Im Supermarkt der Welt-Literatur
Sprachlich veranstaltet Pinol ein Feuerwerk: Wie ein manischer Meisterfälscher kopiert er berühmte Autoren und deren Sujets, wie Jules Verne, Arthur Conan Doyle oder Balzac. Fantasy und Schauerroman vermischt mit gröbstem Slapstick-Humor. Wer sich auf diesen grotesken Roman einlässt, der wird ihn heiß lieben.
Der Katalane Albert Sánchez Pinol, Jahrgang 1965, von Beruf Anthropologe, landete gleich mit seinem Debüt-Roman "Im Rausch der Stille" (Spanien 2002; BRD 2006) einen Mega-Bestseller: 130.000 verkaufte Exemplare allein in Spanien und in 29 Sprachen übersetzt. Auch bei seinem zweiten, im Original ebenfalls auf Katalanisch geschriebenen Roman "Pandora im Kongo" überschlugen sich die spanischen Medien geradezu: "El Pais" erklärte den Roman 2005 zum "besten Buch des Jahres".
In Pinols erstem Roman ging es um einen irischen Freiheitskämpfer, der Sex mit ozeanischen Fischmenschen hat. Diesmal geht es unter anderem um Sex mit Wesen, die aussehen wie außerirdische Aliens, allerdings im Erdinneren unseres Planeten wohnen. Die weibliche Hauptfigur "Amgam" ist zwei Meter groß, schneeweiß, hat Katzenaugen und sechs Finger an jeder Hand.
In dieser Fantasy-Geschichte, -einer von insgesamt drei Haupt-Handlungssträngen-, adaptiert Pinol Jules Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde", potenziert den Stoff allerdings noch und baut ihn fabulös aus.
Der Roman spielt im Wesentlichen in den Jahren 1912 bis 1918. Der Held des Romans, der Ich-Erzähler, ist ein 20jähriger englischer Groschenromanautor, Tommy Thomson, Waisenkind und Jungfrau. Er bekommt den Auftrag, die Geschichte eines Mannes aufzuschreiben, der wegen eines Doppelmordes angeklagt ist und dem vorgeworfen wird, zwei Brüder getötet zu haben. Und zwar während einer Reise in den Kongo, wo die drei im Dschungel eine Diamantenmine entdeckt hatten. Eben durch das Graben in der Mine seien dann jene Aliens aus dem Erdinnern angelockt worden; so jedenfalls lautet die Geschichte des angeklagten Doppelmörders.
Pinol ist es gelungen, diese verschiedenen Handlungsstränge kompositorisch wunderbar übersichtlich aufzufädeln: klare Story, klare Handlung. Sprachlich veranstaltet Pinol ein Feuerwerk: wie ein manischer Meisterfälscher kopiert er berühmte Autoren und deren Sujets, wie zum Beispiel Jules Verne, Arthur Conan Doyle, Lovecraft, Melville, Balzac. Französischer Symbolismus, Fantasy, Schauerroman werden vermischt mit gröbstem Slapstick-Humor, mal satirisch, mal moralisch-politisch, philosophisch, surreal und auch oft poetisch: "Ich fühlte mich leer und sauber wie eine Seifenblase". "Pandora im Kongo" lädt ein zu einem Besuch im Supermarkt der Welt-Literatur; der Leser wird nicht enttäuscht sein. Der Roman berührt, manchmal tief, dann birst er wieder vor Komik. Und die unglaublich rasant inszenierte Handlung reißt unweigerlich mit: wer sich auf diesen grotesken Roman einlässt, der wird ihn heiß lieben.
Mit Sicherheit wird "Pandora im Kongo" auch in Deutschland ein Bestseller werden, wie schon Pinols erster Roman. Das "beste Buch des Jahres" wird "Pandora im Kongo" in Deutschland sicherlich nicht werden; die Chance allerdings, dass der Roman zum "verrücktesten Buch des Jahres" gekürt wird, ist groß. Don Quijote lebt.
Rezensiert von Lutz Bunk
Albert Sánchez Pinol: Pandora im Kongo
Übersetzt aus dem Katalanischen von Charlotte Frei
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2007
478 Seiten, 19.90 Euro
In Pinols erstem Roman ging es um einen irischen Freiheitskämpfer, der Sex mit ozeanischen Fischmenschen hat. Diesmal geht es unter anderem um Sex mit Wesen, die aussehen wie außerirdische Aliens, allerdings im Erdinneren unseres Planeten wohnen. Die weibliche Hauptfigur "Amgam" ist zwei Meter groß, schneeweiß, hat Katzenaugen und sechs Finger an jeder Hand.
In dieser Fantasy-Geschichte, -einer von insgesamt drei Haupt-Handlungssträngen-, adaptiert Pinol Jules Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde", potenziert den Stoff allerdings noch und baut ihn fabulös aus.
Der Roman spielt im Wesentlichen in den Jahren 1912 bis 1918. Der Held des Romans, der Ich-Erzähler, ist ein 20jähriger englischer Groschenromanautor, Tommy Thomson, Waisenkind und Jungfrau. Er bekommt den Auftrag, die Geschichte eines Mannes aufzuschreiben, der wegen eines Doppelmordes angeklagt ist und dem vorgeworfen wird, zwei Brüder getötet zu haben. Und zwar während einer Reise in den Kongo, wo die drei im Dschungel eine Diamantenmine entdeckt hatten. Eben durch das Graben in der Mine seien dann jene Aliens aus dem Erdinnern angelockt worden; so jedenfalls lautet die Geschichte des angeklagten Doppelmörders.
Pinol ist es gelungen, diese verschiedenen Handlungsstränge kompositorisch wunderbar übersichtlich aufzufädeln: klare Story, klare Handlung. Sprachlich veranstaltet Pinol ein Feuerwerk: wie ein manischer Meisterfälscher kopiert er berühmte Autoren und deren Sujets, wie zum Beispiel Jules Verne, Arthur Conan Doyle, Lovecraft, Melville, Balzac. Französischer Symbolismus, Fantasy, Schauerroman werden vermischt mit gröbstem Slapstick-Humor, mal satirisch, mal moralisch-politisch, philosophisch, surreal und auch oft poetisch: "Ich fühlte mich leer und sauber wie eine Seifenblase". "Pandora im Kongo" lädt ein zu einem Besuch im Supermarkt der Welt-Literatur; der Leser wird nicht enttäuscht sein. Der Roman berührt, manchmal tief, dann birst er wieder vor Komik. Und die unglaublich rasant inszenierte Handlung reißt unweigerlich mit: wer sich auf diesen grotesken Roman einlässt, der wird ihn heiß lieben.
Mit Sicherheit wird "Pandora im Kongo" auch in Deutschland ein Bestseller werden, wie schon Pinols erster Roman. Das "beste Buch des Jahres" wird "Pandora im Kongo" in Deutschland sicherlich nicht werden; die Chance allerdings, dass der Roman zum "verrücktesten Buch des Jahres" gekürt wird, ist groß. Don Quijote lebt.
Rezensiert von Lutz Bunk
Albert Sánchez Pinol: Pandora im Kongo
Übersetzt aus dem Katalanischen von Charlotte Frei
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2007
478 Seiten, 19.90 Euro