Immer mehr Wut

Von Anke Leweke |
Auf höchstem Niveau setzt Thomas Vinterberg die klassischen Kinokonventionen im Film um und zeichnet ein präzises Bild der Ereignisse. Schade nur, dass er dem Zuschauer dabei zu sehr vorgibt, was er zu denken hat.
Mit seinem aufwühlenden Familiendrama "Festen" gehörte Thomas Vinterberg einst zu den Begründern der Dogma-Bewegung rund um Lars von Trier, die dem Kino durch Reduzierung der technischen Mittel seine Wirklichkeit zurück geben wollte. Mittlerweile spielt Thomas Vinterberg jedoch den großen Marionettenmeister, der den Zuschauer wie eine Laborratte behandelt und diesem vorschreibt, was er zu denken und zu fühlen hat. Mitleid soll er mit dem vermeintlichen Kinderschänder empfinden, der in "Die Jagd" in der dänischen Provinz von einem Lynchmob terrorisiert wird und in aufgeladenen Bildern zum Märtyrer avanciert.

Offensiver Musikeinsatz, vorhersehbare Dramaturgie, der Gebrauch von Schusswaffen - in "Die Jagd" versammelt Vinterberg all die Kinokonventionen, gegen die er einst angetreten ist. Diese setzt er allerdings auf höchstem Niveau um, so dass man hin- und hergerissen das Kino verlässt: Man nimmt Mads Mikkelsen seine Rolle des unschuldig Verdächtigten ab, zunächst reagiert er ungläubig, später immer mehr mit Wut. Die zunehmend aggressive Stimmung unter der Bewohnern der Kleinstadt, die sich doch als liberale und offene Menschen ausgeben, ist präzise gezeichnet.

Umso mehr wünscht man sich, dass Vinterberg nicht auf die typischen Genre-Elemente zurückgegriffen hätte, dass er mit seiner Kamera einen Schritt zurückgetreten wäre, damit sich der Zuschauer selbst ein Bild machen kann.

Dänemark 2012. Regie: Thomas Vinterberg. Mit Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Annika Wedderkopp. 120 Minuten. Ab 12 jahre.

Filmhomepage "Die Jagd"