Im Spiegel von Andy Warhol

Von Björn Stüben |
Berühmt wurde der Popart-Künstler Andy Warhol 1962 mit seinen "Twenty Marilyns" - dem 20 Mal vervielfachten Abbild von Marilyn Monroe. Später porträtierte er Meryl Streep, Joseph Beuys oder Willi Brandt . Im Pariser Grand Palais sind diese Werke in der Ausstellung "Die große Welt von Andy Warhol" versammelt.
"Alle meine Porträts müssen das gleiche Format haben, damit sie gut zueinander passen und am Ende zu einem einzigen Bild werden, das dann den Titel trägt 'Porträt der Gesellschaft'. Eine gute Idee, oder? Vielleicht wird eines Tages das Metropolitan Museum dieses Bild ankaufen."

Andy Warhols spöttisch formulierte Bemerkung unterstreicht die Bedeutung, die er selber seinen Porträts beimaß und empfängt jetzt den Besucher auf der Eingangswand zur Ausstellung im Pariser Grand Palais, die erstmals über 130 seiner zwischen 1962 und 1986 entstandenen Porträts in einer Zusammenschau zeigt. Kurator Alain Cueff benennt deren Hauptmerkmale:

"Warhol wählte schon sehr früh die exakt quadratische Form für seine Porträts. Auch stehen seine Porträtierten von Anfang an in keinem Bildzusammenhang, denn der Hintergrund bleibt abstrakt. Das erinnert mich an Ikonen, die ja auch vor einem leeren Bildgrund erscheinen. Bei Warhol gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen der Darstellung von Objekten des täglichen Lebens, die er immer frontal wiedergibt und den Gesichtern auf seinen Porträts, die er auf ihre Essenz reduziert. Dazu gehört dann auch die Abbildung vor einem monochromen Hintergrund. Ich denke, man muss schon sehr viele Porträts zusammen zeigen, damit diese Dimension seines Werkes für den Betrachter deutlich wird."

Als 20-Jähriger malte Andy Warhol 1948, damals noch Student der Malerei und des Designs am Carnegie Institute of Technology in seiner Geburtsstadt Pittsburgh, ein kleines Selbstbildnis, das ihn als freche Karikatur mit dem linken Zeigefinger im Nasenloch darstellte.

Größer könnte der Kontrast kaum ausfallen zur großformatigen und bunten Serigraphie der "Twenty Marilyns" von 1962, in der Warhol ein Foto Marilyn Monroes kurz nach deren Tod 20 Mal aneinanderreihte und somit den Star zur Popikone stilisierte. Für sein erstes Auftragsporträt schickte er ein Jahr später sein Modell, die einflussreiche Kunstsammlerin Ethel Scull, in die Kabine eines Passbildautomaten. 36 der hierin geknipsten Fotos hinterlegte Warhol druckgraphisch mit grellen Farben auf großformatiger Leinwand. Doch es entstanden auch Werke, auf denen er außerdem pastos mit Acrylfarbe hantierte.

Cueff: " "Es gibt eine Reihe von Bildern, dazu gehört das Porträt seiner Mutter, bei denen er eine noch frische Farbschicht mit den Fingern bearbeitete. Ich glaube, man muss dieses Vorgehen eher als ein Zugeständnis an den Publikumsgeschmack deuten. Die Käufer seiner Werke wollten gewissermaßen 'echte Malerei' auf seinen Bildern sehen, aber für ihn waren die gelungensten Porträts diejenigen, die er so pur und simpel wie nur möglich gestaltete."

Mit 25.000 Dollar ließ sich Warhol für das erste und mit 15.000 für jedes weitere Porträt entlohnen, das er von illustren und weniger bekannten Persönlichkeiten in Serigraphie auf Leinwand in der factory, seinem legendären New Yorker Lebens- und Arbeitsplatz mit Assistentenhilfe produzierte. Die Pariser Schau zeichnet die "große Welt des Andy Warhol", so auch ihr Untertitel, nach, in dem sie die Porträts entsprechend der Gesellschaftsmilieus ordnet, denen die Dargestellten angehörten.

Meryl Streep, Silvester Stallone, Giorgio Armani, Brigitte Bardot, Gunter Sachs, Joseph Beuys, Caroline von Monaco, Franz Burda, Man Ray, Dennis Hopper, Willi Brandt, Golda Meir, Jimmy Carter oder Farah Diba stehen für die Welt des Films, der Kunst, der Mode, des Adels, der Politik oder des Jet-Set. Viele von ihnen hatte er zunächst vor seine Kamera gebeten.

"Von großer Bedeutung für Warhols Kunst war der Einsatz der Polaroid-Kamera. Sie war denkbar leicht zu bedienen, allerdings war dann auch das Ergebnis sehr simpel. Diese Sofortbildkamera reduzierte die Details der fotografierten Personen auf ein Minimum. In mehreren Arbeitsschritten wurde das Foto dann auf eine Leinwand übertragen. Warhol begann markante Details der Gesichter wie Augen oder Münder nachzumalen und die Farbdrucktechnik der Serigraphie fixierte diese dann endgültig auf der Leinwand. Ihm ging es natürlich nicht um die naturgetreue Abbildung, sondern darum, die menschliche Gestalt und den Gesichtsausdruck zu verfremden."

Jedoch nicht jedem Auftraggeber, der sich von Warhol porträtieren ließ, gefiel auch das Ergebnis. Der Immobilienmilliardär Samuel LeFrak und seine Gattin lehnten 1982 ihr Doppelbildnis vor altrosa Hintergrund ab, dem Kitsch an der Grenze zur Lächerlichkeit bescheinigt wurde. Entlarvte Warhols Interpretation lediglich die Realität?
Tatsächlich zeigt die Ausstellung deutlich, dass Warhol die künstlerisch überzeugendsten Porträts von denjenigen schuf, die ihm offenbar näherstanden oder ihn künstlerisch interessierten wie etwa die Rockstars Mick Jagger oder Debby Harry oder die Modeschöpfer Halston und Valentino. In den 70er Jahren mit Porträtaufträgen bis zu einer Million Dollar pro Jahr eingenommen zu haben, hatte Warhol den Vorwurf eingebracht, er produziere nichts anderes als serielle Massenware für geltungssüchtige Prominenz. Mit der Pariser Schau wird diese Behauptung jetzt endlich aus dem Weg geräumt.

Service:
Die Ausstellung "Die große Welt von Andy Warhol" ist im Pariser Grand Palais vom 18. März bis 13. Juli 2009 zu sehen.