Immer der Nase nach
Bier, Kaffee, Tabak, Kakao - wer den Düften in der Bremer Luft folgt, kann eine Menge über die Geschichte der Hansestadt erfahren. Allerdings haftet so manchem Geruch nur noch die Erinnerung an Vergangenes an.
Heinz-Gerd Hofschen sitzt auf einer Bank an der Weserpromenade und hält seine Nase in den Wind; den Duft-Wind, der von der anderen Uferseite herüber weht. Mittagspausen-Spaziergänger ignorieren den Geruch, aber für Hofschen bringt er Geschichte über den Fluss. Der Mittsechziger ist Historiker und arbeitete jahrzehntelang als Abteilungsleiter für Stadtgeschichte im Focke-Museum, dem Bremer Landesmuseum.
"Bier haben die Bremer schon immer gebraut, und Bier war ein wichtiges Handelsgut in der Hansezeit. Beispielsweise wurde Bier nach Skandinavien exportiert, in Fässern, von denen Sie bei uns im Landesmuseum ein originales Exemplar, was hier ein Stück weiter ausgegraben wurde, noch sehen können. In solchen Fässern wurde Bier beispielsweise nach Bergen in Norwegen verbracht und dort eingetauscht gegen Stockfisch, gegen getrockneten Fisch, den man ja brauchte, weil man sonst Lebensmittel nicht konservieren konnte. Und weil man als guter Katholik am Freitag ja auch nur Fisch aß. Also: der Handel mit Bier war eine sehr frühe, auch schon mittelalterliche Geschichte."
Die Geschichte der Brauerei dort drüben hat vor 140 Jahren begonnen. Damals wie heute kommen die Zutaten für das bekannte Bier zu großen Teilen über die Weser. Und noch etwas ist gleich geblieben: die traditionelle grüne Flasche. Allerdings: Was damals in mundgeblasene Exemplare abgefüllt wurde, wäre heute nicht mehr trinkbar.
"Das mit dem Wasser war immer ein Problem, weil man das Wasser der Weser entnommen hat, lange Zeit - bis man dann im 19. Jahrhundert die Weser so versaut hatte, dass man das Wasser nicht mehr ungeklärt und ungefiltert verwenden konnte."
Inzwischen kommt das Wasser für das Bier in der grünen Flasche aus der Rotenburger Rinne, einem Eiszeitwasser-Einschluss in der Nähe der Hansestadt. Und auch sonst hat sich einiges geändert, was den Biergeschmack angeht.
Immer der Nase nach – damit kommt man im Verkoster-Turm der Becks-Brauerei nicht weit. In der Luft liegt kein Geruch. Die Verkoster arbeiten unter neutralen Versuchsbedingungen. Vor jedem Biertester stehen vier halbvolle Gläser, etikettiert mit A, B, C oder D.
Robert Opitz, Diplombraumeister und Betriebskontrolleur, riecht, schluckt, notiert - und ist hoch konzentriert bei der Sache. Vor dem nächsten Schluck Bier neutralisiert er Geruchs- und Geschmackssinn mit einem Stückchen Weißbrot.
"Ich find' insgesamt- wenn man das jetzt alles zusammenfassen würde – bis auf das 'C' vielleicht - sind das alles hervorragende Biere. Die sind alle absolut in unserem Profil drin, so, wie wirs gern hätten."
Der persönliche Geschmack spielt beim Testen keine Rolle, sagt Opitz, - wohl aber der der Konsumenten. Der Braumeister bedauert, dass die Biere über die Jahre immer süßer und weniger bitter geworden sind. Aber die wichtigste Tradition der Firma sei geblieben, meint er. Genau wie vor mehr als 100 Jahren wird auch heute noch nach untergäriger Pilsner Brauart produziert. So übersteht das Bier den Transport von Bremen nach Übersee, ohne an Geschmack oder Geruch zu verlieren.
Und wirbt mit seinem Firmen-Logo für die Hansestadt. Es ist dem Bremer Wappen zum Verwechseln ähnlich – ein weißer Schlüssel auf rotem Grund. Einen kleinen Unterschied gibt es aber doch – damit die Hansestadt nicht mit Alkohol in Verbindung gebracht wird. Der Schlüssel der Brauerei ist vertikal gespiegelt abgebildet.
Die Brauerei liegt auf der "anderen Seite" der Weser. So nennen die Bremer den neueren Teil der Stadt. Die Bürgermeister-Smidt-Brücke verbindet beide Ufer miteinander, und wer auf ihr steht, dem drängt sich auch bald eine neuer Geruch in die Nase. Er klebt sozusagen in der Luft: süßlich-fettig, wie Kakaopulver.
