Immer der Nase nach
Mehr als 3000 Duftpartikel verliert ein Mensch pro Sekunde. Sie schwirren durch die Luft und legen sich auf Boden und Wänden nieder. Ein ausgebildeter Bloodhound, ein Personenspürhund, kann solche Partikel noch tagelang riechen. Und dadurch Leben retten.
Seit acht Stunden wird eine Frau in Stendal vermisst. Die 58-Jährige ist Diabetikerin, benötigt regelmäßig Insulin. Die Suche ist dringend.
"Der letzte Abgangsort war hier, wo genau, in welchem Gebiet wissen wir nicht. Die letzten Informationen waren, dass sie aus dem Auto ausgestiegen ist und dann sich hier irgendwo in die Stadt begeben hat."
Friedhelm Cario, Bereitschaftsleiter beim Roten Kreuz, zeigt auf einen weißen Pkw, auf dem Beifahrersitz liegt ein gelbes Halstuch. Er nimmt das Tuch, steckt es in eine Plastiktüte und reicht sie Jürgen Conrad. Der Hundetrainer nickt wortlos, läuft auf die andere Straßenseite, öffnet die Kofferraumtür seines Wagens, heraus springt Hutsch. Ein Bloodhound, zu deutsch, Bluthund.
Hutsch misst knapp 70 Zentimeter, hat kurzes braunes Haar, lange Schlappohren, riesige Pranken und eine besonders sensible Hundenase. Bloodhounds sind für ihren ausgezeichneten Geruchssinn bekannt. Sie werden darum gerne als Mantrailer, als Personenspürhunde, eingesetzt. Sie heften sich nicht an die Fährte eines Vermissten, sondern riechen die Duftpartikel, die ein Mensch hinterlässt, in der Luft und der Umgebung.
Jürgen Conrad: "Bloodhounds riechen einfach besser als alle anderen Hunderassen. Die wollen suchen. Das zeichnet den Bloodhound aus, er ist stur und er interessiert sich für Gerüche. Und wenn er einen Geruch hat, der ihn interessiert, dann ist er weg. Dann hat er keinen Gehorsam mehr."
Kriminalisten in den USA setzen die Tiere in der Vermisstensuche und Verbrechensbekämpfung ein. Noch Tage später können ausgebildete Bloodhounds eine Spur aufnehmen. Es gibt sogar Hunde, die über einige Kilometer die Spur eines Autos verfolgen, in dem der Gesuchte fuhr.
Der Hundetrainer streift seinem neunmonatigen Rüden ein Hundegeschirr über Kopf und Schultern. Hutsch bleibt artig stehen, wedelt mit der Rute, schaut interessiert, irgendwie erwartungsvoll. Das Geschirr hat Symbolcharakter, erklärt Conrad. Der junge Rüde scheint zu wissen, was sein Herrchen jetzt von ihm will. Hutsch soll einem Individualgeruch folgen. Dem Geruch der vermissten Frau. Jürgen Conrad öffnet die Plastiktüte, hält sie Hutsch unter die Nase. Der Hund steckt seine lange Schnauze hinein.
Hutsch streckt die Nase in Luft, nimmt Witterung auf. Dann rennt er los, zerrt an der Leine, zieht Jürgen Conrad hinter sich her. Friedhelm Cario folgt dem Suchteam im Laufschritt. Hält immer zehn Meter Abstand, damit er Hutsch nicht von der Suche ablenkt.
"Das ist eigentlich das typische Tempo … oh ja, beim ausgebildeten, fertigen Hund ist das so normal."
Der Hund hält die Nase am Boden, stellt seine Rute auf. Ich bin auf dem Weg, heißt das, erklärt Friedhelm Cario keuchend. Plötzlich hebt der Rüde den Kopf, läuft nach links, dann nach rechts. Immer wieder im Zickzack.
"Das sieht zwar jetzt hier recht spielerisch aus, aber eigentlich ist es Schwerstarbeit für den Hund. Der klassische Fährtenhund sucht die Geruchsträger, die direkt auf dem Boden anhaften. Der Fährtenhund arbeitet wirklich den Weg, den der Gesuchte gegangen ist. Der Mantrailer folgt dem Individualgeruch, der sich in der Umgebung abgelegt hat. Das kann also durchaus sein, dass das mehrere Meter von dem eigentlichen Weg des Gesuchten entfernt ist."
