Im Spannungsfeld von Kunst und Trauma
In der südafrikanischen Wirtschaftsmetropole Johannesburg findet momentan im Goethe-Institut die Konferenz "über Wunden" statt. Künstler, Kunstaktivisten, Therapeuten und Wissenschaftler diskutieren dort über Wunden, die traumatische Ereignisse bei Künstlern hinterlassen haben.
Auf der Bühne stehen zwei junge Südafrikaner: Sie schwelgen zunächst in heiteren Kindheitserinnerungen. Die bleierne Zeit der Apartheid bekommen sie erst später zu spüren: Rassismus in der Schule, Armut in der Familie, Gewalt in den Townships. Auch nach der demokratischen Wende am Kap. In "Hayani", zu Deutsch Heimat, spürt Theaterregisseur Warren Nebe, den multiplen Traumata nach, die das Leben vieler Südafrikaner bis heute zeichnen:
"Trauma ist in Südafrika ein vielschichtiges Thema. Bis heute trägt die junge Generation die Last der Schatten der Vergangenheit. Ihre Eltern reden nicht gern über ihre Erlebnisse während der Apartheid. Dabei ist es an der Zeit, dass wir uns damit auseinandersetzen. Das größte Problem besteht meiner Meinung nach darin, dass wir uns noch immer nicht die Zeit genommen haben zu trauern, um die außerordentlichen Traumata und die persönlichen Verluste zu verarbeiten. So bleibt Südafrika in dem Teufelskreis der ständigen Re-Traumatisierung gefangen. Zum Beispiel durch die ausufernde Kriminalität, die ja auch in meinem Stück Hayani angesprochen wird."
Theater und andere Kunstformen können dabei helfen, gesellschaftliche Traumata zu überwinden - das ist eine der zentralen Thesen bei der Konferenz des Goethe-Instituts in Johannesburg. Lien Heidenreich-Seleme, die Leiterin der Kulturprogramme in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, hat dazu Künstler aus ehemaligen und aktuellen Krisengebieten eingeladen:
"Ich denke auf jeden Fall, dass gerade bei traumatischen Erlebnissen und auch kollektiven, traumatischen Erlebnissen, die Gesellschaft manchmal noch gar nicht bereit dazu ist, über das Erlebte verbal zu kommunizieren, miteinander zu kommunizieren. Und dann Künstler mit ihren ganz verschiedenen Ansätzen und Methoden, das was nicht aussprechbar ist sehbar oder erfahrbar machen. Das macht auch die Stärke der Werke dann aus."
Der ehemalige sudanesische Kindersoldat Emmanuel Jal verarbeitet sein Schicksal in der Musik und ruft seine Generation zu Frieden auf. Am Wochenende wird er bei der Konferenz darüber berichten, wie er sein persönliches Trauma durch die Musik überwinden konnte. Aboudia, ein junger Maler aus der Elfenbeinküste, stellt im Goethe-Institut seine verstörenden Graffiti-Bilder aus: bedrohliche Figuren, Totenköpfe statt Gesichter, explodierende Farben. Die Werke entstanden, während auf den Straßen der ivorischen Hauptstadt ein brutaler Machtkampf eskalierte. Aboudia malte, was er hörte. Auch das habe ihn vor einem Trauma bewahrt, meint er heute, nicht einmal ein Jahr später:
"Ich bin nicht traumatisiert worden. Das Leben glich ja schon vorher einem Krieg. Es ist ein alltäglicher Kampf ums Überleben, um Jobs und Essen. Für mich ist das der eigentliche Krieg. Er wird nicht mit Waffen, mit Gewehren und Macheten ausgefochten, sondern jeden Tag von Neuem. Als Künstler hat man die Aufgabe darüber zu informieren, man muss stark sein, um all dieses Leiden abzubilden. International haben meine Kunstwerke viel Interesse ausgelöst. In meinem Heimatland dagegen haben die Leute regelrecht Angst vor den Bildern."
Während der junge Ivorer mit seinen Bildern unmittelbar auf den gesellschaftlichen Konflikt in seinem Land reagiert, beschäftigen sich andere Künstler mit den langfristigen Folgen gesellschaftlicher Traumata: dem Holocaust in Deutschland, der Apartheid in Südafrika oder dem Völkermord in Ruanda. Ihre Methoden unterscheiden sich dabei zum Teil drastisch. Während die Mehrheit auf einen Heilungseffekt setzt, streben andere eine Re-Traumatisierung durch die Kunst an. Wunden müssten zuerst geöffnet werden, um heilen zu können, meint beispielsweise der südafrikanische Theaterregisseur Paul Grootboom, der immer wieder mit exzessiver Gewalt in seinen Stücken für Aufsehen und auch Kritik sorgt, erklärt Gastgeberin Lien Heidenreich-Seleme:
"Er selbst erklärt es damit, dass er eigentlich mit der Realität arbeitet. Dass er mit den Themen re-traumatisieren will und dem Publikum auch das Trauma, was sich in den Townships abspielt erlebbar machen will. Aber verschiedene künstlerische Elemente benutzt, um es ein bisschen verdaulicher zu machen."