Wer der Duft-Wolke folgt, steht nach ein paar Minuten Fußweg vor einem großen weißen Gebäude. "Bremer Chocolade Manufaktur seit 1890" steht über einer Tür geschrieben, die in einen modernen Glasgang führt. Der die Schokoladenfabrik vor mehr als 120 Jahren gründete, war Belgier: der Chocolatier Joseph Emile Hachez. Ein Einwanderer also. Aber mit hanseatischer Weltläufigkeit hat diese Geschichte nichts zu tun, sagt Heinz-Gerd Hofschen, der Bremer Stadthistoriker.
"Eigentlich ist es des Bremers Ideal, in Bremen geboren zu sein und in Bremen zur Schule zu gehen und – seit 30 Jahren kann man hier studieren – in Bremen zu studieren, und dann irgendwann mal auf dem Riensberger Friedhof zu landen. Also eine doch sehr bodenständige Mentalität. Die Weltläufigkeit besteht eher darin, dass man den Handel nach außen betreibt."
"Bier haben die Bremer schon immer gebraut, und Bier war ein wichtiges Handelsgut in der Hansezeit. Beispielsweise wurde Bier nach Skandinavien exportiert, in Fässern, von denen Sie bei uns im Landesmuseum ein originales Exemplar, was hier ein Stück weiter ausgegraben wurde, noch sehen können. In solchen Fässern wurde Bier beispielsweise nach Bergen in Norwegen verbracht und dort eingetauscht gegen Stockfisch, gegen getrockneten Fisch, den man ja brauchte, weil man sonst Lebensmittel nicht konservieren konnte. Und weil man als guter Katholik am Freitag ja auch nur Fisch aß. Also: der Handel mit Bier war eine sehr frühe, auch schon mittelalterliche Geschichte."
Die Geschichte der Brauerei dort drüben hat vor 140 Jahren begonnen. Damals wie heute kommen die Zutaten für das bekannte Bier zu großen Teilen über die Weser. Und noch etwas ist gleich geblieben: die traditionelle grüne Flasche. Allerdings: Was damals in mundgeblasene Exemplare abgefüllt wurde, wäre heute nicht mehr trinkbar.
"Das mit dem Wasser war immer ein Problem, weil man das Wasser der Weser entnommen hat, lange Zeit - bis man dann im 19. Jahrhundert die Weser so versaut hatte, dass man das Wasser nicht mehr ungeklärt und ungefiltert verwenden konnte."
Inzwischen kommt das Wasser für das Bier in der grünen Flasche aus der Rotenburger Rinne, einem Eiszeitwasser-Einschluss in der Nähe der Hansestadt. Und auch sonst hat sich einiges geändert, was den Biergeschmack angeht.
Immer der Nase nach – damit kommt man im Verkoster-Turm der Becks-Brauerei nicht weit. In der Luft liegt kein Geruch. Die Verkoster arbeiten unter neutralen Versuchsbedingungen. Vor jedem Biertester stehen vier halbvolle Gläser, etikettiert mit A, B, C oder D.
Robert Opitz, Diplombraumeister und Betriebskontrolleur, riecht, schluckt, notiert - und ist hoch konzentriert bei der Sache. Vor dem nächsten Schluck Bier neutralisiert er Geruchs- und Geschmackssinn mit einem Stückchen Weißbrot.
"Ich find' insgesamt- wenn man das jetzt alles zusammenfassen würde – bis auf das 'C' vielleicht - sind das alles hervorragende Biere. Die sind alle absolut in unserem Profil drin, so, wie wirs gern hätten."
Der persönliche Geschmack spielt beim Testen keine Rolle, sagt Opitz, - wohl aber der der Konsumenten. Der Braumeister bedauert, dass die Biere über die Jahre immer süßer und weniger bitter geworden sind. Aber die wichtigste Tradition der Firma sei geblieben, meint er. Genau wie vor mehr als 100 Jahren wird auch heute noch nach untergäriger Pilsner Brauart produziert. So übersteht das Bier den Transport von Bremen nach Übersee, ohne an Geschmack oder Geruch zu verlieren.
Und wirbt mit seinem Firmen-Logo für die Hansestadt. Es ist dem Bremer Wappen zum Verwechseln ähnlich – ein weißer Schlüssel auf rotem Grund. Einen kleinen Unterschied gibt es aber doch – damit die Hansestadt nicht mit Alkohol in Verbindung gebracht wird. Der Schlüssel der Brauerei ist vertikal gespiegelt abgebildet.
