wichtig, weil das Bauhaus immer mehr und mehr zur Legende verkommt. Und er spricht ganz dezidiert die Lebenserinnerungen der ehemaligen Bauhäusler an, da würde ich schon sagen, dass Eitelkeit bestimmt auch eine Rolle gespielt hat."
Gropius wollte die Deutungshoheit über das Bauhaus behalten. Die Nachwelt sollte wissen, wer Mister Bauhaus war und was seine Schule geleistet hatte. Seine Nachfolger am Dessauer Bauhaus, der Schweizer Architekt Hannes Meyer sowie Mies van der Rohe, saßen dabei nur am Katzentisch.
"Er hat, seitdem er nach Amerika immigriert war, sich damit beschäftigt, einen Ort zu finden – er hat auch zuerst in Amerika Ausschau gehalten –, dem er sein persönliches Bauhaus-Archiv überreichen konnte. Er hat während der ganzen Zeit seines Direktorats am Bauhaus, also von 1919 bis 1928, aber auch in den nachfolgenden Jahren systematisch gesammelt, und dieses ganze Material wollte er als Grundstock für eine Institution genutzt sehen, die sich dem Bauhaus widmet."
Zunächst war die Darmstädter Mathildenhöhe im Gespräch. In unmittelbarer Nachbarschaft zu den berühmten Jugendstilbauten von Joseph Maria Olbrich sollte das Bauhaus-Archiv entstehen. Die Pläne zerschlugen sich, bis West-Berlin anbot, das Archiv zu übernehmen und den Neubau zu finanzieren.
1979 konnte das neue Haus eröffnet werden. Es war die Zeit, als sich die DDR dem Weimarer und Dessauer Bauhaus-Erbe näherte und eine parallele Bauhaus-Rezeption entstand, die dann nach der Wende mit voller Wucht auf das Berliner Gropius-Erbe prallte.
"Das Bauhaus ist zur unterschiedlichen Zeit in Ost- und Westdeutschland angekommen, und natürlich dann auch von unterschiedlichen Generationen angenommen oder abgewehrt worden, das spielt eine große Rolle."
Heute zählt das Dessauer Bauhaus zu den Leuchtturmprojekten der Neuen Länder. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister in Sachsen-Anhalt, lenkt mit viel persönlichem Engagement die Dessauer Institution, während das Berliner Bauhaus-Archiv recht stiefmütterlich behandelt sein Leben fristet. In offizieller Mission wurde der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit im Bauhaus-Archiv noch nie gesehen. Auch zur 50. Jubiläumsfeier hat er sich entschuldigen lassen.
2009 war im Berliner Gropius-Bau die große Bauhaus-Ausstellung zu sehen. 166.000 Besucher wurden gezählt. Anschließend zog sie weiter nach New York. Das dortige Museum of Modern Art zählte 400.000 Besucher. 60 Prozent der im MoMa gezeigten Exponate kamen aus dem Berliner Bauhaus-Archiv, darunter waren viele, die in Berlin gar nicht gezeigt werden können.
"Ein Haus mit gerade mal 700 Quadratmetern, mit einer Sammlung, wir könnten locker das Fünffache – und zwar nicht, indem wir in die zweite und dritte Qualitätsschublade greifen, sondern auf dem Höhenkamm bleiben – bespielen. Unser Publikum, was zu 83 Prozent Touristen sind, beschwert sich regelmäßig. Sie hinterlassen ihre Äußerungen in unserem Gästebuch darüber, dass man zu wenig sieht. Die wollen gerne mehr sehen, und wir könnten so etwas wie im letzten Jahr dauerhaft in Berlin haben und wären noch attraktiver, als wir es bisher sind."
Das Bauhaus-Archiv platzt aus allen Nähten. 90.000 Besucher kamen im vergangenen Jahr, um das Archivgebäude von Walter Gropius und die Sammlung zu sehen. Pläne der japanischen Stararchitekten Sanaa für einen Erweiterungsbau schmoren in der Schublade. Das Projekt wurde in die mittelfristige Finanzplanung des Landes Berlin nicht aufgenommen, weil als Konkurrenz eine neue Kunsthalle in Rede steht.
Links:
Bauhaus-Archiv Berlin
Das Gropius-Prinzip. Wie ein Architekt das Markenzeichen Bauhaus erfand(D-Kultur, Zeitreisen)
Literatur:
Hans M. Wingler: Das Bauhaus. 1919-1933 Weimar Dessau Berlin und die Nachfolge in Chicago seit 1937. Köln (DuMont) Vierte Auflage 2002