In dieser Folge des Weltzeit-Podcasts hören Sie auch, wie unsere Nairobi-Korrespondentin Antje Diekhans den Impfstoffmangel in Ostafrika beschreibt: In Kenia rechnet die Regierung zum Beispiel damit, erst 2023 30 Prozent der Bevölkerung geimpft zu haben. Nur die Seychellen sind eine Ausnahme: Die Inselgruppe will in dieser Woche Herdenimmunität erreicht haben.
Erste Hilfe für Afrika kam aus China
23:36 Minuten
Ein Prozent der Menschen im Senegal ist gegen das Coronavirus geimpft. Ein Spitzenwert in Afrika. Der Kontinent bekam bisher kaum Impfstoff. Am schnellsten lieferte China: relativ geringe Mengen, aber mit großer symbolischer Bedeutung.
"Präsident Macky Sall lässt sich impfen und ist damit ein Vorbild für alle", kommentiert der Sprecher des senegalesischen Youtube-Nachrichtenkanals Diogane Actu die Bilder von der feierlichen Zeremonie aus dem Präsidentenpalast in Dakar.
Am 26. Februar, wenige Tage nach dem offiziellen Start der Corona-Impfungen im Senegal, ließ sich Präsident Macky Sall vor laufenden Kameras eine Spritze setzen, mit dem Impfstoff des chinesischen Staatskonzerns Sinopharm.
"Der chinesische Impfstoff war einfach als erstes verfügbar. Als Präsident des Senegals kann ich nicht einfach nur darauf warten, dass uns Covax etwas liefert. Deswegen habe ich mit mehreren Ländern und Firmen verhandelt, die Impfstoff herstellen. Und so habe ich mit der Hilfe von Chinas Präsident Xi Jinping Sinopharm gekauft."
Ängste vor Sinopharm-Impfstoff
200.000 Dosen aus China hat der senegalesische Präsident Macky Sall eingekauft – für umgerechnet rund 3,7 Millionen US-Dollar. Damit gehörte der Senegal im Februar zu den ersten Ländern Afrikas, die überhaupt einen Impfstoff bekamen. Verabreicht wurde der an das medizinische Personal, das anfangs skeptisch war, schließlich ist in Europa und den USA noch kein chinesischer Impfstoff zugelassen, erzählt Doktor Mamadou Thioro Mbaye. Er leitet ein Impfzentrum in Dakar.
"Als wir gesagt haben, wir fangen jetzt damit die Impfungen an, da gab es viele Ängste beim medizinischen Personal. Es gab ein echtes Akzeptanz-Problem mit dem chinesischen Impfstoff. Aber wir haben jedenfalls bis jetzt keinen einzigen Fall mit Nebenwirkungen gehabt."
Ein politischer Erfolg war der Impfstoff-Ankauf von China auf jeden Fall, erklärt Thomas Mättig – Leiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Dakar:
"Das war sicherlich ein Coup für China, aber auch für den Senegal, dass relativ früh, Mitte Februar schon, 200.000 Dosen chinesischen Impfstoffs hier ankamen und das wurde auch ziemlich groß öffentlich ausgeschlachtet, also von senegalesischer Seite. Aber auch die Botschaft von China hat sich bemüht, zu betonen, dass sie einfach helfen. Obwohl sie das ja verkauft haben. Der Senegal hat ja diese Dosen gekauft."
Chinas investiert seit Jahren im Senegal
L'amitié sino-sénégalaise – die chinesisch-senegalesische Freundschaft – existiert schon länger. Das zeigt sich auch im Stadtbild: China hat einen Freiluft-Sportpark an der berühmten Dakarer Küstenstraße, der Corniche, gesponsert – und 2018 ein monumentales Kunstmuseum. Das kleine westafrikanische Land ist angewiesen auf Geld von außen. Der Eindruck in der Hauptstadt Dakar – mit guten Straßen, dem neuen Flughafen, Luxushotels und Shoppingmalls – sei irreführend, erklärt Thomas Mättig von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
"Das ist eines der ärmsten Länder der Welt, hohe Jugendarbeitslosigkeit, wenig Jobs im formellen Sektor, viele im informellen Sektor, und vor allem: Die Regierung Macky Sall, die seit 2012 regiert, ist sehr darauf erpicht, Investitionen anzuziehen."
Ob China mit dem Impfdeal weitere Vorteile auf dem senegalesischen Markt erhält, ist nicht bekannt. Das Gesundheits- und Infrastrukturministerium äußern sich auf Anfrage nicht dazu. Stiftungsleiter Thomas Mättig verneint:
"Aber letztendlich haben wir hier nicht den Eindruck, dass der Senegal sich von China irgendwas diktieren lässt. Und vielleicht muss man auch manchmal ein bisschen aufpassen, wie man über solche afrikanischen Staaten redet, weil die eben nicht nur Objekt von Weltpolitik sind, sondern auch selber selbstbewusst Politik machen. Und auch selbstbewusster geworden sind sicherlich, in den letzten zehn, 20, 30 Jahren."
