Warum Ostdeutschland so viele Studierende lockt
Es ist noch nicht lange her, da war der Osten für Studierende ziemlich unattraktiv. Sie überrannten lieber Münchener oder Berliner Hörsäle. Doch das hat sich mittlerweile geändert. Wegen - oder trotz? - einer "fernöstlichen" Imagekampagne.
Wer hätte das gedacht. Noch vor zehn Jahren hatten die ostdeutschen Universitätsstädte ein Problem. Während sich im Westen die Studenten in den Hörsälen stapelten, gab es im Osten immer weniger Studienanfänger. Das lag einerseits an den sinkenden Geburtenraten – aber da war auch dieses schlechte Image: Marode Gebäude, komischer Dialekt, schlechte Arbeitsaussichten, hohe Ausländerfeindlichkeit. Die Studierenden quetschten sich lieber in überfüllte Hörsäle in München oder Berlin. Heute ist das anders. Auch dank einer Marketing-Kampagne namens "Studieren in Fernost", die gezielt Studenten aus den alten Bundesländern das Studium im Osten schmackhaft machen sollte.
Da fahren zwei Chinesen im Vampirkostüm in den Osten Deutschlands, um dem Rektor der Uni Leipzig, der zweitältesten Hochschule Deutschlands, zum 600. Bestehen zu zu gratulieren. Der steht im vollen Ornat und erläutert die Vorzüge seiner modernen Alma Mater. Die Chinesen waren erstaunt:
Wie, keine Gruften? Keine Geheimbünde, eingemauerten Wissenschaftler oder seltsame Geheimbünde? – Nein, wir sind eine moderne weltoffene Hochschule...
Schöne Wellen, lange Strände - und die Fachhochschule
Wie, nicht verstaubt? Naja, doch irgendwie, aber charmant, und dann gibt es ja auch noch diese hochmodernen Labore und das Uniradio Mephisto. Oder: Die Fachhochschule Stralsund. Da schon mal studiert? 160 Euro kostet ein Zimmer. Wirklich? Und dann liegt es auch noch am Meer. Diesmal haben die Chinesen Surfbretter dabei.
FH Stralsund. Hmmm. Sonnenmilchdüfte. Bikinis ohne Ende. Die schönsten Wellen und die längsten Strände! Und eine unglaubliche FH. FH Stralsund...
In anderen Spots lud man zur Trabi-Safari oder es erteilten Hochschulprofessoren Sprachkurse in Sächsisch. Nicht alle fanden das lustig – der Rektor der Uni Leipzig fand es sogar "saublöd". Aber es half, das dumpfe Bild des Ostens aufzufrischen. Heute kommt bereits jeder dritte Studienanfänger an ostdeutschen Hochschulen aus dem Westen.
Kleine Seminare und gute Betreuung
Gut, der Erfolg der ostdeutschen Universitäten hat sicher nicht nur mit der Kampagne zu tun. Dass viele in den letzten Jahren zu innovativen Wissenschaftsstätten ausgebaut wurden – mit hochspezialisierten Studiengängen, neuen Gebäuden, gut ausgestatteten Bibliotheken, in denen man auch tatsächlich Sitzplätze findet – war auch nicht unbedeutend.
Aber die Kunst liegt darin, offensiv mit dem zu buhlen, was man nicht hat. Nachtleben in Greifswald, Illmenau, Rostock? Geht so. Aber: Wo niemand hinwill, hat man bessere Chancen, seinen Wunschstudienplatz zu bekommen, kleinere Seminare, eine gute Betreuung, Sprechstunden ohne stundenlange Wartezeiten, Hörsäle, in denen noch Luft zum Atmen bleibt. Und vor allem: Niedrige Lebenshaltungskosten.
Viele Studenten kommen in den Osten, weil sie es sich hier noch leisten können. "Studieren im Osten macht glücklich" steht auf der Website der Kampagne. Unschlüssige Studienanfänger werden zur virtuellen Campus-Tour eingeladen: Ein Klick und man steht an der BTU Cottbus, wo eine animierte Studentin in die hochmoderne Bibliothek der Stararchitekten Herzog und Demeuron einlädt. Der zweite Standort in Senftenberg ist dagegen eine graue DDR-Platte. Innen drin allerdings geht es um das Weltkulturerbe – im bundesweit einzigen Master-Studiengang "World Heritage Studies". Auch das gibt es nur im Osten.