Die Brauerei liegt auf der "anderen Seite" der Weser. So nennen die Bremer den neueren Teil der Stadt. Die Bürgermeister-Smidt-Brücke verbindet beide Ufer miteinander, und wer auf ihr steht, dem drängt sich auch bald eine neuer Geruch in die Nase. Er klebt sozusagen in der Luft: süßlich-fettig, wie Kakaopulver.
Wer der Duft-Wolke folgt, steht nach ein paar Minuten Fußweg vor einem großen weißen Gebäude. "Bremer Chocolade Manufaktur seit 1890" steht über einer Tür geschrieben, die in einen modernen Glasgang führt. Der die Schokoladenfabrik vor mehr als 120 Jahren gründete, war Belgier: der Chocolatier Joseph Emile Hachez. Ein Einwanderer also. Aber mit hanseatischer Weltläufigkeit hat diese Geschichte nichts zu tun, sagt Heinz-Gerd Hofschen, der Bremer Stadthistoriker.
"Eigentlich ist es des Bremers Ideal, in Bremen geboren zu sein und in Bremen zur Schule zu gehen und – seit 30 Jahren kann man hier studieren – in Bremen zu studieren, und dann irgendwann mal auf dem Riensberger Friedhof zu landen. Also eine doch sehr bodenständige Mentalität. Die Weltläufigkeit besteht eher darin, dass man den Handel nach außen betreibt."
Den Kakao-Fettfilm kann man riechen
Damit hat die alte Bremer Chocoladen-Manufaktur Erfahrung. Der wichtigste Rohstoff für ihre Schokoladen kommt aus Übersee: aus Ecuador, Madagaskar und Sao Tomé. Mehr als 200 Jahre lang hat der Kakao, neben anderen Import-Gütern, Bremens Wirtschaftsstruktur stark geprägt und die Schwerindustrie aufgehalten. Ohne Freihafen keine Industrialisierung. Also konzentrierten sich die Hanseaten auf die Nahrungs- und Genussmittel.
Die unterschiedlichen Düfte, die je nach Windrichtung über Bremen liegen, erinnern an diese alte Tradition. Aber inzwischen bestimmen auch Maschinen-, Fahrzeug- und Flugzeugbau die Wirtschaft von Deutschlands kleinstem Bundesland. Dass Bremen trotzdem eine arme Hansestadt ist, hängt mit der öffentlichen Armut zusammen, sagt Heinz-Gerd Hofschen.
"Die Tatsache, dass die Steuerverteilung seit der ersten Großen Koalition 1969 'ne andere ist, dass man dort seine Steuern bezahlt, wo man wohnt, nicht, wo man arbeitet, ist für einen Stadtstaat wie Bremen ganz verheerend. Da ist ein Steuerungleichgewicht, was sich in Flächenländern so nicht herausbildet, was aber dazu führt, dass die öffentlichen Einnahmen in Bremen schlecht sind."
Die Schokoladen-Manufaktur oder die Brauerei sind keine Steuer-Flüchtlinge. Den Großteil ihrer Steuern zahlen sie noch immer an die Hansestadt. Aber rein hanseatische Unternehmen sind die beiden Firmen trotzdem nicht mehr. Die Brauerei gehört seit mehr als zehn Jahren zu einem belgisch-brasilianischen Konzern. Die beiden letzten Eigentümer der Schokoladenfabrik hielten länger durch. Aber vor knapp zwei Jahren verkauften auch sie an eine ausländische Firma; eine dänische in diesem Fall.
Trotzdem ist Wolf Kropp-Büttner Geschäftsführer bei "Hachez" geblieben. In weißem Kittel und mit weißer Mütze macht er einen seiner regelmäßigen Besuche im Schokoladen-Werk. Die Reporterin legt sich nach den ersten Metern in der Fabrik erstmal der Länge nach hin.
Wolf Kropp-Büttner: "Kakao, sagte ich ja, hat was mit Kakao-Fett zu tun. Aus irgendwelchen Gründen setzt der sich hier auf dem Boden ab. Und obwohl wir hier auch mit Wasser reinigen, ist hier immer so ein leichter Fettfilm, der so ein bisschen rutschig ist."
Den Fettfilm kann man auch riechen. Die Säuren, die beim Kakao-Rösten und späteren Mahlen entweichen, kleben überall in der Schokoladenfabrik, auch in der Luft und der Kleidung der Schokoladenhersteller – ein Geruch irgendwo zwischen Kakao und Schokolade. Abendliches Duschen gehört also zum Alltag eines Schokoladenfabrik-Mitarbeiters.
