Im Widerstand gegen ideologische Dogmatiker
"Die Legende von Paul und Paula": Das ist der seltene Fall eines gesamtdeutschen Kultfilms. Sein Regisseur Heiner Carow wurde am 19. September 1929 in Rostock geboren. Bei der DEFA in Babelsberg entstanden zu DDR-Zeiten seine wichtigsten Filme.
Sie: "Wir wollen folgendes machen: Wir lassen es dauern, solange es dauert. Wir machen nichts dagegen, nichts dafür. Wir fragen uns nicht allerlei blödes Zeug. Nur die Namen. Ich bin Paula."
Er: "Paul."
"Die Legende von Paul und Paula": der seltene Fall eines gesamtdeutschen Kultfilms. Sein Regisseur: Heiner Carow, am 19. September 1929 in Rostock geboren, in einem gutbürgerlichen Elternhaus. Der Vater später im Krieg gefallen, die familieneigene Bohnerwachsfabrik ausgebombt, der fünfzehnjährige Heiner als Hitlers letztes Aufgebot in Richtung Berlin angetreten. In dieser Stadt sollte er einmal Kinoerfolge feiern.
Als die "Legende von Paul und Paula" 1973 im Ostberliner Kino KOSMOS Premiere hatte, saßen 800 Kader im Parkett, auf persönliche Weisung des Staatsratsvorsitzenden, der wünschte, die Uraufführung zu einem Total-Flop werden zu lassen. Doch er hatte die Rechnung ohne das Normalpublikum auf den vorderen Plätzen gemacht. Das klatschte sich die Finger wund. Und obwohl zwei Tage später die Kritik des SED-Zentralorgans "Neues Deutschland" die Geschichte der kompromisslosen Liebe zwischen der kleinen Verkäuferin Paula und dem Ministerialbürokraten Paul als "Zeichen der Isolation von der Gesellschaft" rügte, wurde der Film mit Angelika Domröse und Winfried Glatzeder als Leinwand-Traumpaar zum größten DEFA-Erfolg: drei Millionen Zuschauer in einem Jahr. Sechs Jahre später findet Heiner Carow mit seiner radikalen Tragödie einer jungen Ehe "Bis dass der Tod euch scheidet" wieder eine ähnliche Besucherresonanz.
Das Filmhandwerk lernte Carow von der Pike auf: Ab 1950 in der Regieklasse des Nachwuchsstudios der DEFA und beim Populärwissenschaftlichen Studio, wo er als Erstling einen Film über Schweinemast drehte. Dann wurde vor allem Gerhard Klein sein Lehrer, an dessen realistischen Berlin-Filmen 1956 Carows Regie-Debut "Sheriff Teddy" anknüpfte. 1966 zählte "Die Reise nach Sundevit" zu den schönsten Kinderfilmen der DEFA. Zwei Jahre später eine schmerzliche Zäsur: Das Verbot für Carows persönlichsten Film "Die Russen kommen".
"Hier war zum ersten Mal eigentlich mit großer Konsequenz ein schuldiger Held auf der Leinwand, einer, der also die ganze Zeit gläubig bis zum Ende mitmacht, also bis in den Wahnsinn, wenn man so will, am Schluss, und es wurde außerdem die ungeheuer verführerische Verführungsmaschinerie der Nazis gezeigt, also wie einer eigentlich in diesen Einfluss gerät, dem man als junger Mensch kaum ausweichen konnte."
Erst im Dezember 1987 durfte "Die Russen kommen" in die DDR-Kinos. Carows Plan, Ulrich Plenzdorfs Bühnenbestseller "Die neuen Leiden des jungen W." zu verfilmen, wurde ebenso abgelehnt wie "Paule Panke", auch dies ein Projekt mit einem unangepassten Jugendlichen im Mittelpunkt. Und Carows Lieblingsidee, eine Adaption des "Simplicius Simplicissimus", scheiterte am erforderlichen Aufwand. Kurz vor Ende der DDR gelang es dem Regisseur als Vizepräsident der Akademie der Künste, noch einen letzten Tabubruch durchzusetzen. Er drehte den ersten DEFA-Film über eine Männerliebe, "Coming out". Premiere war am 9. November 1989, dem Abend des Mauerfalls.
"Eigentlich hatten wir ja viele Jahre diese Sehnsüchte und diese Konflikte und Auseinandersetzungen oder auch diese Verhinderung, dass wir oft verdächtigt oder in Ecken gestellt waren oder nicht arbeiten konnten, weil, ich hab das immer versucht, mich den Tabus oder den ungeklärten, den schwierigen Fragen zu nähern, und was natürlich dann auf Widerstand stieß."
