Wie lässt sich die Impfbereitschaft erhöhen?
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Anreize wie Gratistickets für Museen, um zögerliche Menschen zum Impfen zu bewegen: Dies hat die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus vorgeschlagen. Ob das eine gute Strategie ist, erklärt die Psychologin Sonia Lippke.
"Der Sommer kann ganz gut werden", sagte der Virologe Christian Drosten vor ein paar Wochen mit Blick auf die endlich anziehende Impfkampagne gegen das Coronavirus. Niedrige Inzidenzzahlen, eine Vielzahl an Lockerungen, die gefüllten Außentische der Gastronomie und das allmählich wieder erwachende Kulturleben scheinen ihm derzeit – trotz Deltavariante – Recht zu geben.
Museumsticket gegen Impfung
Doch nach dem Sommer kommt der Herbst und damit kühleres und feuchteres Wetter – hervorragende Bedingungen für das Coronavirus. Entscheidend wird daher sein, ob das ausgegebene Impfziel von etwa 70 Prozent bis zum Herbst erreicht wurde.
Rechnet man das aktuelle Impftempo hoch, sieht es derzeit gut dafür aus. Doch zeigt sich auch beim Blick in Länder, die schon weiter sind: Nach der ersten Impfwelle droht das Impfplateau. So ist in den USA der große Schwung aus dem Impftempo mittlerweile raus – und das trotz mittlerweile zahlreicher Anreize wie Impfprämien und Lotterielosen.
Solche Impfprämien hat die Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus nun auch für Deutschland vorgeschlagen: "Tickets fürs Museum oder für den Freizeitpark könnten in Zukunft ein Anreiz sein", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP.
Anreize können motivieren
Zumindest fürs Erste hält die Gesundheitspsychologin und Verhaltensmedizinerin Sonia Lippke solche Anreize noch nicht für notwendig. "Im Moment sind wir mit den Impfquoten noch ganz gut dabei - auch im internationalen Vergleich." Zudem steige die Zahl der Menschen, die zum Impfen geht, derzeit noch kontinuierlich an.
Falls der Impffortschritt noch vor dem ausgegebenen Ziel in Stocken geraten sollte, könnten solche Anreize aber durchaus sinnvoll sein, sagt die in Bremen lehrende Professorin.
Insbesondere bildungsferne Menschen verstehen neuen Studien zufolge die Gründe für eine Impfung nicht, scheitern an der Terminbeschaffung oder sind durch die Angabe von Nebenwirkungen verunsichert, so Lippe. "Die können damit einfach nicht so gut umgehen. Die können das nicht so gut disktuieren. Da sind sie verwirrt oder haben möglicherweise auch kein Vertrauen in unser Gesundheitssystem. Die gehen dann einfach nicht hin."
Hier könnten Anreize motivierend wirken. Auch die Aussicht darauf, bald wieder etwas weniger eingeschränkt reisen zu können, zähle dazu. Sollte der Impffortschritt stagnieren und im Herbst eine vierte Welle drohen, wären Impfanreize also eine gute Strategie, um Schlimmeres abzuwenden, so die Psychologin.
An guter Kommunikation führt kein Weg vorbei
Aber droht hier nicht auch ein Boomerang-Effekt? Was, wenn zum Beispiel eine dritte Impfung notwendig sein sollte, für die es dann keine Anreize mehr gibt?
Dies könnte ein Problem sein, räumt Lippke ein, "wenn Menschen möglicherweise gar nicht mehr verstehen, warum sie sich impfen lassen sollten. Da könnten wir von einer Unterminierung der Motivation ausgehen. Das heißt, dass beim nächsten Mal keine Bereitschaft da ist, wenn zum Beispiel keine Gutscheine mehr angeboten werden."
Auch deshalb führe an einer guten Kommunikation der Sachlage kein Weg vorbei, um noch zurückhaltende Menschen vom Impfen zu überzeugen. Dazu zählt für Lippke zum Beispiel auch ein Angebot in Leichter Sprache – damit sich auch Menschen informieren können, "die einen Zeitungsartikel nicht verstehen".
(thg)