"Weil, das ist dann schon ein sehr intensiver Geschmack. Und diese Säuren sind zum Teil auch sehr aggressiv, was dann teilweise auch mit den ganzen Rohrsystemen zu tun hat. Also, sie greifen auch gewisse Materialien an. Also das ist schon auf Dauer spürbar."
Noch sind die Leitungen über unseren Köpfen aber dicht. Durch sie gelangen gequetschte Kakaobohnen zu den großen Rühr-Schüsseln, vor denen Kropp-Büttner nun steht. In den sogenannten Melangeuren werden Kakao, Zucker und Milchpulver miteinander vermischt.
"Und das ist jetzt eigentlich ausschlaggebend für die Schokolade-Herstellung, dass jetzt die unterschiedlichen Komponenten so stark zusammen gebracht werden soll, dass sie später eine harmonische, gut schmeckende Masse ergeben."
Bis dahin dauert es noch gut 50 Stunden. Momentan schmeckt die Masse mehr nach einem groben Zucker-Kakao-Brei als nach Schokolade. Aber ein paar rutschige Schritte weiter, bei der sogenannten Conche, kann Kropp-Büttner schon fast fertige, feine Schokolade probieren. In der riesigen, stählernen Maschine ist ein großes Schaufelrad zu sehen. Zwei Tage lang rührt, wendet und belüftet es die schwere, dunkelbraune Soße.
"Also die Schokolade ist bald fertig. Es wird was."
Die unterschiedlichen Düfte, die je nach Windrichtung über Bremen liegen, erinnern an diese alte Tradition. Aber inzwischen bestimmen auch Maschinen-, Fahrzeug- und Flugzeugbau die Wirtschaft von Deutschlands kleinstem Bundesland. Dass Bremen trotzdem eine arme Hansestadt ist, hängt mit der öffentlichen Armut zusammen, sagt Heinz-Gerd Hofschen.
"Die Tatsache, dass die Steuerverteilung seit der ersten Großen Koalition 1969 'ne andere ist, dass man dort seine Steuern bezahlt, wo man wohnt, nicht, wo man arbeitet, ist für einen Stadtstaat wie Bremen ganz verheerend. Da ist ein Steuerungleichgewicht, was sich in Flächenländern so nicht herausbildet, was aber dazu führt, dass die öffentlichen Einnahmen in Bremen schlecht sind."
Die Schokoladen-Manufaktur oder die Brauerei sind keine Steuer-Flüchtlinge. Den Großteil ihrer Steuern zahlen sie noch immer an die Hansestadt. Aber rein hanseatische Unternehmen sind die beiden Firmen trotzdem nicht mehr. Die Brauerei gehört seit mehr als zehn Jahren zu einem belgisch-brasilianischen Konzern. Die beiden letzten Eigentümer der Schokoladenfabrik hielten länger durch. Aber vor knapp zwei Jahren verkauften auch sie an eine ausländische Firma; eine dänische in diesem Fall.
Trotzdem ist Wolf Kropp-Büttner Geschäftsführer bei "Hachez" geblieben. In weißem Kittel und mit weißer Mütze macht er einen seiner regelmäßigen Besuche im Schokoladen-Werk. Die Reporterin legt sich nach den ersten Metern in der Fabrik erstmal der Länge nach hin.
Wolf Kropp-Büttner: "Kakao, sagte ich ja, hat was mit Kakao-Fett zu tun. Aus irgendwelchen Gründen setzt der sich hier auf dem Boden ab. Und obwohl wir hier auch mit Wasser reinigen, ist hier immer so ein leichter Fettfilm, der so ein bisschen rutschig ist."
Den Fettfilm kann man auch riechen. Die Säuren, die beim Kakao-Rösten und späteren Mahlen entweichen, kleben überall in der Schokoladenfabrik, auch in der Luft und der Kleidung der Schokoladenhersteller – ein Geruch irgendwo zwischen Kakao und Schokolade. Abendliches Duschen gehört also zum Alltag eines Schokoladenfabrik-Mitarbeiters.
"Weil, das ist dann schon ein sehr intensiver Geschmack. Und diese Säuren sind zum Teil auch sehr aggressiv, was dann teilweise auch mit den ganzen Rohrsystemen zu tun hat. Also, sie greifen auch gewisse Materialien an. Also das ist schon auf Dauer spürbar."
Noch sind die Leitungen über unseren Köpfen aber dicht. Durch sie gelangen gequetschte Kakaobohnen zu den großen Rühr-Schüsseln, vor denen Kropp-Büttner nun steht. In den sogenannten Melangeuren werden Kakao, Zucker und Milchpulver miteinander vermischt.
