Immer der Nase nach
Die Nase übermittelt unserem Gefühlszentrum viel direktere Informationen, als das jeder andere Sinn macht. Wie und warum das so ist, erklären Hanns Hatt und Regine Dee in ihrem neuen Buch "Das Maiglöckchen-Phänomen".
Das Buch "Das Maiglöckchen-Phänomen" des Geruchsforschers Hanns Hatt und der Wissenschaftsjournalistin Regine Dee verspricht im Untertitel "Alles über das Riechen und wie es unser Leben bestimmt" und es erfüllt dieses Versprechen von der ersten bis zur letzten Seite auf wunderbar witzige und selbstironische Weise. Wie unsere Nase funktioniert und was Riechsinnzellen sind, erklären die beiden genauso präzise und leicht verständlich, wie die Tatsache, dass Duftmoleküle in elektrische Impulse umgewandelt werden oder das Phänomen, dass uns Gerüche völlig aus dem Konzept bringen können. Schnell wird dabei klar: Düfte und Gerüche beeinflussen unser Fühlen, Denken und Handeln mehr als allgemein angenommen.
So können Menschen an lange getragenen T-Shirts erschnüffeln, ob der T-Shirt-Träger mit ihnen verwandt ist oder aber ein guter Sexualpartner wäre. Der Körperduft eines jeden Menschen ist einzigartig und gibt Informationen über den Gesundheitszustand und Krankheiten ab. So riechen Zuckerkranke nach Äpfeln, Typhuspatienten verströmen den Duft von frischem Brot und Pockenkranke stinken wie ein Raubtierkäfig. Die menschliche Nase ist also in der Lage, aus dem Körperduft eines Menschen auf dessen Immunsystem zu schließen und sich aus der Menge potenzieller Partner mit großer Zielsicherheit denjenigen herauszusuchen, dessen Immunsystem sich am stärksten vom eigenen unterscheidet – der ideale Partner also für gesunden, widerstandsfähigen Nachwuchs.
Düfte können aber auch als Arzneimittel wirken. Die Autoren beschreiben, dass Lavendel den Blutdruck senkt, Melisse wärmt und beruhigt und erklären, warum Jasminöl Mäuse einschlafen lässt. Sie gehen auf die allergene Wirkung einiger Duftstoffe ein und zeigen, wie Kunden durch einen "Neuwagenduft" zum Kauf alter Autos gebracht werden oder durch stinkende Rechnungen zum schnellen Bezahlen derselben.
Aber nicht nur die Nase riecht, wie Hatt und sein Team an der Ruhr Universität selbst zeigen konnte, sondern auch andere Körperteile sind in der Lage Duftstoffe zu erkennen. Beim "Maiglöckchen-Phänomen" etwa geht es darum, dass Eizellen eine Art Maiglöckchen-Aroma verströmen und die Spermien sich mit Hilfe dieses Duftes orientieren und ihren Weg zur Befruchtung finden. Ohne den Blütenduft würden sich die winzigen Spermien in den Weiten des Eileiters hoffnungslos verirren, und die Menschheit wäre schon lange ausgestorben. Der entscheidende Tipp zur Entdeckung dieses Maiglöckchen-Phänomens kam von einer Diplomandin in Hatts Team: Nach der Entdeckung eines bestimmten Riechrezeptors in den Spermien fiel der Diplomandin auf, dass dieser Rezeptor genauso aussah wie der schon bekannte Maiglöckchenrezeptor in der Nase. Um herauszufinden, ob er auch genauso funktionierte, versprühten die Forscher Maiglöckchenaroma und staunten, als die Spermien reagierten.
Erstaunliches und Skurriles kommt so zutage und genau das macht dieses kurzweilige Buch aus: Immer wieder präsentieren die Autoren, denen man die Leidenschaft für ihr Gebiet auf jeder Seite anmerkt, nicht nur nüchterne Forschungsergebnisse, sondern sie erzählen die Geschichten, die dahinter stehen.