Covax lieferte 1,3 Millionen Impfdosen
Der Senegal ist seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 eine stabile Demokratie. Auch in Gesundheitsangelegenheiten gilt die Republik als Vorzeigenation. Bei der Infrastruktur hat der Senegal für die Corona-Impfungen noch einmal aufgerüstet und etwa spezielle Kühlschränke von der WHO bekommen, sagt der Leiter der senegalesischen Corona-Impfkampagne Ousseynou Badiane. Der Arzt führt durch die Kühlräume im Universitätsklinikum Fann in Dakar.
"Hier sind die Kühlräume, wo der Impfstoff zentral gelagert wird. Alles, was aus dem Ausland angeliefert wird, kommt erst einmal hier hinein – bevor es dann weiter im ganzen Land verteilt wird. Diese Kühlkammer hier hat 40 Quadratmeter. Der Impfstoff kann bei zwei bis 8 Grad gelagert werden. Und da hinten sind auch noch Kühltruhen, zur Aufbewahrung bei Minus 15, Minus 20 Grad."
Die sieben separaten, würfelförmigen Kühlkammern sind erst Anfang März in Betrieb gegangen. Badiane öffnet eine der Türen mit einem Schlüssel und schiebt den starren Plastikvorhang zur Seite: "Jetzt gerade hat es wie viel Grad hier drin? Das können wir hier nachschauen: Es sind fünf Grad."
Der Leiter der Corona-Kampagne prüft persönlich, ob die Temperatur in der kleinen Kühlkammer stimmt. Auf Regalbrettern sind blaue Schachteln gestapelt, etwa so groß wie Schuhkartons. Darin liegt der Impfstoff von Astrazeneca. Gespendet hat ihn das internationale Impfverteilungsprogramm Covax. Entstanden auf Initiative der Weltgesundheitsorganisation, der EU-Kommission und von Frankreich, soll das Programm auch ärmeren Ländern einen gerechten Zugang zu Impfstoffen ermöglichen.
Der Senegal soll dadurch in den nächsten Monaten insgesamt 1,3 Millionen Dosen von Astrazeneca erhalten. Kostenlos. Die erste Lieferung mit 324.000 Dosen kam Anfang März.
1000 Corona-Tote im Senegal
Ein Impfzentrum in Dakar: In einem offenen Hof rückt die Krankenschwester Madame Diouf ihren Stuhl zurecht, packt eine neue Spritze aus der Plastikfolie und zieht eine Impfung aus dem kleinen weißen Astrazeneca-Fläschchen auf: "Wir sind dabei, hier die älteren Menschen zu impfen, mit der ersten Impfdosis gegen Covid-19."
Madame Diouf ist Krankenpflegerin im Gesundheitszentrum Kamara. Gegen die grelle Mittagssonne trägt sie eine rot-goldene große Sonnenbrille. Vor ihr sitzt schon die nächste Patientin: eine schmale Frau im braungemusterten langen Kleid mit dazu passendem Turban. Es ist Madame Yacine Sall. Behutsam und schnell desinfiziert Madame Diouf jetzt den nackten Oberarm mit einem Wattebausch und setzt die Spritze mit dem Corona-Impfstoff. Die Seniorin wirkt glücklich und erklärt auf der Landessprache Wolof:
"Ich bin sehr zufrieden, dass ich jetzt die Corona-Impfung bekommen habe. Ich hatte wegen der Pandemie große Angst. Ich wohne im Stadtteil Amitié Trois und ich bin 70 Jahre alt."
Das Zentrum von Dakar hat insgesamt die meisten Corona-Infektionen im Senegal verzeichnet. Insgesamt sind es in dem 16-Millionen-Einwohner-Land nun 38.000 positive Tests. Rund 1000 Menschen sind gestorben im Zusammenhang mit der Corona-Infektion. Auch der Polizist Cheikh Sal hat einen Verlust zu beklagen. Heute will er die erste Dosis erhalten.
"Ich warte jetzt bis ich mit der Corona-Impfung an der Reihe bin. Für die Impfung habe ich mich online angemeldet, dann haben sie mir eine SMS geschickt. Bei meiner Arbeit reise ich viel in der Region herum und außerdem wohne ich mit älteren Menschen zusammen. Also, ich habe viele Risiken für eine Corona-Infektion. Ich habe auch schon einen Verwandten wegen Covid verloren. Im Januar ist mein Vater daran gestorben, mit 89 Jahren."
Priorität bei den Impfungen haben Menschen über 60 und mit chronischen Erkrankungen. Die meisten sind für diesen wichtigen Anlass fein gekleidet gekommen: die Frauen in bunten langen Gewändern mit Turban und Goldschmuck, viele Männer im Boubou, einem traditionellen knielangen Hemd.