"Und das ist jetzt eigentlich ausschlaggebend für die Schokolade-Herstellung, dass jetzt die unterschiedlichen Komponenten so stark zusammen gebracht werden soll, dass sie später eine harmonische, gut schmeckende Masse ergeben."
Bis dahin dauert es noch gut 50 Stunden. Momentan schmeckt die Masse mehr nach einem groben Zucker-Kakao-Brei als nach Schokolade. Aber ein paar rutschige Schritte weiter, bei der sogenannten Conche, kann Kropp-Büttner schon fast fertige, feine Schokolade probieren. In der riesigen, stählernen Maschine ist ein großes Schaufelrad zu sehen. Zwei Tage lang rührt, wendet und belüftet es die schwere, dunkelbraune Soße.
"Also die Schokolade ist bald fertig. Es wird was."
Der Tabakduft bescherte Bremen Arbeit und Wissen
Der Wind hat sich gedreht. Vom gegenüberliegenden Ufer lockt er mit einem neuen Geruch in Richtung Altstadt. Der Duft erinnert an getoastetes Brot, liegt aber viel intensiver und schwerer in der Luft. Heinz-Gerd Hofschen, der Historiker aus dem Bremer Landesmuseum, kennt ihn. Und während er seiner Nase folgt, erinnert er sich an einen Duft, den es heute gar nicht mehr gibt in Bremen.
"Also, die Tabak-Industrie ist weitgehend weg."
Der Bremen-Kenner war jahrzehntelang Raucher und hat den Duft der Brinkmannschen Tabak-Fabrik, eines der größten Tabak-Werke in Europa, noch heute in der Nase.
"Der Geruch nach fermentiertem Tabak, ein etwas süßlicher Geruch, der lag dann, wenn der Wind so aus Nordwesten kam, schon auch über der Stadt. Das ist auch eine ganz alte Traditionsgeschichte, die übrigens für Bremen auch ne ganz wichtige Rolle spielt, die Tabak-Industrie."
Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nachdem das Rauchen im 18. Jahrhundert sehr beliebt wurde und das Handelsmonopol der Engländer in den amerikanischen Kolonien mit der Revolution gefallen war, nahm Bremen schnell Handelsbeziehungen auf. Per Schiff gelangte der Tabak aus Amerika in die Hansestadt. Aber auch die Schiffe, die von Bremen in die USA fuhren, waren schwer beladen – mit Personen. Über sieben Millionen Menschen wanderten über Bremerhaven aus, sagt Heinz-Gerd Hofschen.
"Das hat Bremen in nicht unerheblichem Maße reich gemacht im 19. Jahrhundert. Und das hat auch dazu geführt, dass die Auswanderer in vernünftigem Maße hier behandelt wurden, weil sie eine wichtige ökonomische Rolle spielten. Anders als in Hamburg. Die Hamburger wollten die nicht. Denen waren die Auswanderer viel zu proletarisch, und zu politisch unzuverlässig. Und möglicherweise schleppten sie auch noch irgendwelche Krankheiten ein. Also die Hamburger haben sich ganz lange gegen die Auswanderei gewehrt, was sehr zu ihrem Nachteil gewesen ist. Bremen hatte da sozusagen die Nase vorn."
Der süßliche Tabakduft über der Stadt bescherte Bremen aber auch Arbeit und Wissen. Um 1850 arbeiteten rund 10.000 Menschen in der Tabakindustrie, hauptsächlich in der sogenannten Heimindustrie. Ganze Familien, inklusive Frauen und Kindern, stellten in ihren Wohnungen im Stadtteil Buntentor Zigarren her. Wenn sie sich in größeren Gruppen organisierten, beschäftigten sie sogenannte "Vorleser". Und durch die Lektüre unterschiedlichster Literatur, darunter auch Zeitungen und politische Schriften, waren die Tabakarbeiter gebildete Menschen und gründeten eine der ersten Gewerkschaften in Deutschland.
"Also, die Tabak-Industrie ist weitgehend weg."
Der Bremen-Kenner war jahrzehntelang Raucher und hat den Duft der Brinkmannschen Tabak-Fabrik, eines der größten Tabak-Werke in Europa, noch heute in der Nase.
"Der Geruch nach fermentiertem Tabak, ein etwas süßlicher Geruch, der lag dann, wenn der Wind so aus Nordwesten kam, schon auch über der Stadt. Das ist auch eine ganz alte Traditionsgeschichte, die übrigens für Bremen auch ne ganz wichtige Rolle spielt, die Tabak-Industrie."
Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nachdem das Rauchen im 18. Jahrhundert sehr beliebt wurde und das Handelsmonopol der Engländer in den amerikanischen Kolonien mit der Revolution gefallen war, nahm Bremen schnell Handelsbeziehungen auf. Per Schiff gelangte der Tabak aus Amerika in die Hansestadt. Aber auch die Schiffe, die von Bremen in die USA fuhren, waren schwer beladen – mit Personen. Über sieben Millionen Menschen wanderten über Bremerhaven aus, sagt Heinz-Gerd Hofschen.
"Das hat Bremen in nicht unerheblichem Maße reich gemacht im 19. Jahrhundert. Und das hat auch dazu geführt, dass die Auswanderer in vernünftigem Maße hier behandelt wurden, weil sie eine wichtige ökonomische Rolle spielten. Anders als in Hamburg. Die Hamburger wollten die nicht. Denen waren die Auswanderer viel zu proletarisch, und zu politisch unzuverlässig. Und möglicherweise schleppten sie auch noch irgendwelche Krankheiten ein. Also die Hamburger haben sich ganz lange gegen die Auswanderei gewehrt, was sehr zu ihrem Nachteil gewesen ist. Bremen hatte da sozusagen die Nase vorn."
Der süßliche Tabakduft über der Stadt bescherte Bremen aber auch Arbeit und Wissen. Um 1850 arbeiteten rund 10.000 Menschen in der Tabakindustrie, hauptsächlich in der sogenannten Heimindustrie. Ganze Familien, inklusive Frauen und Kindern, stellten in ihren Wohnungen im Stadtteil Buntentor Zigarren her. Wenn sie sich in größeren Gruppen organisierten, beschäftigten sie sogenannte "Vorleser". Und durch die Lektüre unterschiedlichster Literatur, darunter auch Zeitungen und politische Schriften, waren die Tabakarbeiter gebildete Menschen und gründeten eine der ersten Gewerkschaften in Deutschland.
Der Kaffeeduft zieht ab in Richtung Weser
Gerade weht wieder ein Schwade Kaffee-Duft herüber und lockt in eine kleine Nebenstraße zu einem Haus, ganz nahe der Weser. Kaffee-Kenner schätzen diese kleine Rösterei und investieren hier regelmäßig zwischen 10 und 15 Euro pro Pfund. Heutzutage Alltagsluxus für viele. Früher: undenkbar, sagt Hans-Gerd Hofschen.
"Um 1800 hat ein Pfund Kaffee noch den Wochenlohn eines Handwerkers gekostet, erst Mitte des 19. Jahrhunderts wird er billiger."
Dann beginnt das Kaffee-Geschäft in Bremen zu boomen. Per Versandhandel bezieht ganz Deutschland seine Bohnen aus der Hansestadt.
"Also das ist bis weit in die 60er-Jahre noch ein ganz üblicher Weg gewesen, dass man Kaffee hier in Bremen bestellte. Und man kriegte mit einem Päckchen dann in Kaffeedosen, die berühmten aus Blech oder Plastik, den Kaffee zugeschickt."
In der Kaffeerösterei Münchhausen stehen diese Dosen noch heute im Kontor. Hinter der Theke mahlt Ilse Münchhausen-Prüße Kaffee für eine alte Dame. Ein Pfund Festtagsmischung hat sie verlangt, am Nachmittag soll es bei ihr so schmecken wie früher. Die Kundin kannte August Münchhausen noch, den Gründer der kleinen Kaffeerösterei. Er ist vor zehn Jahren verstorben, seitdem nimmt seine Tochter die Stelle im Kontor ein. Das Familienunternehmen hat den Konkurrenzdruck der Supermärkte und großen Kaffeeröstereien überstanden, weil es auf Tradition gebaut hat.
Ilse Münchhausen-Prüße: "Ich hab' gespürt, dass das das Interessante ist, was uns abhebt von neuen Kaffeeröstern. Seitdem Kaffee wieder angesagt ist, gibt’s natürlich auch 'ne ganze Reihe neue Röstereien am Markt. Und jeder muss seine Besonderheit herauskehren. Wir sind froh, dass wir diese Tradition haben, das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können."
Ilse Münchhausen-Prüße hat Mathematik und Physik studiert. Ihr Vater war der geborene Kaufmann. Vor bald 80 Jahren kaufte er das Haus, in das sich der Kaffeeduft bis heute eingebrannt hat. Wer zur Ladentür hereinkommt, nimmt den Geruch sofort wahr: eine Wolke aus frisch gemahlenem, aus aufgebrühtem, aber vor allem aus frisch geröstetem Kaffee. Der Duft kommt aus den hinteren Räumen des Hauses.
