Pro und Contra
Sollen Corona-Impfungen in Deutschland für bestimmte Berufe verpflichtend werden? Axel Schröder und Sina Fröhndrich sehen das unterschiedlich. © picture alliance/dpa / Lino Mirgeler
Braucht es eine Impfpflicht für bestimmte Berufe?
05:08 Minuten
Wegen der hohen Coronazahlen wird über eine Impfpflicht diskutiert. Über die angeblich bereits geplante Impfpflicht für manche Berufe sind sich die Ampelparteien nun doch nicht einig. Aber eine Entscheidung wird nötig sein. Ein Pro und Contra.
Die Coronainzidenzen in vielen Regionen Deutschlands erreichen Höchstwerte, auf vielen Intensivstationen ist die Situation sehr angespannt: Braucht es nun eine Impfpflicht – zumindest für bestimmte Berufsgruppen, die mit sehr gefährdeten Menschen zu tun haben, oder mit Menschen, für die es keine Impfung gibt? In Frage kommen dabei etwa die Pflege, Kitas und Schulen. In der möglichen Ampelkoalition wird heftig über das Thema Impfpflicht gestritten. Kurzzeitig hieß es bereits, es käme eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Doch dann kam das Dementi. Nun heißt es aus der SPD, man wolle das in jedem Fall in den kommenden Wochen entscheiden. Fraglich ist allerdings, ob das so lange dauern kann.
Pro-Kommentar von Axel Schröder: Mehr Schutz für Schutzbedürftige
Ja, auch ich hatte ein komisches Gefühl, als mir zum ersten Mal ein mRNA-Impfstoff in den Oberarm gespritzt wurde. Und ja, auch ich habe vorher hin- und hergegoogelt, wie diese neuen Impfstoffe wirken, was über Nebenwirkungen und mögliche Langzeitprobleme bekannt ist. Danach war mir klar: Vielleicht liege ich – wie bei anderen Impfungen auch – zwei Tage lang flach. Mehr nicht. Und auch bei der Impfung unserer Kinder haben meine Frau und ich abgewartet, haben uns schlau gemacht und mit ihnen darüber gesprochen. Die ganze Familie ist geimpft, niemand hatte schlimmere Nebenwirkungen.
Warum haben wir das gemacht? Aus dem Gefühl heraus: Nur zusammen können wir als Gesellschaft der Pandemie etwas entgegensetzen. Und gerade diejenigen, die in Pflegeberufen arbeiten oder als Lehrerinnen oder Lehrer auch mit Kindern unter zwölf Jahren zu tun haben, für die noch keine Impfung zugelassen ist –, gerade diese Menschen sollten verpflichtet werden, sich impfen zu lassen.
Denn fest steht: Auch wenn es Impfdurchbrüche gibt – Geimpfte infizieren sich in der Regel weniger schnell als Ungeimpfte und geben eine Coronainfektion weniger leicht weiter.
Bei einer verpflichtenden Impfung von Kita- oder schulischem Personal, in Krankenhäusern oder Altenheimen geht es nicht primär um dessen eigenen Schutz – sondern eben auch um diejenigen, um die es sich kümmert, mit denen es tagtäglich Kontakt hat. Mit Alten und Kranken oder einer Schülerschaft, die sich zumindest teilweise nicht durch eine Impfung schützen kann.
85 Prozent der Hamburger Lehrerschaft und fast 87 Prozent des Kita-Personals sind schon geimpft. Was spricht also dagegen, die restlichen rund 15 Prozent nun gesetzlich zu einer Impfung zu verpflichten? Mit einem milliardenfach erprobten Impfstoff. Ein komisches Bauchgefühl der wenigen Menschen, die sich dann zwangsweise ihre Spritze abholen, kann kein Argument dafür sein, dass sie weiterhin schutzbedürftige Menschen gefährden können.
Contra-Kommentar von Sina Fröhndrich: Wenn Impfpflicht, dann für alle
Eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ist der falsche Weg. So eine Pflicht käme angesichts der steigenden Infektionszahlen nicht nur zu spät, sie wäre auch inkonsequent.
Beispiel Pflege: Die Mehrzahl der Pflegebedürftigen lebt nicht in einem Heim, sondern wird zu Hause umsorgt. Von Angehörigen etwa, aber auch von häuslichen Pflegerinnen. Auch hier geht es um vulnerable Gruppen – wie werden sie geschützt? Wer kontrolliert in diesem Bereich, ob der Sohn, der seine alte Mutter pflegt, geimpft ist? Niemand. Doch auch diese Gepflegten sollten geschützt werden.
Natürlich gibt es in der Altenpflege noch einige gefährliche Impflücken. Zahlen gibt es ja leider nicht, dennoch: Auch mit einer Pflicht für diese Gruppe blieben viele andere Menschen in Deutschland weiterhin ungeimpft.
Ein anderes Beispiel – die Schulen: Mal abgesehen davon, dass laut Lehrerverband ohnehin die Mehrheit der Lehrkräfte geimpft ist, ähnlich wie im medizinischen Bereich, stellt sich die Frage: Was ist mit den Eltern der Kinder? Für die Lehrerin würde eine Impfpflicht gelten, ungeimpfte Eltern aber dürften weiterhin ohne Antikörper unterwegs sein – bei Weihnachtsfeiern etwa, sollte eine Schule keine 2G-Regel für solche Fälle haben.
Eine Impfpflicht für ausgewählte Berufsgruppen hält das Virus nicht auf – und die Debatte darüber, die der wohl nächste Kanzler Olaf Scholz so wichtig findet, leider auch nicht.
Aber: Wenn es am Ende doch politisch einen Konsens für eine Impfpflicht gibt, dann sollte diese bitte auch für alle gelten – und nicht nur für Pflege, Kitas oder Schulen. Denn: Impfen ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.