Importstopp

China will Europas Müll nicht mehr

Ein Mann sucht auf einer chinesischen Müllhalde nach verwertbaren Abfällen, die er verkaufen kann.
Ein Mann sucht auf einer chinesischen Müllhalde nach verwertbaren Abfällen, die er verkaufen kann. © Hu Yan/ Imagechina/ dpa picture alliance
Von Axel Dorloff |
Bislang ist eine riesige Menge westlicher Wohlstandsmüll in China gelandet. Nun hat China die Auflagen für Importe drastisch verschärft und viele Einfuhren ganz verboten. In Europa sorgt das für Schwierigkeiten. In China selbst stößt die neue Regelung aber auf Zustimmung.
Hao Yu lädt Plastikflaschen und Pappe von ihrem Fahrrad. Sie ist Müllsammlerin in Peking und 53 Jahre alt. Seit über zehn Jahren macht sie diesen Job. Sammelt Plastikflaschen, Pappe oder Metall und verkauft das Material an die Recyclingindustrie. Ihr schwarzes Lastenfahrrad ist verrostet und hat eine Ladepritsche. Meterhoch stapelt sich darauf der platt gedrückte Müll.
"Ich sammele Plastik, Stahl, Pappkartons, Dosen - auch Glas. Alles, was ich verkaufen kann. Ich komme dann hier zum Recyclinghof, um meine Ladung zu Geld zu machen. Aber viel kann ich damit nicht verdienen, ein paar Dutzend Yuan pro Tag. Wenn ich ein Tuk Tuk mit Motor hätte, wäre das besser. Aber ich habe nur ein dreirädriges Fahrrad, so lässt sich nicht viel Geld machen."
Weil Hao Yu zu langsam ist. Bis sie in Peking eine Ladung Müll eingesammelt und dann vor die Tore der Stadt zum Recyclinghof gefahren hat, vergeht Zeit. Rund 30 Kilometer pro Strecke, alles mit dem Fahrrad. Pro Tag verdient sie umgerechnet wenige Euro. Dass China jetzt weniger Müll aus dem Ausland importieren will, das hat sie gehört. Und es freut sie.
"Warum kauft China überhaupt ausländischen Müll? Wir haben so viel eigenen Müll in China! Ich kann es kaum fassen, dass wir bislang noch so viel dazu gekauft haben. Der Müll liegt doch bei uns überall herum! Das ergibt alles keinen Sinn."

China verbietet Einfuhr von 24 Abfallarten

Auch deshalb hat die chinesische Regierung gehandelt. Seit 2018 ist die Einfuhr von 24 Abfallarten verboten, darunter verschiedene Plastiksorten, Metall- oder Elektroschrott. Chinas Regierung nennt die Anti-Müll-Initiative "Operation Grüner Zaun". Der Müll, der noch kommen darf, muss besser sortiert und weniger verunreinigt sein. Umwelt-Experten begrüßen die neuen Regelungen. Ma Jun ist Direktor am Pekinger Umwelt-Institut IPE.
"Wenn der importierte Müll toxisch verunreinigt ist, schadet das sofort der Umwelt. Außerdem macht es den Recycling-Prozess noch komplizierter. Die Verschmutzungsprobleme, die China sowieso schon hat, haben sich durch die Einfuhr von Müll aus dem Ausland noch verschlimmert. Darum braucht es diesen Importstopp! Zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit unserer eigenen Bevölkerung."
China war bislang weltgrößter Müll-Importeur. Seit rund 30 Jahren exportieren die großen Industrienationen mit riesigen Containerschiffen Abfall in die Volksrepublik. Noch im vergangenen Jahr waren es rund 7,3 Millionen Tonnen Plastikmüll aus aller Welt. Ein Geschäft für beide. Der Westen wurde auf diesem Weg seinen Müll los, China hat daraus Rohstoffe extrahiert oder recycelt: Kupfer, Eisen oder Papier. Die Rohstoffe wurden dann für neue Produkte genutzt und wieder exportiert.
"China hat dadurch dringend benötigte Materialien erhalten. Aber gleichzeitig ist der ganze giftige Müll in unser Land gelangt. Der Importstopp wird die Menge an belastetem Müll in China schon bald reduzieren. Das ist gut für die Umwelt und dringend notwendig. Er wird aber auch zu einem Mangel an Rohstoffen wie Papier und Plastik führen."

Müllsortierer leben weder sauber noch sicher

Dongxiaokou ist eine Siedlung im Nordwesten von Peking. Eine Mischung aus Dorf, Müllumschlagplatz und Recycling-Hof. Etwa 1000 Menschen leben hier in barackenartigen Gebäuden. Ohne Kanalisation, dafür mit riesigen Müllbergen direkt neben der Eingangstür. Sie leben alle davon, Müll zu sammeln, zu sortieren und dann an Recycling-Firmen zu verkaufen. Über Siedlungen wie diese hat der Dokumentarfilmer Wang Jiuliang einen Film gedreht: "Plastic China".
"Eines Tages war ich für meine Recherchen auf einer Müllhalde in der Provinz Hebei, am Rande Pekings. Riesig groß, überall Abfall, in allen Farben. Dann schaute ich genauer hin und sah Verpackungen aus den USA, aus Japan, Deutschland und Frankreich. Ich begriff, dass ich die Müllhalde der gesamten Welt vor mir hatte."
Jahrelang hat Wang auf Abfallhalden in ganz China recherchiert und gefilmt. Und war entsetzt über das Ausmaß der Verschmutzung, über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Müllsortierer. Experten schätzen, dass es in China mehr als zehn Millionen Müllsammler gibt. Sie sorgen für den Nachschub von Rohstoffen. Aber ihr Job ist weder sauber noch sicher. Kaum einer der Müllsortierer trägt Schutzkleidung, richtige Schuhe oder Masken. Der Nachschub aus dem Ausland wird jetzt weniger. Der globale Kreislauf hat China geschadet, sagt Filmemacher Wang.
"Wir finden den Importstopp gut. Solange der Recycling-Prozess unter diesen Bedingungen stattfindet, solange der Müll toxisch so verunreinigt ist, bitte einfach Schluss damit! Es richtet zu viel Schaden an. Und außerdem hoffe ich, dass durch Chinas Importstopp die entwickelten Industrienationen dazu gezwungen werden, zu reflektieren, wie ignorant und sorglos sie bislang ihren Müll losgeworden sind."
China hat mittlerweile genug eigenen Müll, um durch Recycling neue Rohstoffe zu gewinnen. Nach offiziellen Angaben hat die Volksrepublik im vergangenen Jahr rund 200 Millionen Tonnen Hausmüll produziert und weitere 3,3 Milliarden Tonnen Industrieabfälle. Das ist rund zehnmal mehr als vor zehn Jahren. Die Müllmengen in China wachsen schneller als dass Müllentsorgungs-Anlagen gebaut werden können. Europas Müll braucht in China keiner mehr.
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