Kontroverse Diskussionen darüber sind ein Ziel der Konferenz "überWunden – art in troubled times". Das Goethe-Institut in Johannesburg möchte den Künstlern eine Plattform bieten, um sich austauschen zu können. Dabei soll es in den kommenden Tagen weniger um die Verarbeitung persönlicher Traumata gehen, als um eine Weiterentwicklung zeitgenössischer Kunst, neue künstlerische Formen als Antwort auf gesellschaftliche Konflikte.
"Trauma ist in Südafrika ein vielschichtiges Thema. Bis heute trägt die junge Generation die Last der Schatten der Vergangenheit. Ihre Eltern reden nicht gern über ihre Erlebnisse während der Apartheid. Dabei ist es an der Zeit, dass wir uns damit auseinandersetzen. Das größte Problem besteht meiner Meinung nach darin, dass wir uns noch immer nicht die Zeit genommen haben zu trauern, um die außerordentlichen Traumata und die persönlichen Verluste zu verarbeiten. So bleibt Südafrika in dem Teufelskreis der ständigen Re-Traumatisierung gefangen. Zum Beispiel durch die ausufernde Kriminalität, die ja auch in meinem Stück Hayani angesprochen wird."
Theater und andere Kunstformen können dabei helfen, gesellschaftliche Traumata zu überwinden - das ist eine der zentralen Thesen bei der Konferenz des Goethe-Instituts in Johannesburg. Lien Heidenreich-Seleme, die Leiterin der Kulturprogramme in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, hat dazu Künstler aus ehemaligen und aktuellen Krisengebieten eingeladen:
"Ich denke auf jeden Fall, dass gerade bei traumatischen Erlebnissen und auch kollektiven, traumatischen Erlebnissen, die Gesellschaft manchmal noch gar nicht bereit dazu ist, über das Erlebte verbal zu kommunizieren, miteinander zu kommunizieren. Und dann Künstler mit ihren ganz verschiedenen Ansätzen und Methoden, das was nicht aussprechbar ist sehbar oder erfahrbar machen. Das macht auch die Stärke der Werke dann aus."
Der ehemalige sudanesische Kindersoldat Emmanuel Jal verarbeitet sein Schicksal in der Musik und ruft seine Generation zu Frieden auf. Am Wochenende wird er bei der Konferenz darüber berichten, wie er sein persönliches Trauma durch die Musik überwinden konnte. Aboudia, ein junger Maler aus der Elfenbeinküste, stellt im Goethe-Institut seine verstörenden Graffiti-Bilder aus: bedrohliche Figuren, Totenköpfe statt Gesichter, explodierende Farben. Die Werke entstanden, während auf den Straßen der ivorischen Hauptstadt ein brutaler Machtkampf eskalierte. Aboudia malte, was er hörte. Auch das habe ihn vor einem Trauma bewahrt, meint er heute, nicht einmal ein Jahr später:
"Ich bin nicht traumatisiert worden. Das Leben glich ja schon vorher einem Krieg. Es ist ein alltäglicher Kampf ums Überleben, um Jobs und Essen. Für mich ist das der eigentliche Krieg. Er wird nicht mit Waffen, mit Gewehren und Macheten ausgefochten, sondern jeden Tag von Neuem. Als Künstler hat man die Aufgabe darüber zu informieren, man muss stark sein, um all dieses Leiden abzubilden. International haben meine Kunstwerke viel Interesse ausgelöst. In meinem Heimatland dagegen haben die Leute regelrecht Angst vor den Bildern."
Während der junge Ivorer mit seinen Bildern unmittelbar auf den gesellschaftlichen Konflikt in seinem Land reagiert, beschäftigen sich andere Künstler mit den langfristigen Folgen gesellschaftlicher Traumata: dem Holocaust in Deutschland, der Apartheid in Südafrika oder dem Völkermord in Ruanda. Ihre Methoden unterscheiden sich dabei zum Teil drastisch. Während die Mehrheit auf einen Heilungseffekt setzt, streben andere eine Re-Traumatisierung durch die Kunst an. Wunden müssten zuerst geöffnet werden, um heilen zu können, meint beispielsweise der südafrikanische Theaterregisseur Paul Grootboom, der immer wieder mit exzessiver Gewalt in seinen Stücken für Aufsehen und auch Kritik sorgt, erklärt Gastgeberin Lien Heidenreich-Seleme:
"Er selbst erklärt es damit, dass er eigentlich mit der Realität arbeitet. Dass er mit den Themen re-traumatisieren will und dem Publikum auch das Trauma, was sich in den Townships abspielt erlebbar machen will. Aber verschiedene künstlerische Elemente benutzt, um es ein bisschen verdaulicher zu machen."
Kontroverse Diskussionen darüber sind ein Ziel der Konferenz "überWunden – art in troubled times". Das Goethe-Institut in Johannesburg möchte den Künstlern eine Plattform bieten, um sich austauschen zu können. Dabei soll es in den kommenden Tagen weniger um die Verarbeitung persönlicher Traumata gehen, als um eine Weiterentwicklung zeitgenössischer Kunst, neue künstlerische Formen als Antwort auf gesellschaftliche Konflikte.