Impressionismus jeder Spielart

Von Björn Stüben |
Touristen aus aller Welt strömen Jahr für Jahr in das kleine Dörfchen Giverny, knapp 70 Kilometer nordwestlich von Paris, denn hier wirkte bis zu seinem Lebensende der Meister des Impressionismus, Claude Monet. Nur folgerichtig ist jetzt in dem Ort ein besonderes Museum eröffnet worden: das "Musée des Impressionnismes", das "Museum der Impressionismen".
Wenigen Besuchern des romantischen Dorfes Giverny, knapp 70 km nordwestlich von Paris gelegen, wird klar gewesen sein, was sich hinter den Mauern des "Musée d'art américain", des "Museums für amerikanische Kunst" verbarg, das hier bis Mitte des vergangenen Jahres in einem unaufdringlich-modernen Bau residierte. Gezeigt wurde hier seit 1992 die Kunstsammlung der Terra Art Foundation aus Atlanta mit Gemälden amerikanischer Künstler, die zwischen 1890 und etwa 1930 nach Giverny gepilgert waren, um in der Nähe von Claude Monet leben und arbeiten zu können. Der Vater der impressionistischen Malerei besaß hier seit 1890 ein Anwesen mit ausgedehnten Gärten samt Seerosenteichen, das heute die Touristen aus aller Welt in Scharen in die normannische Provinz lockt.

Das Haus Monets gibt es natürlich immer noch, das Museum für amerikanische Kunst jedoch nicht mehr. Am Eingangstor steht nun: "Musée des Impressionnismes", das "Museum der Impressionismen". Was hiermit gemeint ist, erklärt Marina Ferretti, die eine erste Ausstellung für das neu kreierte Museum zusammengestellt hat:

"Wir wollen in unserem Museum nicht immer nur von dem einen Impressionismus sprechen, sondern seine unterschiedlichen Varianten betrachten. Sicher denkt man da zunächst an seine französische Ausprägung, aber es gibt auch die Macchiaioli in Italien oder die Luministen in Belgien. Man kann wirklich von einer starken Welle des Impressionismus sprechen, die damals über die westliche Welt hereinbrach. Es gab den Prä- und später auch den Postimpressionismus, dem Monet zuzurechnen ist, als er sich endgültig in Giverny niederließ.
Man darf auch nicht die Maler der lyrischen Abstraktion vergessen, die ihre ganz eigenen Lehren aus dieser Kunstauffassung zogen und die sich wirklich sehr stark am späten Monet orientierten."

Den kunsthistorischen Begriff "Impressionismus" in der Mehrzahl zu benutzen, ihm also ganz unterschiedliche Ausformungen und Varianten zuzugestehen, ist zweifellos neu und vielversprechend. Allerdings besitzt das neue Museum noch kaum eigene Bilder, doch Leihgeber der heute am Kunstmarkt so hoch dotierten impressionistischen Malerei, die auf Dauer ihre Schätze dem Museum zur Verfügung stellen, werden sich bald finden, versichert Marina Ferretti.

Momentan setzt man hier noch auf hochkarätige Wechselausstellungen, denen es an Publikum sicher nicht mangeln wird. Auch davon ist Ferretti überzeugt:

"Sicher werden wir von einem Publikum profitieren, das nur wegen Monet nach Giverny kommt. In unserem Museum bietet sich dann die einmalige Gelegenheit, wieder einige der Originalwerke an dem Ort neu zu entdecken, an dem sie einst geschaffen wurden. Die Vergleiche zwischen der realen Landschaft, von der die bildliche Darstellung inspiriert wurde, und den Werken selber sind ungeheuer interessant, da sie sehr viel über den Künstler aussagen. In Giverny gibt es den Erinnerungsort, also Haus und Garten Monets und jetzt auch ein Museum. Wir arbeiten schon sehr eng mit dem Pariser Musée d'Orsay zusammen, das als sehr spendabler Leihgeber auftritt. Alleine sieben Monets in unserer Schau stammen von dort und das große Bild der blauen Seerosen, das wir jetzt gerade zeigen dürfen, verlässt sonst nie das Musée d'Orsay."

Die Eröffnungsausstellung widmet sich dem Garten Monets, seiner Entstehung und seinem Einfluss auf das künstlerische Schaffen des Meisters. Historische Fotos und Dokumente zeigen Monet als passionierten Gärtner oder belegen den Schriftwechsel mit Behörden, als es etwa um die Umleitung eines kommunalen Baches zur Bewässerung ging.

Monet malte immer wieder die Blüten- und Farbenpracht des sogenannten "normannischen Gartens" direkt vor seinem Haus. Diese Bilder wirken eher konventionell im impressionistischen Sinne, kleine Farbtupfen summieren sich zu einem harmonischen Gesamteindruck, zur Impression eines Augenblicks. Dann entstand auf einem angekauften Grundstück die berühmte Wasserlandschaft mit den fast schon exotisch erscheinenden Seerosen. War es jetzt immer noch die ungebändigte Natur, die Monet seine Motive lieferte?

"Ich glaube wirklich, dass sich Monet eine Landschaft genau so erschaffen hat wie er sie schon immer malen wollte. Und für mich wird auch deutlich, dass Monet, der sich am Ende seines Lebens der Abstraktion in der Malerei annäherte, mit der Anlage seiner Gärten genau auf dieses eine Ziel hingearbeitet hat. Die Natur bedeutete ihm für seine künstlerische Arbeit sehr viel und die Anlage des Gartens in Giverny hat sehr lange gedauert, fast 20 Jahre. Er begann den Garten aber erst wirklich zu malen, als er fertig angelegt war. Ihn interessierte vor allem, wie sich alles optisch vermischt, die Blumen auf dem Wasser oder die Spiegelung des Himmels auf der Wasseroberfläche. Durch diese Vermischung näherten seine Bilder sich allmählich der Abstraktion. Dennoch hat er immer betont, dass er ein realistischer Maler sei."

Vor allem bei den späten Bildern, die kurze Zeit vor seinem Tod 1926 entstanden, fällt es selbst dem heutigen Betrachter schwer zu erkennen, was eigentlich dargestellt ist. Auch so kann Impressionismus aussehen. Das neue Museum in Giverny überzeugt mit dieser Debüt-Ausstellung.