"Ja… Hier in diesem langen Flur hab ich Fahrradfahren gelernt. Als mein Vater vom Dreirad die Stützräder abgebaut hatte. Und da, in dieser Tür, hing eine Schaukel für mich. Das war mein Spielplatz hier unten. Wenn ich denn mal durfte. Ich durfte natürlich auch nicht stören."
Heute ist das, was August Münchhausen in den 30er-Jahren begonnen hat, ihre Sache. Der Vater hat nie verlangt, dass sie das Unternehmen fortführt, es hat sich einfach so ergeben, sagt sie. Bei ihrer Tochter, Natalie Prüße, war es so ähnlich. Als sie nach dem Geschichts- und Germanistik-Studium keine passende Stelle fand, half sie in der Kaffeerösterei aus. Die Arbeit wurde mit den Jahren nicht weniger, sondern mehr, und Natalie Prüße blieb. Heute mag sie sich eine Zukunft ohne Kaffee-Rösten gar nicht mehr vorstellen.
"Jedesmal ein bisschen anders, jedesmal was Neues. Es wird nicht langweilig. Und Kaffee ist in dem Sinne ein sehr schönes Produkt, weil man immer diese Verwandlung hat und diese tollen Gerüche. Und es sieht so schön aus. Also mir fallen wenig Dinge ein, die schöner aussehen als eine Ladung frisch gerösteter Kaffee, ehrlich gesagt. Wenn man dann vor allem auch den ganzen Duft in der Nase hat."
Bis jetzt duftet es in der Röstkammer kaum. Vor Natalie Prüße stehen zwar ein paar große Plastik-Eimer mir Rohkaffee, aber die grau-grünlichen Bohnen riechen eher nach Heu, Gras und Stroh als nach Kaffee.
Die zierliche junge Frau schüttet die kleinen Kaffeebohnen in einen großen metallenen Trog. Die kieselähnlichen Bohnen werden über ein langes Rohr hochgesaugt und landen in einem Zylinder.
Die heutige Röstung – jede Kaffeesorte ist da anders – braucht ungefähr zwölf Minuten. Die Düfte, die in dieser Zeit durch den Raum wabern, reichen von frischen Backwaren über gekochten Reis bis zu getoastetem Brot. Über einen Probenzieher kontrolliert Natalie Prüße von Zeit zu Zeit die Farbe des gerösteten Kaffees. Mit einem langen Stab holt sie eine kleine Menge Kaffee aus dem 50 Jahre alten Röstzylinder. Anschließend vergleicht sie die Probe mit einem Muster.
"Man muss immer am Ball sein, immer dabei sein, wenn der Kaffee geröstet wird. Es geht dann auf einmal auch ziemlich flott. Da muss man dabei bleiben. Das ist die Erfahrung, die man braucht, dass man dann auch vorhersehen kann: Was passiert mit dem Kaffee, der Röstung in den nächsten drei, vier Sekunden? Damit man dann entscheiden kann: mehr Gas, weniger Gas, rauslassen, und so."
Einmal hat sie den Kaffee schon zu lang geröstet, sagt sie. Aber heute klappt alles wie am Schnürchen. Die inzwischen dunkelbraunen, glänzenden Kaffeebohnen kühlen in einem Rührwerk ab. "Traumhaft" sagt Natalie Prüße. Hier drinnen duften sie allerdings kaum, denn die Abluft wird direkt nach draußen geleitet. In Richtung Weser.
"Um 1800 hat ein Pfund Kaffee noch den Wochenlohn eines Handwerkers gekostet, erst Mitte des 19. Jahrhunderts wird er billiger."
Dann beginnt das Kaffee-Geschäft in Bremen zu boomen. Per Versandhandel bezieht ganz Deutschland seine Bohnen aus der Hansestadt.
"Also das ist bis weit in die 60er-Jahre noch ein ganz üblicher Weg gewesen, dass man Kaffee hier in Bremen bestellte. Und man kriegte mit einem Päckchen dann in Kaffeedosen, die berühmten aus Blech oder Plastik, den Kaffee zugeschickt."
In der Kaffeerösterei Münchhausen stehen diese Dosen noch heute im Kontor. Hinter der Theke mahlt Ilse Münchhausen-Prüße Kaffee für eine alte Dame. Ein Pfund Festtagsmischung hat sie verlangt, am Nachmittag soll es bei ihr so schmecken wie früher. Die Kundin kannte August Münchhausen noch, den Gründer der kleinen Kaffeerösterei. Er ist vor zehn Jahren verstorben, seitdem nimmt seine Tochter die Stelle im Kontor ein. Das Familienunternehmen hat den Konkurrenzdruck der Supermärkte und großen Kaffeeröstereien überstanden, weil es auf Tradition gebaut hat.
