Impressionen vom Grünen Hügel

Von Thomas Senne |
Die Wagner-Festspiele in Bayreuth beginnen am 25. Juli und damit das Schaulaufen der Schönen und Reichen, der Opernfreunde und Sensationslüsternen. Die hat der Fotograf Ernst Gebauer in zahlreichen Fotografien festgehalten und gibt so plastische Impressionen vom Treiben auf dem Grünen Hügel, wie eine Ausstellung im Haus Wahnfried beweist.
Noch ist es ruhig in Bayreuth und der Park hinter der Villa Wahnfried eine sommerliche Idylle mit begrastem Rondell, plätscherndem Springbrunnen, zwitschernden Vögeln und Rasenmähern, die im angrenzenden Hofgarten nölend ihre Runden drehen. Noch liegt auf der granitenen Grablatte, auf einem kleinen, Efeu bewachsenen, grünen Hügel hinter der Villa, nur eine verwelkte rote Rose für den Maestro und seine Cosima, deren letzte Ruhestätte sich hier befindet. Doch schon in ein paar Tagen, mit dem Beginn der Bayreuther Festspiele ist es mit der Stille vorbei.

Dann pilgern wieder Scharen von Besuchern zu den Orten, wo Richard Wagner einst lebte und wirkte, huldigen dem Genie, wollen sehen und gesehen werden: Opernfreunde und Sensationslüsterne, Vertreter von Geldadel, Showbiz, und Politik. Prominente und Halbprominente, die der Fotoreporter Ernst Gebauer einst abgelichtet hat.

Sven Friedrich: "Gebauer ist ein Reportagefotograf, ein journalistischer Fotograf. Das sieht man seinen Bildern auch an. Er ist kein Kunstfotograf. Er war so eine Art Bayreuther Erwin Egon Kisch der Fotoszene, kann man sagen. Immer überall da, wo was los war, mit seinen zwei Kameras vor der Brust. Er hatte offensichtlich auch ein Talent, immer an Orten und bei Situationen anwesend zu sein, wo es denn etwas zu fotografieren gab. Es sind Augenblicksaufnahmen, Schnappschüsse, die aus der Situation heraus entstehen. Also nicht etwa gestellte Fotos, inszenierte Fotos, sondern wirklich Aufnahmen aus dem täglichen Festspielleben."

Pünktlich zur Festspielzeit präsentiert der Leiter des Richard-Wagner-Museums, Sven Friedrich, in Wagners Villa Wahnfried jetzt eine Auswahl dieser Schwarzweißaufnahmen, deren Spektrum von den 50er bis in die 90er Jahre reicht. Pointierte Bildunterschriften des Autors Bernd Mayer ergänzen die Fotografien, die zusammen mit Texten im Bayreuther Druckhaus inzwischen auch als Buch erschienen sind. Es sind mit der Leica eingefangene Bilder, die zunächst den Wagner-Clan in Variationen zeigen - etwa Wieland und Wolfgang Wagner vor einem Rundfunkgerät -, aber auch berühmte Künstler.

René Kollo, vom Schlagerstar zum Bayreuther Bühnenheros avanciert, ist nach einer erfolgreichen "Tristan"-Premiere beim Staatsempfang zu sehen, während die beiden Operndiven Martha Mödl und Astrid Varnay neckisch auf Dreirädern vor einem Spielwarengeschäft posieren.

Wilhelm Furtwängler lässt sich in Bayreuth kurz vor seinem Tod als "Pultgott" feiern, kann aber Herrn "Ka", Herbert von Karajan, nicht ausstehen, der 1952 vor dem Festspielhaus als 44-Jähriger erstaunlich jung wirkt - auf einem der nun präsentierten Bilder von Ernst Gebauer.

Friedrich: "Ein Fotograf, der den Blick des neugierigen, staunenden Zaungastes hat. Der aber natürlich den Vorteil hatte, immer sehr dicht dran zu sein. Aber er überschreitet diese Distanz des Schauenden nie. Es sind also keine Paparazzi-Fotos und das hat ihm wahrscheinlich auch letztlich dieses Vertrauen eingebracht und auch erhalten. Dass er eben nicht auf die Sensation aus war, nicht auf das Enthüllen, nicht auf einen investigativen Journalismus im Foto, sondern dass er – wie eben ein Zaungast der Bayreuther Festspiele – staunend, neugierig, beteiligt auf dieses eigentümliche Phänomen blickt."

Zum Beispiel auf Politiker wie Willy Brandt, der 1968 – damals noch als Außenminister - ein Bad in der Menge nimmt und mit Apo-Demonstranten konfrontiert wird. Franz Josef Strauß hingegen geriert sich mit Glanzanzug, Fliege und Bierglas in der Hand als alkoholisierter Partylöwe. Von der Begum, die sich mit majestätischer Noblesse als strahlenden Mittelpunkt bejubeln lässt, wird er im Bayreuther Bilderwettstreit locker auf die hinteren Ränge verwiesen.

Doch nicht nur Glanz und Gloria sind in der Ausstellung zu finden, sondern auch Ruinen, eine zerbombte Stadt, die nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur mit der so genannten Stunde Null erst allmählich wieder zur Normalität findet: als Neu-Bayreuth. Fotografien, die dokumentieren ....

"... dass dieses Diktum der Stunde Null 1945 eigentlich ein historischer Mythos ist, dass es sehr viele Kontinuitäten gibt, im Guten, aber leider auch, muss man sagen, im Schlechten. Also es ist nicht so, dass sich die deutsche Gesellschaft wie Phönix aus der Asche in eine moralisch saubere, bürgerliche Zivilgesellschaft verwandelt hätte. Natürlich gab es die alten Seilschaften noch. Das ging natürlich alles hinter vorgehaltener Hand. Man durfte ja nicht mehr so laut darüber reden. Aber es ist natürlich völlig naiv, zu glauben, dass sich die Gesellschaft sozusagen von jetzt auf gleich komplett verändert hätte. "

Bestes Beispiel dafür: die Hitler-Freundin Winifred Wagner. Sie unterstützt nach dem Krieg die rechtsradikale NPD und wirkt auf den Fotos etwas dümmlich burschikos: eine "Brünnhilde mit Fehl und Tadel", wie sie Nike Wagner einmal genannt hat.

Die Aufnahmen des 2002 verstorbenen Ernst Gebauer sind keine ästhetischen Glanzlichter, aber immerhin sehenswerte Impressionen vom Grünen Hügel, "Sternstunden von Neu-Bayreuth" eben, die während der Festspielzeit einen Gang zur Villa Wahnfried allemal lohnen.

Service:
Die Ausstellung "Sternstunden von Neu-Bayreuth - Festspiel-Blitzlichter von Ernst Gebauer" ist im Richard Wagner Museum Bayreuth/Haus Wahnfried noch bis zum 30.9. zu sehen. Das im Verlag Druckhaus Bayreuth erschienene Begleitbuch kostet 23,80 Euro. Die Bayreuther Festspiele zeigen ihre Aufführungen vom 25. Juli bis 28. August 2005.