Die menschliche Duftspur hat Hutsch also nicht verloren, sagt Cario. Im Gegenteil. Er prüft links und rechts entlang der Strecke, ob sich die Geruchsträger des Gesuchten auf Zäunen, Blättern oder Grashalmen abgelagert haben.
"Der Mensch verliert 3.000 Geruchsträger in der Sekunde. Und durch die Kleidung steigen die am Halsausschnitt auf und verteilen sich in der Umgebung. Und lagern sich dann in der Vegetation und in der Bebauung ab, also in Häuserschluchten. Wenn sie einen Mantrailer arbeiten sehen, wird der immer an der Hauswand lang laufen, weil sich die Geruchsträger dort ansammeln durch den Wind."
Hutsch biegt nach rechts ab in die schmale Straße einer Plattenbausiedlung.
Hutsch folgt beharrlich seiner Spur. Nur vor Hauseingängen wirkt das Tier manchmal verunsichert, geht ein paar Schritte nach vorn, dann wieder zurück. In diesen Nischen sammeln sich besonders viele Geruchsträger, sagt Friedhelm Cario.
"Das ist eine schwierige Situation für den Hund jetzt. Der Wind kommt aus allen Richtungen und verwirbelt die Geruchsträger, die geben also kein eindeutiges Spurenbild mehr, er weiß also nicht, in welche Richtung."
Ein noch junger Hund wie Hutsch kann dann überfordert sein. Drei Jahre dauert die Ausbildung eines Mantrailers. Das Tier steht jetzt still. Jürgen Conrad tätschelt ihn nicht, spricht ihn nicht an, lässt ihm Zeit, sich wieder neu zu orientieren. Schließlich trabt Hutsch weiter und Jürgen Conrad hinterher.
"Wenn ich anfangen würde zu lenken, dann bräuchte ich in keinen Einsatz mehr gehen. Im Mantrailing führt der Hund den Hundeführer. Deswegen machen wir mit den Hunden auch relativ wenig Gehorsamsleistungen, weil, er soll der Chef sein, er soll mich führen, er weiß, wo es lang geht."
Nach zwanzig Minuten und einem Kilometer Fußweg hat Hutsch dann sein Erfolgserlebnis. Die vermisste Frau steht vor ihm. Der Mantrailer springt freudig an ihr hoch. Keine Zuneigungsbekundung für Zartbesaitete.
Diesmal war alles nur ein Spiel, die Suche ein Training. In zwei Jahren, sagt Jürgen Conrad, kann er Menschen retten. Und das auch noch Tage nach ihrem Verschwinden.
"Der letzte Abgangsort war hier, wo genau, in welchem Gebiet wissen wir nicht. Die letzten Informationen waren, dass sie aus dem Auto ausgestiegen ist und dann sich hier irgendwo in die Stadt begeben hat."
Friedhelm Cario, Bereitschaftsleiter beim Roten Kreuz, zeigt auf einen weißen Pkw, auf dem Beifahrersitz liegt ein gelbes Halstuch. Er nimmt das Tuch, steckt es in eine Plastiktüte und reicht sie Jürgen Conrad. Der Hundetrainer nickt wortlos, läuft auf die andere Straßenseite, öffnet die Kofferraumtür seines Wagens, heraus springt Hutsch. Ein Bloodhound, zu deutsch, Bluthund.
Hutsch misst knapp 70 Zentimeter, hat kurzes braunes Haar, lange Schlappohren, riesige Pranken und eine besonders sensible Hundenase. Bloodhounds sind für ihren ausgezeichneten Geruchssinn bekannt. Sie werden darum gerne als Mantrailer, als Personenspürhunde, eingesetzt. Sie heften sich nicht an die Fährte eines Vermissten, sondern riechen die Duftpartikel, die ein Mensch hinterlässt, in der Luft und der Umgebung.
Jürgen Conrad: "Bloodhounds riechen einfach besser als alle anderen Hunderassen. Die wollen suchen. Das zeichnet den Bloodhound aus, er ist stur und er interessiert sich für Gerüche. Und wenn er einen Geruch hat, der ihn interessiert, dann ist er weg. Dann hat er keinen Gehorsam mehr."
Kriminalisten in den USA setzen die Tiere in der Vermisstensuche und Verbrechensbekämpfung ein. Noch Tage später können ausgebildete Bloodhounds eine Spur aufnehmen. Es gibt sogar Hunde, die über einige Kilometer die Spur eines Autos verfolgen, in dem der Gesuchte fuhr.