Regierungsziel: 20 Prozent Geimpfte bis Jahresende
Geimpft wird landesweit an 1700 Orten. In ländlichen Regionen und in der Vorstadt gibt es zusätzlich mobile Impfteams, die mit Kühlboxen den Impfstoff zu den Menschen bringen. Die Organisation läuft digital: Auf einer Website kann man sich anmelden, Infos und Termin kommen per SMS aufs Handy. Das Problem ist nur, dass rund die Hälfte der Bevölkerung nicht lesen und schreiben kann, sagt der Leiter des Impfzentrums Kamara, Mamadou Thioro Mbaye. Er setzt auf Pragmatismus:
"Nicht alle in diesem Land haben eine ausreichende Bildung. Wenn hier jemand vorbeikommt, der sich nicht online angemeldet hat und nicht auf unserer Liste steht – und dann aber sagt: Hört mal, ich bin 70 Jahre alt und ich habe Diabetes, dann darf man diese Person nicht wieder ohne Impfung wegschicken. Man muss sie schützen. Wir registrieren den Patienten dann eben nachträglich."
Bisher sind laut Gesundheitsministerium rund 160.000 Dosen Impfstoff im Senegal verabreicht worden. Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist somit zumindest vor schweren Verläufen geschützt. Mit den weiteren zugesagten Impfstoffen aus der Covax-Initiative dürften bis Jahresende vermutlich zehn Prozent der Senegalesinnen und Senegalesen geimpft sein.
Dazu könnten noch Impfstoffe von der Afrikanischen Union kommen – wie viele, ist unklar. Für Herdenimmunität dürften die Impfdosen nicht reichen, wie es bisher aussieht.
Also gibt es bilaterale Gespräche mit Indien für Astrazenca und auch mit Russland, für Sputnik V, um wenigstens 20 Prozent der Menschen zu impfen, so das erklärte Ziel der Regierung. Die Jüngeren müssen dann auf das nächste Jahr warten. Und das sind viele: 19 Jahre ist das Durchschnittsalter im Senegal. Ihr Frustpotenzial hoch.
Proteste der Jugend auch wegen Corona-Frust
Anfang März gingen Zehntausende vor allem junge Leute auf die Straße. Das senegalesische Online-Portal Actu22.net streamte live Straßenschlachten der Demonstranten mit der Polizei. Französische Supermärkte und Tankstellen wurden geplündert, schließlich wurde das Militär vorsichtshalber nach Dakar geholt, ohne jedoch aktiv zu werden. Während der Proteste kamen mindestens acht Menschen ums Leben. Ob etwa die Polizei eine Verantwortung für ihren Tod trägt, soll eine Untersuchung klären. Es waren die härtesten Proteste, die es je gegeben hat, so sagen es viele.
Die Protestierenden verlangten die Freilassung des prominenten Oppositionspolitikers Ousmane Sonko. Ihm wurde unter anderem Vergewaltigung vorgeworfen. Bei den Protesten ging es aber auch um den Frust wegen der Corona-Pandemie. Denn die hat bestehende Probleme schon verschärft, erzählt Christine Sarr. Die 26-jährige trägt Jeans und eine blau-weiß-gestreifte Bluse, arbeitet in einer Jugendorganisation und denkt nur ungern an den sehr harten Lockdown:
"Wir hatten monatelang eine Ausgangssperre. Das hat also schon eine ganze Weile gedauert, dass wir wegen der Pandemie festsitzen. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Die Menschen haben einfach die Nase voll von dieser Situation. Dass sie nicht zur Arbeit gehen können oder nicht ihrer Familie helfen können. Das ist wirklich traurig, morgens aufzuwachen und nicht für seine Kinder da sein zu können."
Im Senegal herrscht Maskenpflicht auf der Straße, in Geschäften und Bussen. Im Regierungs- und Geschäftsviertel tragen viele Menschen blaue OP-Masken, an den Eingängen wird Fieber gemessen und die Hände werden vom Wachpersonal mit einem Spray desinfiziert. Sobald man aber in Wohnviertel wie Médina, Liberté 6, oder Maristes fährt, dann zeigt sich entlang der Straßen ein anderes Bild: kaum Masken, die Menschen sitzen und stehen in Gruppen eng zusammen, etwa beim abendlichen Ataya – einem landestypischen Tee.
Präsident Macky Sall beendet Gesundheitsnotstand
Gerade junge Menschen sind viel unterwegs. Einige wollen sich nicht impfen lassen – aber vor dem Mikrofon möchte das keiner sagen. Christine ist dagegen zuversichtlich:
"Ich glaube, wir werden sehr gut über die Corona-Impfungen informiert. Und was wir alle wollen, ist, dass Covid-19 nicht mehr unser Leben einschränkt. Wenn es auch nur die kleinste Möglichkeit gibt, das zu erreichen, dann wird man die wahrnehmen. Ich selbst werde nicht zögern, mich impfen zu lassen, weil ich dann selbst sicher sein kann und auch anderen das Leben retten und sie schützen kann."
Nach den tagelangen Protesten hat der senegalesische Präsident Macky Sall die Ausgangssperre in Dakar und Thiès zuerst verkürzt und seit dem 19. März aufgehoben. Außerdem ist der Gesundheitsnotstand wegen der Pandemie beendet, Restaurants, Diskotheken und Bars haben wieder normal geöffnet.