Ilse Münchhausen-Prüße: "Ich hab' gespürt, dass das das Interessante ist, was uns abhebt von neuen Kaffeeröstern. Seitdem Kaffee wieder angesagt ist, gibt’s natürlich auch 'ne ganze Reihe neue Röstereien am Markt. Und jeder muss seine Besonderheit herauskehren. Wir sind froh, dass wir diese Tradition haben, das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können."
Ilse Münchhausen-Prüße hat Mathematik und Physik studiert. Ihr Vater war der geborene Kaufmann. Vor bald 80 Jahren kaufte er das Haus, in das sich der Kaffeeduft bis heute eingebrannt hat. Wer zur Ladentür hereinkommt, nimmt den Geruch sofort wahr: eine Wolke aus frisch gemahlenem, aus aufgebrühtem, aber vor allem aus frisch geröstetem Kaffee. Der Duft kommt aus den hinteren Räumen des Hauses.
"Ja… Hier in diesem langen Flur hab ich Fahrradfahren gelernt. Als mein Vater vom Dreirad die Stützräder abgebaut hatte. Und da, in dieser Tür, hing eine Schaukel für mich. Das war mein Spielplatz hier unten. Wenn ich denn mal durfte. Ich durfte natürlich auch nicht stören."
Heute ist das, was August Münchhausen in den 30er-Jahren begonnen hat, ihre Sache. Der Vater hat nie verlangt, dass sie das Unternehmen fortführt, es hat sich einfach so ergeben, sagt sie. Bei ihrer Tochter, Natalie Prüße, war es so ähnlich. Als sie nach dem Geschichts- und Germanistik-Studium keine passende Stelle fand, half sie in der Kaffeerösterei aus. Die Arbeit wurde mit den Jahren nicht weniger, sondern mehr, und Natalie Prüße blieb. Heute mag sie sich eine Zukunft ohne Kaffee-Rösten gar nicht mehr vorstellen.
"Jedesmal ein bisschen anders, jedesmal was Neues. Es wird nicht langweilig. Und Kaffee ist in dem Sinne ein sehr schönes Produkt, weil man immer diese Verwandlung hat und diese tollen Gerüche. Und es sieht so schön aus. Also mir fallen wenig Dinge ein, die schöner aussehen als eine Ladung frisch gerösteter Kaffee, ehrlich gesagt. Wenn man dann vor allem auch den ganzen Duft in der Nase hat."
Bis jetzt duftet es in der Röstkammer kaum. Vor Natalie Prüße stehen zwar ein paar große Plastik-Eimer mir Rohkaffee, aber die grau-grünlichen Bohnen riechen eher nach Heu, Gras und Stroh als nach Kaffee.
Die zierliche junge Frau schüttet die kleinen Kaffeebohnen in einen großen metallenen Trog. Die kieselähnlichen Bohnen werden über ein langes Rohr hochgesaugt und landen in einem Zylinder.
Die heutige Röstung – jede Kaffeesorte ist da anders – braucht ungefähr zwölf Minuten. Die Düfte, die in dieser Zeit durch den Raum wabern, reichen von frischen Backwaren über gekochten Reis bis zu getoastetem Brot. Über einen Probenzieher kontrolliert Natalie Prüße von Zeit zu Zeit die Farbe des gerösteten Kaffees. Mit einem langen Stab holt sie eine kleine Menge Kaffee aus dem 50 Jahre alten Röstzylinder. Anschließend vergleicht sie die Probe mit einem Muster.
"Man muss immer am Ball sein, immer dabei sein, wenn der Kaffee geröstet wird. Es geht dann auf einmal auch ziemlich flott. Da muss man dabei bleiben. Das ist die Erfahrung, die man braucht, dass man dann auch vorhersehen kann: Was passiert mit dem Kaffee, der Röstung in den nächsten drei, vier Sekunden? Damit man dann entscheiden kann: mehr Gas, weniger Gas, rauslassen, und so."
Einmal hat sie den Kaffee schon zu lang geröstet, sagt sie. Aber heute klappt alles wie am Schnürchen. Die inzwischen dunkelbraunen, glänzenden Kaffeebohnen kühlen in einem Rührwerk ab. "Traumhaft" sagt Natalie Prüße. Hier drinnen duften sie allerdings kaum, denn die Abluft wird direkt nach draußen geleitet. In Richtung Weser.