Der Hundetrainer streift seinem neunmonatigen Rüden ein Hundegeschirr über Kopf und Schultern. Hutsch bleibt artig stehen, wedelt mit der Rute, schaut interessiert, irgendwie erwartungsvoll. Das Geschirr hat Symbolcharakter, erklärt Conrad. Der junge Rüde scheint zu wissen, was sein Herrchen jetzt von ihm will. Hutsch soll einem Individualgeruch folgen. Dem Geruch der vermissten Frau. Jürgen Conrad öffnet die Plastiktüte, hält sie Hutsch unter die Nase. Der Hund steckt seine lange Schnauze hinein.
Hutsch streckt die Nase in Luft, nimmt Witterung auf. Dann rennt er los, zerrt an der Leine, zieht Jürgen Conrad hinter sich her. Friedhelm Cario folgt dem Suchteam im Laufschritt. Hält immer zehn Meter Abstand, damit er Hutsch nicht von der Suche ablenkt.
"Das ist eigentlich das typische Tempo … oh ja, beim ausgebildeten, fertigen Hund ist das so normal."
Der Hund hält die Nase am Boden, stellt seine Rute auf. Ich bin auf dem Weg, heißt das, erklärt Friedhelm Cario keuchend. Plötzlich hebt der Rüde den Kopf, läuft nach links, dann nach rechts. Immer wieder im Zickzack.
"Das sieht zwar jetzt hier recht spielerisch aus, aber eigentlich ist es Schwerstarbeit für den Hund. Der klassische Fährtenhund sucht die Geruchsträger, die direkt auf dem Boden anhaften. Der Fährtenhund arbeitet wirklich den Weg, den der Gesuchte gegangen ist. Der Mantrailer folgt dem Individualgeruch, der sich in der Umgebung abgelegt hat. Das kann also durchaus sein, dass das mehrere Meter von dem eigentlichen Weg des Gesuchten entfernt ist."
Die menschliche Duftspur hat Hutsch also nicht verloren, sagt Cario. Im Gegenteil. Er prüft links und rechts entlang der Strecke, ob sich die Geruchsträger des Gesuchten auf Zäunen, Blättern oder Grashalmen abgelagert haben.
"Der Mensch verliert 3.000 Geruchsträger in der Sekunde. Und durch die Kleidung steigen die am Halsausschnitt auf und verteilen sich in der Umgebung. Und lagern sich dann in der Vegetation und in der Bebauung ab, also in Häuserschluchten. Wenn sie einen Mantrailer arbeiten sehen, wird der immer an der Hauswand lang laufen, weil sich die Geruchsträger dort ansammeln durch den Wind."
Hutsch biegt nach rechts ab in die schmale Straße einer Plattenbausiedlung.
Hutsch folgt beharrlich seiner Spur. Nur vor Hauseingängen wirkt das Tier manchmal verunsichert, geht ein paar Schritte nach vorn, dann wieder zurück. In diesen Nischen sammeln sich besonders viele Geruchsträger, sagt Friedhelm Cario.
"Das ist eine schwierige Situation für den Hund jetzt. Der Wind kommt aus allen Richtungen und verwirbelt die Geruchsträger, die geben also kein eindeutiges Spurenbild mehr, er weiß also nicht, in welche Richtung."
Ein noch junger Hund wie Hutsch kann dann überfordert sein. Drei Jahre dauert die Ausbildung eines Mantrailers. Das Tier steht jetzt still. Jürgen Conrad tätschelt ihn nicht, spricht ihn nicht an, lässt ihm Zeit, sich wieder neu zu orientieren. Schließlich trabt Hutsch weiter und Jürgen Conrad hinterher.
"Wenn ich anfangen würde zu lenken, dann bräuchte ich in keinen Einsatz mehr gehen. Im Mantrailing führt der Hund den Hundeführer. Deswegen machen wir mit den Hunden auch relativ wenig Gehorsamsleistungen, weil, er soll der Chef sein, er soll mich führen, er weiß, wo es lang geht."
Nach zwanzig Minuten und einem Kilometer Fußweg hat Hutsch dann sein Erfolgserlebnis. Die vermisste Frau steht vor ihm. Der Mantrailer springt freudig an ihr hoch. Keine Zuneigungsbekundung für Zartbesaitete.
Diesmal war alles nur ein Spiel, die Suche ein Training. In zwei Jahren, sagt Jürgen Conrad, kann er Menschen retten. Und das auch noch Tage nach ihrem Verschwinden.