Selten sind wissenschaftliche Fakten und Anekdoten so spannend und unterhaltsam präsentiert worden, wie hier: Mit "Das Maiglöckchen-Phänomen" beweisen Regine Dee und Hanns Hatt, das Wissenschaftslektüre witzig, ironisch und dennoch überaus lehrreich sein kann.
Rezensiert von Monika Seynsche
Hanns Hatt/ Regine Dee: Das Maiglöckchen-Phänomen. Alles über das Riechen und wie es unser Leben bestimmt
Piper Verlag, 2008
320 Seiten, 19,90 Euro
So können Menschen an lange getragenen T-Shirts erschnüffeln, ob der T-Shirt-Träger mit ihnen verwandt ist oder aber ein guter Sexualpartner wäre. Der Körperduft eines jeden Menschen ist einzigartig und gibt Informationen über den Gesundheitszustand und Krankheiten ab. So riechen Zuckerkranke nach Äpfeln, Typhuspatienten verströmen den Duft von frischem Brot und Pockenkranke stinken wie ein Raubtierkäfig. Die menschliche Nase ist also in der Lage, aus dem Körperduft eines Menschen auf dessen Immunsystem zu schließen und sich aus der Menge potenzieller Partner mit großer Zielsicherheit denjenigen herauszusuchen, dessen Immunsystem sich am stärksten vom eigenen unterscheidet – der ideale Partner also für gesunden, widerstandsfähigen Nachwuchs.
Düfte können aber auch als Arzneimittel wirken. Die Autoren beschreiben, dass Lavendel den Blutdruck senkt, Melisse wärmt und beruhigt und erklären, warum Jasminöl Mäuse einschlafen lässt. Sie gehen auf die allergene Wirkung einiger Duftstoffe ein und zeigen, wie Kunden durch einen "Neuwagenduft" zum Kauf alter Autos gebracht werden oder durch stinkende Rechnungen zum schnellen Bezahlen derselben.
Aber nicht nur die Nase riecht, wie Hatt und sein Team an der Ruhr Universität selbst zeigen konnte, sondern auch andere Körperteile sind in der Lage Duftstoffe zu erkennen. Beim "Maiglöckchen-Phänomen" etwa geht es darum, dass Eizellen eine Art Maiglöckchen-Aroma verströmen und die Spermien sich mit Hilfe dieses Duftes orientieren und ihren Weg zur Befruchtung finden. Ohne den Blütenduft würden sich die winzigen Spermien in den Weiten des Eileiters hoffnungslos verirren, und die Menschheit wäre schon lange ausgestorben. Der entscheidende Tipp zur Entdeckung dieses Maiglöckchen-Phänomens kam von einer Diplomandin in Hatts Team: Nach der Entdeckung eines bestimmten Riechrezeptors in den Spermien fiel der Diplomandin auf, dass dieser Rezeptor genauso aussah wie der schon bekannte Maiglöckchenrezeptor in der Nase. Um herauszufinden, ob er auch genauso funktionierte, versprühten die Forscher Maiglöckchenaroma und staunten, als die Spermien reagierten.
Erstaunliches und Skurriles kommt so zutage und genau das macht dieses kurzweilige Buch aus: Immer wieder präsentieren die Autoren, denen man die Leidenschaft für ihr Gebiet auf jeder Seite anmerkt, nicht nur nüchterne Forschungsergebnisse, sondern sie erzählen die Geschichten, die dahinter stehen.
Selten sind wissenschaftliche Fakten und Anekdoten so spannend und unterhaltsam präsentiert worden, wie hier: Mit "Das Maiglöckchen-Phänomen" beweisen Regine Dee und Hanns Hatt, das Wissenschaftslektüre witzig, ironisch und dennoch überaus lehrreich sein kann.
Rezensiert von Monika Seynsche
Hanns Hatt/ Regine Dee: Das Maiglöckchen-Phänomen. Alles über das Riechen und wie es unser Leben bestimmt
Piper Verlag, 2008
320 Seiten, 19,90 Euro