Mit dem Widerstand ideologischer Dogmatiker umzugehen, war Carow gewohnt. Der Widerstand der quotenfixierten neuen Geldgeber in Fernsehredaktionen gegen manche seiner Projekte ließ ihn - nach zwei 1991 und 1992 noch realisierten TV-Filmen - langsam resignieren. Mit Babelsberg hatte Heiner Carow seine künstlerische Heimat verloren. Unerwartet erlag der erst 67-jährige am 31. Januar 1997 einem Hirnschlag.
Er: "Paul."
"Die Legende von Paul und Paula": der seltene Fall eines gesamtdeutschen Kultfilms. Sein Regisseur: Heiner Carow, am 19. September 1929 in Rostock geboren, in einem gutbürgerlichen Elternhaus. Der Vater später im Krieg gefallen, die familieneigene Bohnerwachsfabrik ausgebombt, der fünfzehnjährige Heiner als Hitlers letztes Aufgebot in Richtung Berlin angetreten. In dieser Stadt sollte er einmal Kinoerfolge feiern.
Als die "Legende von Paul und Paula" 1973 im Ostberliner Kino KOSMOS Premiere hatte, saßen 800 Kader im Parkett, auf persönliche Weisung des Staatsratsvorsitzenden, der wünschte, die Uraufführung zu einem Total-Flop werden zu lassen. Doch er hatte die Rechnung ohne das Normalpublikum auf den vorderen Plätzen gemacht. Das klatschte sich die Finger wund. Und obwohl zwei Tage später die Kritik des SED-Zentralorgans "Neues Deutschland" die Geschichte der kompromisslosen Liebe zwischen der kleinen Verkäuferin Paula und dem Ministerialbürokraten Paul als "Zeichen der Isolation von der Gesellschaft" rügte, wurde der Film mit Angelika Domröse und Winfried Glatzeder als Leinwand-Traumpaar zum größten DEFA-Erfolg: drei Millionen Zuschauer in einem Jahr. Sechs Jahre später findet Heiner Carow mit seiner radikalen Tragödie einer jungen Ehe "Bis dass der Tod euch scheidet" wieder eine ähnliche Besucherresonanz.
Das Filmhandwerk lernte Carow von der Pike auf: Ab 1950 in der Regieklasse des Nachwuchsstudios der DEFA und beim Populärwissenschaftlichen Studio, wo er als Erstling einen Film über Schweinemast drehte. Dann wurde vor allem Gerhard Klein sein Lehrer, an dessen realistischen Berlin-Filmen 1956 Carows Regie-Debut "Sheriff Teddy" anknüpfte. 1966 zählte "Die Reise nach Sundevit" zu den schönsten Kinderfilmen der DEFA. Zwei Jahre später eine schmerzliche Zäsur: Das Verbot für Carows persönlichsten Film "Die Russen kommen".
"Hier war zum ersten Mal eigentlich mit großer Konsequenz ein schuldiger Held auf der Leinwand, einer, der also die ganze Zeit gläubig bis zum Ende mitmacht, also bis in den Wahnsinn, wenn man so will, am Schluss, und es wurde außerdem die ungeheuer verführerische Verführungsmaschinerie der Nazis gezeigt, also wie einer eigentlich in diesen Einfluss gerät, dem man als junger Mensch kaum ausweichen konnte."
Erst im Dezember 1987 durfte "Die Russen kommen" in die DDR-Kinos. Carows Plan, Ulrich Plenzdorfs Bühnenbestseller "Die neuen Leiden des jungen W." zu verfilmen, wurde ebenso abgelehnt wie "Paule Panke", auch dies ein Projekt mit einem unangepassten Jugendlichen im Mittelpunkt. Und Carows Lieblingsidee, eine Adaption des "Simplicius Simplicissimus", scheiterte am erforderlichen Aufwand. Kurz vor Ende der DDR gelang es dem Regisseur als Vizepräsident der Akademie der Künste, noch einen letzten Tabubruch durchzusetzen. Er drehte den ersten DEFA-Film über eine Männerliebe, "Coming out". Premiere war am 9. November 1989, dem Abend des Mauerfalls.
"Eigentlich hatten wir ja viele Jahre diese Sehnsüchte und diese Konflikte und Auseinandersetzungen oder auch diese Verhinderung, dass wir oft verdächtigt oder in Ecken gestellt waren oder nicht arbeiten konnten, weil, ich hab das immer versucht, mich den Tabus oder den ungeklärten, den schwierigen Fragen zu nähern, und was natürlich dann auf Widerstand stieß."
Mit dem Widerstand ideologischer Dogmatiker umzugehen, war Carow gewohnt. Der Widerstand der quotenfixierten neuen Geldgeber in Fernsehredaktionen gegen manche seiner Projekte ließ ihn - nach zwei 1991 und 1992 noch realisierten TV-Filmen - langsam resignieren. Mit Babelsberg hatte Heiner Carow seine künstlerische Heimat verloren. Unerwartet erlag der erst 67-jährige am 31. Januar 1997 einem Hirnschlag.